Ein Traum von Freiheit. Thomas Flanagan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Flanagan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711480380
Скачать книгу
ist die erste Amtshandlung eines Whiteboys. Je mehr er den Mund füllt, desto besser.« 1779, eine Scheune in der Nähe von Tralee in Kerry, MacCarthy gerade achtzehn geworden. Verängstigte, prahlerische Gesichter um eine Kerze versammelt. Er würde Teile seiner Vergangenheit verbrennen, wenn er das könnte, alle die Nächte des Monats der Whiteboys. Männer mit geschwärzten Gesichtern, weiße Kittel über grobem Fries, ausgebeulte Strümpfe schauten darunter hervor, krochen durch nasse Felder zum Vieh. Die Nacht plötzlich von Schreien und Gebrüll erfüllt.

      »Wir sind keine Idioten«, sagte Duggan. »Wir wissen, was wir tun.«

      »Aber sicher doch«, sagte MacCarthy und leerte abermals sein Glas. »Ihr seid großartige Burschen. Meine lange Wanderung von Kerry bis hierher in den Norden hat sich doch wirklich gelohnt, wenn ich so großartige Burschen kennenlerne.«

      »Korn und Hafer werden den Grundbesitzern gutes Geld bringen«, erklärte Hennessey, »aber Viehzucht bringt noch mehr. Die Grundbesitzer werden einen Hof nach dem anderen zu Weideland machen, wie Cooper es mit dem Hof der O’Malleys gemacht hat.«

      Die Grundbesitzer hatten keine andere Wahl, und die Leute hatten keine andere Wahl, und die Gerichte würden auch keine andere Wahl haben, als sie zu jagen und zu hängen. Es war wie ein Lehrsatz von Euklid, gerade Linien strebten auf einen Punkt zu. Es war zwanzig Jahre zuvor in Kerry und in West Cork geschehen. Er hatte gesehen, wie die Whiteboys ihren Sieg vor der Kapelle begossen, und er hatte sie am Ende des Stricks baumeln sehen. Und was ist mit mir, dachte er, habe ich eine Wahl?

      »Wir haben dich nicht kommen lassen, um mit uns zu streiten, MacCarthy«, sagte Duggan. Damit war die Frage beantwortet.

      »Ich will auch gar keinen Streit«, antwortete MacCarthy. Er nahm Quigleys Krug mit übelschmeckendem Whiskey und füllte sein Glas bis an den Rand. Das Glas zum Abschied.

      »Das stimmt nicht«, widersprach Duggan. »Du würdest mit Begeisterung so lange streiten, wie noch etwas im Krug ist. Du bist dessen Sklave, und das weiß hier jeder.«

      »Wir sind alle Sklaven«, sagte MacCarthy. Es schmeckte jetzt besser, weich und kühl. »Sklaven von diesem, Sklaven von jenem. Ich werde den Brief für euch schreiben, und ich werde ihn mit meiner linken Hand schreiben. Aber sonst werde ich nichts mit euch oder für euch tun, und ich werde keinen Eid ablegen. Ihr werdet auf den Straßen von Killala und Kilcummin Blut vergießen, und es wird nicht das Blut von Grundbesitzern sein.«

      »Einiges doch, bei Gott«, widersprach Quigley. »Wenn unser Blut vergossen wird, dann auch ihres. Wir werden ihnen schon das helle Ende des Messers zeigen.«

      MacCarthy sah ihn an und verachtete das runde, selbstgefällige Gesicht. Der Raum war jetzt dunkel. Das Gesicht schwamm im sterbenden Abendrot, ein einfältiger Mond. MacCarthy schleuderte sein Glas plötzlich in die Ecke; Whiskey spritzte über seine Hand.

      »Hör ihn dir an«, sagte er zu Duggan. »Hör dir diesen Mann an. Das ist die Sorte Mann, die du an deiner Seite haben wirst, die niemals Blut gesehen hat, außer von Kühen und Schweinen. Er wird seinen eigenen miesen Whiskey trinken und prahlen, und er wird dich bis an den Fuß des Galgens trinken und prahlen.«

      »Aber du hast Blut gesehen«, sagte Duggan mit seiner humorlosen Ironie.

      »Ich war Schulmeister in Macroom, als Paddy Lynch mit fünf seiner Anhänger gehenkt wurde. Ich sah seine Füße in der Luft strampeln, und ich sah sein Gesicht. Das war Blut genug für mich.«

      »Bei Gott, das könnte einem den Appetit verderben«, sagte O’Carroll zu Duggan, lächelte aber nervös, um seinen Worten die Spitze zu nehmen.

