Ulysses. James Joyce. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Joyce
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726642858
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sollen, wie man sagt, kein Schweinefleisch fressen. Koscher. Hier. Er warf ihr das blutbeschmierte Papier hin und liess die Niere in die brutzelnde Buttersauce fallen. Pfeffer. Er liess ihn durch die Finger rieseln, ringförmig, aus dem gesprungenen Eierbecher.

      Dann schlitzte er seinen Brief auf, überflog die Seite, wandte sie um. Dank: neue Mütze: Herr Coghlan: Loch Owel Picknick: junger Student: Blazes Boylans Mädel vom Strande.

      Der Tee hatte gezogen. Er füllte seine eigene Barttasse, unechtes Porzellan, lächelte. Der liebi Milly Geburtstagsgeschenk. War damals erst fünf. Nein, warte mal: vier. Ich schenkte ihr das unechte Bernsteinhalsband, das sie zerriss. Steckte für sich Stücke gefalteten, braunen Papiers in den Briefkasten. Er lächelte, während er den Tee eingoss.

      O, Milly Bloom, mein Liebling bist du.

      Du bist mir ein Spiegel immerzu.

      Ohn’ jeden Pfennig ich lieber dich mag,

      Als mit Esel und Garten die Katey Keogh.

      Armer, alter Professor Goodwin. Schrecklicher alter Kauz. War aber ein höflicher, alter Kerl. Wie altmodisch er Molly immer vom Podium zurückführte. Und der kleine Spiegel in seinem Seidenhut. Als eines Abends Milly ihn ins Wohnzimmer brachte. O, sieh mal, was ich in Professor Goodwins Hut fand! Wir haben alle gelacht. Damals schon ein Weibchen. War ein freches, kleines Ding.

      Er stach mit der Gabel in die Niere und schlappte sie um: stellte dann die Teekanne auf das Tablett. Sie wackelte wegen der Beule, als er es hochhob. Alles drauf? Brot und Butter, vier, Zucker, Löffel, ihre Sahne. Ja. Er trug es hinauf; den Daumen hakte er in den Henkel der Teekanne.

      Er stupste die Tür mit dem Knie auf, brachte das Tablett herein und stellte es auf den Stuhl am oberen Ende des Bettes.

      «Das hat aber lange gedauert», sagte sie.

      Als sie sich plötzlich aufrichtete, klingelten die Messingteile; mit einem Ellbogen stützte sie sich auf das Kissen. Er sah ruhig herab auf ihre Masse und zwischen ihre grossen, weichen Peppen, die in ihrem Nachthemd wie Ziegeneuter zur Seite hingen. Die Wärme ihres liegenden Körpers strömte in die Luft, mischte sich mit dem Duft des Tees, den sie eingoss.

      Eine Ecke des aufgerissenen Briefumschlages lugte unter dem zerknüllten Kissen hervor. Er ging, blieb dann stehen, glättete die Bettspreite.

      «Von wem war der Brief?» fragte er.

      Freche Handschrift. Marion.

      «O, Boylan», sagte sie. «Er bringt mir das Programm.»

      «Was sollst du singen?»

      «Là ci darem mit J. C. Doyle», sagte sie, «und Love’s Old Sweet Song.»

      Ihre vollen, trinkenden Lippen lächelten. So Weihrauch riecht am nächsten Tag ziemlich schal. Wie faules Blumenwasser. «Soll ich das Fenster nicht ein wenig öffnen?»

      Sie schob eine zusammengeklappte Schnitte Brot in den Mund, fragte:

      «Wann ist die Beerdigung?»

      «Elf, glaube ich», antwortete er. «Hab die Zeitung noch nicht gelesen.»

      Er folgte ihrem ausgestreckten Finger, hob ein Bein ihrer schmutzigen Hose vom Bett. Nein? Dann ein gezwirntes, graues Strumpfband mit Strumpf: faltige, glänzende Sohle.

      «Nein: das Buch.»

      Anderer Strumpf. Ihr Unterrock.

      «Ist sicher runtergefallen», sagte sie.

      Er fühlte hier und da. Voglio e non vorrei. Ob sie das wohl richtig ausspricht: voglio. Nicht im Bett. Muss runtergerutscht sein. Er bückte sich und hob die schmale Bettgardine. Das Buch war runtergefallen und flätzte sich gegen die Rundung des Nachttopfes mit der gelben Schlüsselverzierung.

      «Zeig mal her», sagte sie. «Ich hab ein Zeichen reingelegt. Da ist ein Wort, nach dem ich dich fragen wollte.»

      Sie schlürfte einen Schluck Tee aus ihrer Tasse, die sie an der Nichthenkelseite fasste, wischte ihre Fingerspitzen schnell an der Decke ab, fuhr mit der Haarnadel über den Text, bis sie das Wort fand.

