3.
Er ist also der natürliche vollkommene Sohn aus dem Vollkommenen, vor allen Hügeln gezeugt, das heißt, vor aller mit Vernunft und Verstand begabter Natur, wie ihn anderswo13 Paulus den Erstgebornen aller Kreaturen nennt. Indem er ihn aber den Erstgebornen nennt, gibt er zu verstehen, daß er nicht geschaffen, sondern der Gezeugte des Vaters sey. Denn es verträgt sich nicht mit seiner Gottheit, ihn ein Geschöpf zu nennen. Alles ist ja von dem Vater durch den Sohn geschaffen worden; der Sohn allein aber ist von Ewigkeit her aus dem Vater gezeugt, und daher ist Gott das Wort der Erstgeborne aller Kreaturen, der Unveränderliche aus dem Unveränderlichen. Demnach ist der Leib, welchen er unsertwegen angenommen hat, ein Geschöpf, von welchem Jeremias14 nach der Ausgabe der siebenzig Dollmetscher sagt:15 „Der Herr hat uns zur Pflanzung ein neues Heil geschaffen, und in diesem Heile werden die Menschen umhergehen.“ Nach der Uebersetzung des Aquila aber heißt es: „Der Herr hat etwas Neues in dem Weibe erschaffen.“ Dieses für uns zur Pflanzung erschaffene neue und nicht alte Heil nun, für uns und nicht vor uns, ist Jesus, welcher als Heiland Mensch geworden ist, denn das Wort „Jesus“ wird bald durch Heil, bald durch Heiland übersetzt. Es kommt aber von dem Heilande das Heil, wie von dem Lichte die Erleuchtung. Somit hat das neue aus dem Heilande erschaffene Heil, wie Jeremias sagt, uns ein neues Heil erschaffen, und wie Aquila übersetzt, „der Herr hat etwas Neues in dem Weibe geschaffen,“ das ist, in Maria. Denn es wurde nichts Neues in dem Weibe geschaffen, ausser der Leib des Herrn, welcher von der Jungfrau Maria ohne Beiwohnung geboren wurde, wie es auch in den Denksprüchen von der Person Jesu heißt:16 „Der Herr hat mich erschaffen als Anfang seiner Wege zu seinen Werken.“ Er sagt nicht, vor den Werken hat er mich erschaffen, damit nicht Jemand dieses auf die Gottheit des Sohnes beziehen möchte.
4.
Diese beiden Stellen über das Geschöpf sind also in Beziehung auf den Leib Jesu geschrieben worden. Denn der Mensch, in welchem der Herr erschien, ist als Anfang der Wege erschaffen worden, welchen Menschen er uns zum Behufe der Erlösung erscheinen ließ. Denn durch ihn haben wir den Zutritt zu dem Vater; denn er ist der Weg, der uns zum Vater führt. Der Weg aber ist etwas körperliches, etwas in die Augen fallendes, und dieser Weg ist der Herr als Mensch. Alles also hat das Wort Gottes geschaffen, es selbst aber ist nicht erschaffen, sondern gezeugt. Denn kein Geschöpf kann etwas sich gleiches oder ähnliches erschaffen; sondern es ist Sache des Vaters zu zeugen, und Sache des Künstlers zu schaffen. Etwas Gemachtes und Geschaffenes ist also der Körper, welchen der Herr unsertwegen getragen hat,17 welcher uns, wie Paulus sagt, von Gott gezeugt ist zur Weisheit, zur Heiligung, zur Gerechtigkeit und zur Erlösung; obgleich das Wort, die Weisheit des Vaters, vor uns und jeglichem Geschöpfe war und ist. Der heilige Geist aber, welcher von dem Vater ausgeht, ist immer in den Händen des sendenden Vaters und des ihn tragenden Sohnes, durch welchen er Alles erfüllt hat. Der Vater, welcher das Seyn aus sich selbst hat, hat also, wie wir gesagt haben, den Sohn gezeugt, und nicht erschaffen, auf ähnliche Weise, wie die Quelle den Fluß, die Wurzel den Schößling, das Licht den Glanz hervorbringt, deren Untheilbarkeit die Natur erkennt. Durch ihn aber sey dem Vater Ehre, Macht und Herrlichkeit vor aller Ewigkeit und in alle Ewigkeit. Amen.
Fußnoten
1. Dieses scheint gegen die Eusebianer gesagt zu seyn, welche sich wegen des Wortes ὁμοούσιον [homoousion] weigerten, das Glaubensbekenntniß von Nicäa zu unterschreiben.
2. Joh. V, 23.
3. 1. Joh. V, 20.
4. Joh. XIV, 9.
5. Isai. LIII, 8.
6. Joh. X, 18.
7. Luk. XXIII, 43.
8. Sabellius von Ptolomais in Libyen, ein Schüler des Noetius von Smyrna, erneuerte die Gotteslästerung des Praxeas, indem er die Verschiedenheit der göttlichen Personen läugnete.
9. Es entstand nämlich ein Streit, ob man in Jesu Christo nur eine Hypostasis oder drei annehmen müsse. Dieses Wort war noch unbestimmt wegen der ihm beigelegten zweifachen Bedeutung, indem die Einen unter Hypostasis die Natur, die Andern aber die Person oder das Wesen verstanden, wie man es heut zu Tage allgemein annimmt. Mittelst dieser Zweideutigkeit suchten die Arianer auf der einen, und die Sabellianer auf der andern Seite die Gläubigen irre zu führen. Der heil. Hieronymus, diese Arglist bemerkend, antwortete, daß, wenn man durch Hypostasis die Natur verstehe, so sey nur eine in Gott, verstehe man aber darunter die Person, so seyen drei in der Gottheit. In Bezug auf diese Streitsache schrieb er an den Papst Damasus, welcher i. J. 366 auf den apostolischen Stuhl erhoben worden war: „Wir fragen, was sie glauben, was man unter drei Hypostasen zu verstehen habe; sie sagen, man müsse drei bestehende Personen darunter annehmen, und wir antworten, daß dies auch unser Glaube ist. Sie begnügen sich aber nicht mit dem Sinne, sondern wollen nebst diesem auch den Ausdruck, welcher, ich weiß nicht, welches Gift verbirgt, und weil wir dieses Wort nicht gebrauchen, beschuldigen sie uns der Ketzerei. — Ich bitte daher deine Heiligkeit im Namen Jesu des Gekreuzigten, des Welterlösers, im Namen der gleichwesenheitlichen Dreieinigkeit, mich durch einen Brief zur Anwendung oder Nichtanwendung des Wortes Hypostasis zu ermächtigen.“ (Ep. 14, alias 57 ad Damas. p. 19, tom. IV.)
10. Joh. XVI, 26.
11. Sprüch. VIII, 30.
12. Koloss. I, 16, 17.
13. Koloss. I, 15.
14. Jerem. XXXI, 22.
15. Nach dem Hebräischen lautet der Text so: „Gott hat etwas Neues erschaffen auf der Erde, eine Weibsperson wird einen Mann umgeben.“ Theodotion hat: “Quia creavit Dominus saIutem novam, in salute circuibit homo.“
16. Sprüch. VIII, 22.
17. 1. Kor. I, 30.
Geschichte der Arianer. (Historia Arianorum)
Bibliographische Angaben:
Titel Version: Geschichte der Arianer. (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Geschichte der Arianer. (Historia Arianorum) In: Sämmtliche Werke des heiligen Athanasius 2. (Sämmtliche Werke der Kirchen-Väter 15), Kempten 1836. Unter der Mitarbeit von: Ottmar Strüber
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