Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich von Kleist
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027220526
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(im Ankleiden beschäftigt):

       Mein Vater kommt. –

      AGNES: O Jesus! (Will sinken.)

      OTTOKAR (faßt sie): Ruhig. Niemand

       Fügt dir ein Leid, wenn ohn' ein Wort zu reden,

       Du dreist und kühn in deiner Männertracht

       Hinaus zur Höhle gehst. Ich bleibe. – Nein,

       Erwidre nichts, ich bleib. Es ist nur für

       Den ersten Anfall.

      (Rupert und Santing erscheinen.)

      Sprecht kein Wort und geht sogleich.

      (Die Mädchen gehen.)

      RUPERT (tritt Agnes in den Weg):

       Wer bist du? Rede!

      OTTOKAR (tritt vor, mit verstellter Stimme):

       Sucht ihr Agnes? Hier bin ich.

       Wenn ihr aus Warwand seid, so führt mich heim.

      RUPERT (während die Mädchen nun abgehen):

       Ich fördre dein Gespenst zu deinem Vater!

       (Er ersticht Ottokar; der fällt ohne Laut. Pause.)

      RUPERT (betrachtet starr die Leiche):

       Santing! Santing! – Ich glaube, sie ist tot.

      SANTING:

       Die Schlange hat ein zähes Leben. Doch

       Beschwör ichs fast. Das Schwert steckt ihr im Busen.

      RUPERT (fährt sich mit der Hand übers Gesicht):

       Warum denn tat ichs, Santing? Kann ich es

       Doch gar nicht finden im Gedächtnis. –

      SANTING: Ei,

       Es ist ja Agnes.

      RUPERT: Agnes, ja, ganz recht,

       Die tat mir Böses, mir viel Böses, o

       Ich weiß es wohl. – – Was war es schon?

      SANTING: Ich weiß

       Nicht, wie dus meinst. Das Mädchen selber hat

       Nichts Böses dir getan.

      RUPERT: Nichts Böses? Santing!

       Warum denn hätt ich sie gemordet? Sage

       Mir schnell, ich bitte dich, womit sie mich

       Beleidigt, sags recht hämisch – Basiliske,

       Sieh mich nicht an, sprich, Teufel, sprich, und weißt

       Du nichts, so lüg es!

      SANTING: Bist du denn verrückt?

       Das Mädchen ist Sylvesters Tochter.

      RUPERT: So,

       Sylvesters. – Ja, Sylvesters, der mir Petern

       Ermordet hat. –

      SANTING: Den Herold und Johann.

      RUPERT:

       Johann, ganz recht – und der mich so infam

       Gelogen hat, daß ich es werden mußte.

       (Er zieht das Schwert aus dem Busen Ottokars.)

       Rechtmäßig wars. –

       Gezücht der Otter!

       (Er stößt den Körper mit dem Fuße.)

      SANTING (an dem Eingang):

       Welch eine seltsame Erscheinung, Herr!

       Ein Zug mit Fackeln, gleich dem Jägerheer,

       Zieht still von Warwand an den Höhn herab.

      RUPERT:

       Sie sind, wies scheint, nach Rossitz auf dem Wege.

      SANTING:

       Das Ding ist sehr verdächtig.

      RUPERT: Denkst du an

       Sylvester?

      SANTING: Herr, ich gebe keine Nuß

       Für eine andre , Meinung. Laß uns schnell

       Heimkehren, in zwei Augenblicken wärs

       Nicht möglich mehr.

      RUPERT: Wenn Ottokar nur ihnen

       Nicht in die Hände fällt. – Ging er nicht aus

       Der Höhle, als wir kamen?

      SANTING: Und vermutlich

       Nach Haus; so finden wir ihn auf dem Wege. Komm!

      (Beide ab. Agnes und Barnabe lassen sich am Eingange sehen.)

      AGNES:

       Die Schreckensnacht! Entsetzlich ist der Anblick!

       Ein Leichenzug mit Kerzen, wie ein Traum

       Im Fieber! Weit das ganze Tal erleuchtet

       Vom blutig-roten Licht der Fackeln. Jetzt

       Durch dieses Heer von Geistern geh ich nicht

       Zu Hause. Wenn die Höhle leer ist, wie

       Du sagst –

      BARNABE: Soeben gingen die zwei Ritter

       Heraus.

      AGNES: So wäre Ottokar noch hier?

       Ottokar! – – Ottokar!

      OTTOKAR (mit matter Stimme): Agnes!

      AGNES:

       Wo bist du? – Ein Schwert – im Busen – Heiland!

       Heiland der Welt! Mein Ottokar! (Sie fällt über ihn.)

      OTTOKAR: Es ist –

       Gelungen. – Flieh! (Er stirbt.)

      BARNABE: O Jammer! Gott des Himmels!

       Mein Fräulein! Sie ist sinnlos! Keine Hülfe!

       Ermanne dich, mein Fräulein! – Gott! Die Fackeln!

       Sie nahen! Fort, Unglückliche! Entflieh! (Ab.)

      (Sylvester und Theistiner treten auf; eine Fackel folgt.)

      SYLVESTER:

       Der Zug soll halten. (Zu Theistiner.) Ist es diese Höhle?

      THEISTINER:

       Ja, Herr, von dieser sprach Johann, und darf

       Man seiner Rede traun, so finden wir

       Am sichersten das Fräulein hier.

      SYLVESTER: Die Fackel vor!

      THEISTINER: Wenn ich nicht irre, seh ich Ottokar

       Dort liegt auch Agnes!

      SYLVESTER: Am Boden! Gott der Welt!

       Ein Schwert im Busen meiner Agnes!

      AGNES (richtet sich auf):

       Wer ruft?

      SYLVESTER: Die Hölle ruft dich, Mörder!

       (Er ersticht sie.)

      AGNES: Ach! (Sie stirbt.)

      (Sylvester läßt sich auf ein Knie neben der Leiche Ottokars nieder.)

      THEISTINER (nach einer Pause):

       Mein bester Herr, verweile nicht in diesem

       Verderblich dumpfen Schmerz! Erhebe dich!

       Wir brauchen Kraft, und einem Kinderlosen

       Zerreißt der Schreckensanblick das Gebein.

      SYLVESTER:

       Laß einen Augenblick mich ruhn. Es regt

       Sich sehr gewaltig die Natur im Menschen,

       Und will, daß man, gleich einem einzgen Gotte,

       Ihr einzig