Nicht jedem vergriffenen Buch wünscht man eine Neuauflage. Diesem Buch schon! Wolfgang J. Bittners Versuch, theologische Fragen im Zusammenhang mit Krankenheilung umfassend aufzunehmen und zu klären, ist in seiner nüchternen, soliden und verlässlichen Art immer noch einmalig.
Was mir an diesem Buch Eindruck macht und auch Sie beeindrucken wird, ist die Fähigkeit des Autors, das Thema Leiden, Krankheit, Heilung in einer verständlichen und doch differenzierten Sprache theologisch fassbar zu machen. Dazu gehört auch das Wagnis, die Bibel zu Wort kommen zu lassen oder aus der Geschichte – der beiden Blumhardts – zu lernen.
Natürlich gibt es seit dem ersten Erscheinen 1984 auch andere, die über Heilung nachgedacht haben. Selbstverständlich gibt es auch eine Fülle von Titeln, die davon zeugen, dass Heilung ein wichtiges Thema der Bibelforschung ist. Und sicher gäbe es in Wolfgang J. Bittners Buch das eine oder andere im Lichte neuerer Forschungsergebnisse zu differenzieren. Zum Beispiel die Entwicklungslinie im alttestamentlichen Verständnis von Krankheit und Gesundheit, die im Neuen Testament keine Fortsetzung findet. Man könnte in der knappen und kompakten Untersuchung Bittners das Grobkörnige kritisieren. Andererseits ist es eine Wohltat, dass Bittner nicht Mücken siebt.
Dieses Buch ist nicht für Schriftgelehrte geschrieben, sondern will als kurzgefasstes Handbuch seinen Dienst tun. Wir leiden in der Theologie nicht unter einem Mangel an Fachidioten! Darum bin ich dankbar für alle, die sich nicht scheuen, Bücher zu schreiben, die man verstehen kann. Das ist immer noch dringend nötig. Innerhalb und außerhalb der Kirche wird viel Unsinn verbreitet über das, was die Bibel oder das Christentum angeblich zu Heilung und Krankheit sagen. In diesem Sinne leistet Bittner mit seiner Abhandlung auch ein Stück Aufklärungsarbeit. Wenn man den Gesundheitswahn verurteilt, der in unserer Therapiegesellschaft immer mehr herrscht, ist es wohl angemessen, eine grundlegende theologische Hilfe zur Urteilsfindung zu konsultieren. Gute Theologie hilft, Geister zu unterscheiden. Mein Eindruck ist, dass sich die Geister seit dem ersten Erscheinen in den 1980er Jahren prächtig vermehrt haben, aber die Gabe der Geisterunterscheidung eher abgenommen hat. Darum ist dem Verleger zu danken, dass er diese vierte Auflage ermöglicht hat.
Dass Michael Utsch das Literaturverzeichnis aktualisiert hat und auch sonst einiges im Buch ergänzt wurde, macht die Neuauflage tatsächlich neu. Am liebsten sähe ich sie in den Schaufenstern der esoterischen Buchhandlungen, die im Unterschied zu den theologischen prächtig gedeihen. Auf meinem Arbeitsweg gehe ich täglich an der Buchhandlung »Zum Licht« (!) vorbei und schaue mir an, was die esoterische Welle wieder an Land gespült hat. Es ist unsäglich! Aber statt nur zu schimpfen und zu schäumen, ist es konstruktiver, zu sagen, was Sache ist. Und genau das leistet dieses Buch. Gott sei Dank wird es neu aufgelegt und, wer weiß, auch in der Buchhandlung »Zum Licht« ausgelegt!
Warum gerade dieses Buch? Weil es ein theologisches Buch ist! Um es an einem Beispiel zu zeigen: Bittner verurteilt zu Recht die gedankenlose Rede im Zusammenhang einer Krankheit, dass »halt jeder sein Kreuz tragen« muss. Er zeigt auf, was hinter der verkürzten Rede steckt. Es ist der Gedanke der Nachfolge Jesu, die wohl in allerlei Leiden wie Verfolgung, Schmähung und Verleumdung führt. Aber nicht zu Krankheiten! Vielmehr gilt, dass Heilung ein Zeichen der Herrschaft Gottes ist, ein Zeichen, das der leidenden Gemeinde Trost spenden soll.
