Auf meine sofortige Beschwerde, unser begründeter Verdacht eines völlig anderen Motivs und Verlaufs der Tat sei überhaupt nicht in Betracht gezogen worden, antwortete am 21. November der Leiter der Inspektion des Innenministeriums der Čssr, Unterschrift wie immer unleserlich:
«Im Vorgehen der Polizeibehörde kann ich keine Mängel erkennen. Im Gegenteil hat Ihre mangelnde Bereitschaft, die notwendigen grundlegenden Informationen zu gewähren, die definitive Klärung des Falls behindert.»
Ich schrieb dem Innenminister einen sechsseitigen Brief mit einer ganzen Reihe von Informationen über die ungesetzlichen Handlungen seiner Geheimpolizei. Ich schrieb ihn im Bewußtsein, für jede Ungenauigkeit nach etwa sechs Paragraphen verklagt werden zu können. Ich wies ihn auch auf die verdächtigen Zusammenhänge zwischen dem Versuch, Vaculík und mich für das Schicksal Ota Filips verantwortlich zu machen, dem hysterischen Suchen des Briefs und dem Brand hin. Albern, sicher, aber bei wem soll man sich wirksam über die Mafia beschweren, wenn nicht beim Paten? Nur meine eigene Hypothese habe ich nicht angeführt, sie war mit Sicherheit strafbar: Ihr zufolge wurde unser allsonntägliches Verlassen des Hauses zu einer heimlichen nächtlichen Durchsuchung genutzt. Das verglaste Plakat wurde abgenommen, weil es an einer Stelle hing, wo man eine Nische und auch ein Versteck vermuten konnte. Dabei wurde es aus Versehen unreparierbar zerschlagen. Damit der illegale Besuch nicht aufflog, vertuschten sie ihn, wie es ihnen ihre kriminelle Phantasie eingab.
Eine Antwort des Ministers ist nie eingetroffen. Die Bezirksabteilung der Polizei in Sázava unterbrach schon am 9. Dezember die Strafverfolgung, weil es «nicht gelungen war, Tatsachen festzustellen, die ein Strafverfahren gegen eine bestimmte Person begründen würden». Eine überraschende Ergänzung sollte das Leben dieser feurigen Geschichte erst im Sommer 1978 hinzufügen.
Unerwartet schnell hat die üblicherweise so pingelige Staatliche Versicherung reagiert. Sie zahlte ohne Nachforschungen den vollen Schadensersatz, auch für so fragwürdige Positionen wie «orientalischer Gebetsteppich», den mein Vater aus dem Ersten Weltkrieg mitbrachte und dem ich den Wert des Unersetzlichen beimaß.
Der wohl schönste Kommentar zu dem Brand war Vaculíks Eintragung in das Gästebuch anläßlich der Wiedereröffnung nach erfolgter Reparatur: «Ich war dabei, als P. K. erfuhr, daß sein Haus brennt. Er hat sich wie ein Mann benommen, der genügend Häuser besitzt.»
12
Böhmen, noch Herbst 1973
Am Dienstag, dem 30. Oktober, war ich mit Valtrr allein zu Hause. Zet beaufsichtigte in Sázava die Schadensbehebungen. Du warst mit ihr, gerade wundersam von einer geheimnisvollen Krankheit geheilt, mein endlos erfinderischer Dackel.
Vor vierzehn Tagen, als Zet Geburtstag feierte, war dir beim mitternächtlichen Weggang der zarte Philosoph Kosík auf die Pfote getreten. Du heultest auf und eiltest humpelnd zu Zet, die dich natürlich auf den Schoß nahm, um dein Leiden zu mildern. Am Morgen krochst du auf drei Füßen aus dem Korb. Was blieb Zet übrig, als dich wieder zu liebkosen? Nach einer Woche glaubten wir die traurige Gewißheit zu haben, du seist zum Krüppel geworden. Der schuldige Philosoph behauptete zwar, er habe dich in unserem Hradschin-Park fröhlich springen sehen, doch wer glaubt schon einem, der auf Dackeln herumtritt? Wir fuhren zum Tierarzt. Ein Wartezimmer, in dem auf den Schößen ihrer Herrchen und Frauchen Katzen, Hunde und Vögel zittern, ist ein doppelt trauriger Ort. Betrachten und befühlen brachte nichts. Der Arzt ließ sich schließlich den Vorfall genau schildern.
«Ach so», sagte er dann, «das hätte ich mir denken können. Wenn Sie einmal anfangen, einen Dackel zu bedauern, wird er sein ganzes Leben hinken. Achten Sie nicht darauf, und er wird sofort gesund, sobald es ihm nichts bringt!» Und so geschah’s.
Unser geflügelter Intelligenzler sprang im Käfig umher, wiederholte fleißig die Vokabel und kam sich hörbar herrlich vor.