      «Metim, was?» fragte er.

      «Hier», sagte sie. «Was heisst das?»

      Er beugte sich vor und las neben ihrem polierten Daumennagel.

      «Metempsychose? »

      «Ja. Was ist denn das für’n Kerl?»

      «Metempsychose», sagte er und zog die Augenbrauen zusammen. «Das ist griechisch: aus dem Griechischen. Es bedeutet: Seelenwanderung.»

      «O, Hagelschlag», sagte sie. «Erklär mir das mal einfacher.»

      Er lächelte und begegnete von der Seite ihrem spöttischen Blick. Die selben jungen Augen. Die erste Nacht nach den Scharaden. Dolphins Barn. Er wandte die beschmutzten Seiten um. Ruby: Der Stolz der Arena. Hallo. Illustration. Wilder Italiener mit Kutscherpeitsche. Ist sicher Ruby Stolz der da nackt am Boden. Bettuch freundlicherweise gestellt. Das Ungeheuer Maffei liessvon seinem Opfer ab und stiess es mit einem Fluch von sich.Hinter allem Grausamkeit. Betäubte Tiere. Trapez bei Hengler. Musste wegsehen. Pöbel gaffte. Brecht euch den Hals, wir halten uns den Bauch vor Lachen. Ganze Familien. Muss sie früh entknochen, sonst können sie nicht metempsychosieren. Dass wir nach dem Tode leben. Unsere Seelen. Dass eines Menschen Seele nach seinem Tode. Dignams Seele. . . .

      «Hast du es zu Ende gelesen?» fragte er.

      «Ja», sagte sie. «Steht nichts Saftiges drin. Liebt sie den ersten Kerl die ganze Zeit über?»

      «Hab’s nie gelesen. Willst du ein anderes?»

      «Ja. Besorge mir ein neues von Paul de Kock. Hat ’nen netten Namen, gefällt mir.»

      Sie goss sich wieder Tee ein, beobachtete von der Seite seinen Strahl.

      Muss das Buch aus der Bibliothek in der Capel Street verlängern lassen, sonst schreiben sie an Kearney, meinen Bürgen. Reincarnation: das ist das richtige Wort.

      «Viele Menschen glauben», sagte er, «dass wir nach dem Tode in einem andern Körper als dem, in dem wir vorher lebten, weiterleben. Sie nennen das Reincarnation. Dass wir alle vor Tausenden von Jahren schon auf der Erde oder einem andern Planeten lebten. Sie behaupten, wir hätten das vergessen. Einige wollen sich sogar an ihre früheren Leben erinnern.»

      Die faule Sahne zog gerinnende Spiralen in ihrem Tee. Sollte sie an das Wort erinnern: Metempsychose. Ein Beispiel wäre sehr dienlich. Ein Beispiel?

      Die Nymphe im Bade über dem Bett. Beilage der Osternummer der Photo Bits: Herrliches Meisterwerk in Kunstfarben. Wie Tee ohne Milch. Mit ihrem aufgelösten Haar hat sie Ähnlichkeit mit ihr: schlanker. Drei und sechs hab ich für den Rahmen bezahlt. Sie meinte, über dem Bett würde es sich gut machen. Nackte Nymphen: Griechenland: und als Beispiel alle Leute, die damals lebten.

      Er blätterte die Seiten zurück.

      «Metempsychose», sagte er, «nannten es die alten Griechen. Sie glaubten, man könnte z. B. in ein Tier, in einen Baum verwandelt werden. Zum Beispiel was sie Nymphen nannten.» Ihr Löffel rührte den Zucker nicht mehr um. Sie blickte starr vor sich hin, atmete durch ihre geblähten Nasenlöcher.

      «Es riecht hier verbrannt», sagte sie. «Hast du was auf dem Feuer gelassen?»

      «Die Niere!» rief er plötzlich.

      Rasch stopfte er das Buch in die innere Rocktasche, rannte mit den Zehen gegen den wackligen Nachtstuhl, lief dem Geruch entgegen, eilte mit aufgeregten Storchbeinen die Treppe runter. Von der einen Seite der Pfanne schoss in giftigem Strahl beissender Rauch auf. Mit einer Gabelzinke stach er unter die Niere, löste sie los und kippte sie auf die andere Seite. Nur ein bisschen verbrannt. Er schob sie aus der Pfanne auf einen Teller und liess das bisschen braunen Fleischsaft darüber tröpfeln.

      Jetzt eine Tasse Tee. Er setzte sich, schnitt ein Stück Brot ab und bestrich es mit Butter. Er schnitt das verbrannte