      Duggan drehte sich zu ihm um. »Wenn wir vorsichtig und verschwiegen sind, dann wird in Tyrawley niemand gehenkt werden.«

      »In Castlebar«, korrigierte MacCarthy. »Sie werden euch mit auf den Rücken gefesselten Händen auf einen Karren laden und euch nach Castlebar schaffen und euch dort vor Gericht stellen und hängen. Wenn ihr hundert Männer habt, dann habt ihr zehn Denunzianten, und wenn ihr fünfhundert Männer habt, dann habt ihr fünfzig.«

      »Müssen wir uns diesen Mann anhören?« fragte Duggan O’Carroll, seine Stimme war rauh vor Verachtung. »Einen Mann, der auf dieser Welt nichts besitzt außer einem Sack Bücher und der Hälfte von Judy Conlons Bett. Hört auf ihn, und in zwei Jahren wird es in Tyrawley nur noch Viehzüchter und Kuhhirten geben. Und Judy Conlon.«

      »Hüte deine Zunge, Duggan«, sagte MacCarthy und erhob sich. Was könnte ich gegen ihn schon ausrichten, mit seinen Händen wie riesige Schinken, geräuchert und gebeizt von Schlehdorn und Stechpalme seiner Dorfkämpfe. »Bei Gott«, sagte er zu den anderen. »Ab und zu ist es ein großer Trost, kein Land zu haben.«

      »Das stimmt«, sagte Matthew Quigley. »Wenn wir nicht vergessen, was wir unseren Nachbarn schuldig sind.«

      »Owen würde das nicht vergessen«, sagte Hennessey. »Was hätte denn ein Schulmeister für ein Leben, wenn er sich mit seinen Nachbarn nicht gut stünde?«

      »Überhaupt keins«, antwortete Duggan. »Gar kein Leben.«

      MacCarthy blieb stehen. »Ich danke dir für den Whiskey, Matthew. Wem soll ich den Brief geben, wenn ich ihn geschrieben habe?«

      »Du kannst ihn ruhig mir geben«, antwortete Quigley. »Ich komme morgen zu dir und hole ihn ab.«

      »Nicht zu mir«, sagte MacCarthy. »Und auch nicht zu meinem Schulhaus. Wir treffen uns in Tobins Schenke.«

      »Nun hab es doch nicht so eilig, Owen«, sagte Hennessey. »Hast du kein Lied für uns?«

      »Ein Lied wollt ihr? Schade, daß Paddy Lynch nicht hier ist, um euch das Tanzen in der Luft beizubringen. Der arme Paddy, er war ein wahrer Künstler. Er hat die Geheimnisse dieses Handwerks gelernt, aber er hat sie niemandem verraten.«

      Nur Quigley lachte. »Du bist ein Mann von Geist, Owen. Ein Mann von Geist, wenn du etwas getrunken hast.«

      »Das ist oft genug der Fall«, sagte MacCarthy.

      »Komm gut nach Hause, Owen«, sagte Hennessey.

      Er warf einen letzten Blick auf sie, schwer zu erkennen jetzt, in dem dunklen Zimmer. Was können sie schon Schlimmes anrichten, vier Männer in einer Schenke am Strand von Kilcummin? Nein, drei Männer und ein Bulle mit Gehirn. Ein Bulle mit Augen so rund wie Monde.

      Vor der Schenke machte sich der Mond über ihn lustig. Voll, vollkommen. Sein Licht fiel auf Fels, Strand und schwarze Bucht. Die Nachtluft war kalt. Weit im Westen, Downpatrick Head, grimmig-schnäuzige Halbinsel, und die einsame, wilde Baronie Erris. Im Süden die Nephin Mountains, die sich bis Achill Island hinzogen. Im Osten, die Ox Mountains im sanfteren County Sligo. Wirklich ein hartes Land, nach dem süßen Königreich Kerry und der fröhlichen Geschäftigkeit von Cork. Der wildeste und ärmste County Irlands, behaupteten die Leute von Galway über Mayo. Und sie konnten das wirklich beurteilen, die armen Geschöpfe.

      Sein Pfad folgte den Umrissen der Bucht, eng, uneben. Vor ihm Killala, überragt von niedrigen Hügeln. In ihrer Mitte, auf Steeple Hill, der uralte hochgereckte Arm eines Rundturms, schwarz vor dem dunklen Himmel. Wer konnte das Alter solcher Türme wissen? Viel älter als der Däne, sagten manche; älter als die Söhne des Milesius und die Ankunft der Gälen. Vielleicht. Es war ein Land, in dem die Geschichte an Ruinen gemessen wurde, an gälischen Forts und normannischen Wachttürmen. Und die Rundtürme stellten nicht einmal die letzte Linie des Verfalls dar, denn gab es nicht auch noch die Dolmen und die seltsamen unterirdischen Grabkammern, riesengroß, wie für Giganten gebaut?

      Er betrat Killala vom Westende her, ging an Hütten vorbei, an deren Mauern Fischernetze zum Trocknen hingen, durch enge, gewundene Straßen. Er blieb an der offenen Tür von Tobins Schenke stehen, deren Schild er mit Hilfe des Mondes sehen konnte: das Zeichen des Wolfshundes. Sogar die Namen, die sie den Orten des Frohsinns gaben, waren leicht drohend: steifborstige Bulldogge, die Lippen von den gebleckten Fangzähnen zurückgezogen. Er war Ovid, verbannt ins wilde Tomi. Aus der Schenke strömte eine Flutwelle von Gemurmel in die Straße. Vielleicht hatte der Wanderer noch mehr über den Aufstand in Wexford zu erzählen. Tausende von Männern