«Valtrrr, Valtrrrchen, Valtrrrlein! Das ist prrrima! Prrrrima!»
Trotz eines Verbots fuhr ich mit dem Schreiben der zweiten Version des Filmdrehbuchs Grausame Kaninchen fort. Thema war der heimliche Versuch zweier befreundeter Mediziner, mit Hilfe in das Gehirn implantierter Elektroden Schmerzen zu stillen; unvorhergesehenermaßen gelingt es ihnen, tödliche Aggressionen zu wecken, was statt Strafe das Interesse der Militärs zur Folge hat. Die erste Fassung hatte Zet noch während der Studienzeit geschrieben, dann setzte sie die Arbeit nicht fort, nachdem man sie zur Strafe dafür, daß sie so illoyal geheiratet hatte, aus den Reihen der genehmigten Autoren verbannte. Es wurde zur Familientradition, daß der eine die Stoffe beendete, wenn dem anderen die Lust oder Phantasie ausging. Auch eine einheitliche Abgeltungsgebühr lebte sich ein: eine Flasche Sekt, später Champagner.
Das einzig wirklich wirksame Schreibverbot haben nicht die Behörden ausgesprochen, sondern ein Chirurg: Ich hatte mir noch vor dem Brand in Sázava beim Ausheben eines Drängrabens zur neuen Mistgrube eine akute Sehnenentzündung zugezogen. Die Photographiererei im Fluß gab mir den Rest. Der Chirurg kannte mich und gipste mir deshalb den rechten Arm bis zum Ellbogen ein. Dabei bewegte ich jedoch heimlich die Finger, um den Rand des Panzers bis zum Mittelgelenk zu verrücken. So konnte ich weiter die Schreibmaschine bedienen.
Die stark vergeßliche Zet kehrte jedesmal mindestens einmal zurück, wenn sie das Haus verlassen hatte, deshalb konnte nur sie es sein, als es wieder klingelte. Im Schloß steckte der Schlüssel, damit ich vor ihr in einem solchen Fall die medizinisch unzulässige Schreibmaschine schnell verstecken konnte. Ich tat es.
«Was ist es denn heute?» wollte ich schon durch die Tür wissen, «Geld, Papiere, Leine oder Schlüssel?»
Draußen standen zwei Männer, über deren Beruf kein Zweifel bestehen konnte. Sie hatten eine Art besonderen Firmenzeichens, ich weiß bis heute nicht, ob dies eine angeborene oder aber professionelle Deformation war. Sie mochten sich verkleiden wie sie wollten, es verband sie alle eine fischartige Kälte und Glätte. Die Grundsätze, denen sie als Söldner dienten, waren zu veränderlich, als daß sie Charakter hätten entstehen lassen können.
Also zum ersten Mal wirklich sie! Als bisher unbescholtener und wohlerzogener Bürger entsprach ich ihrer im ganzen höflichen Einladung, ihnen zu einem kleinen Gespräch auf die Dienststelle zu folgen. Die entsprechenden Paragraphen kannte ich und wußte sehr wohl, daß sie mir eine Vorladung hätten zeigen müssen, doch ich wollte die lang erwartete erste Begegnung auf ihrem Spielplatz endlich hinter mir haben.
Sie stellten sich mir als Martinovský und Sluníčko – also «Sönnchen» – vor. Von dem ersten hatte mir schon Vaculík erzählt, er war per Zufall auf seinen echten Namen Matura gestoßen. Ich brachte die beiden jedenfalls dazu, mir ihre roten Dienstausweise zu zeigen. In ihnen standen nur Zahlen, die sie damals noch als genügende Tarnung betrachteten, bis sie feststellten, daß manche Delinquenten imstande waren, sie für die Zukunft zu memorieren.
Hinter der «Goldenen Birne» bog der Wagen nicht nach links, sondern nach rechts ab. Diese Bewegung des Lenkrads bedeutete für mich die angenehme Abkehr vom Untersuchungsgefängnis Ruzyně zu den bloßen Ermittlungsräumen in der Bartolomějská-Straße. Auf dem Wege verharrten sie in ihrem magischen Schweigen und boten mir so die schon einmal getestete Möglichkeit an, mich innerlich zu sammeln. Wie vor einer Probe wiederholte ich mir die Grundsätze meiner erdachten Strategie. Nach kurzer Zeit konnte ich sie in dem berühmten Kachelgebäude ausprobieren.
«Das haben Sie vom Schreiben?» gaben sie sich menschlich, meinen Gips betrachtend.
«Nein, ich habe gegraben.»
«Sie arbeiten auch mal?» fuhren sie auf ihre Weise fort.
Ich bat sie höflich, zur Sache zu kommen.
«Sie werden uns beichten müssen, wo, wann und wem sie das Interview gegeben haben, das am 25. September vom Österreichischen