Der Titel ist also eine These und die These auch ein Titel für das, was mit jeder heilsamen und heilvollen Erfahrung in dieser alten Welt ausgesagt ist. Ob physische oder psychische Heilung, ob Vergebung oder Versöhnung mit sich selbst, es sind Zeichen, die wir schon jetzt erkennen und erfahren, solange Gott noch nicht »alles in allem« ist (1. Korinther 15,28). An dieser elementaren Unterscheidung liegt viel. Weder Schwärmerei noch Resignation zeichnen den Christen aus. Nennen wir es hoffnungsvollen Realismus, was den Autor bewogen hat, dieses Buch zu schreiben, und seine Leser bewegen soll, Gottes heilender Liebe zu vertrauen. Ich wünsche eine inspirierende Lektüre!
Dr. Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie, Zürich
Vorwort zur vierten Auflage
Hauptsache Gesundheit!« Das ist hier im Osten von Deutschland der häufigste Wunsch. Unverständnis breitet sich aus, wenn ich das regelmäßig bestreite. Nein, Gesundheit ist nicht das Wichtigste im Leben. In Anlehnung an die Spruchweisheit kann man formulieren: »Lieber ein in Gott ruhendes Herz in einem kranken Menschen als ein stolzes Herz in einem gesunden.« Aber sofort taucht die Frage auf: Gesundheit, was ist das eigentlich? Sie betrifft ja nicht nur den Körper eines Menschen. Auch seine Seele, seine Lebensmöglichkeiten, seine Umgebung gehören dazu.
Der Spruch von der Gesundheit als »Hauptsache« hat jedoch einen Wahrheitskern. Kaum etwas betrifft uns so unmittelbar, unterbricht unseren normalen Lebenslauf derart wie eine Krankheit: bei uns selbst, in der Familie, unter Freunden. Hinzu kommt auf anderer Ebene der beinahe ins unermessliche angewachsene Wirtschaftszweig, der sich mit den Fragen der Gesundheit beschäftigt: Medikamente, Krankenhäuser, Behandlungsmethoden, Bü-cher, Kurse, Diät-Vorschläge, Wellness-Angebote usw.
In seltsamem Kontrast dazu steht das weit verbreitete Schweigen der Kirchen zu diesem Thema. Dabei hätten sie dazu durchaus ein eigenes Wort zu sagen. Vor allem: Aus ihrer Geschichte hat die Kirche vielfältige und überaus reiche Erfahrung auf diesem Gebiet.
Die Absicht des Buches lässt sich mit vier Begriffen umreißen:
Klärung: Der Blick in die Bibel und in die Vielfalt der Kirchengeschichte macht deutlich, welche Bedeutung diesem Thema für die Kirche zukommt.
Hoffnung: Der Blick auf Gott, der nach dem Zeugnis der Bibel die Gesundheit des Menschen will, der in Jesus von Nazareth geradezu als Heiler aufgetreten ist, bewegt zur Hoffnung, dass Gott auch unter uns mehr tun kann als das, was wir bisher erleben.
Abwehr: Die notwendige dogmatische und praktische Besinnung dient der Zurückweisung verhängnisvoller Gedanken, die immer wieder geäußert werden. Nein, Gott heilt nicht immer! Nein, eine ausbleibende Heilung ist kein Zeichen der Glaubenslosigkeit! Nein, es gibt keine christliche Heilungstechnik usw.
Praxis: Klärung, Hoffnung und Abwehr haben die verantwortliche Erneuerung der kirchlichen Praxis zum Ziel. Sie wird vielfältig sein, und das ist gut so. Vor allem aber gilt das Wort des großen Bibeltheologen Adolf Schlatter: »Die christliche Gemeinde zieht sich vor der Krankheit nicht kampflos zurück.«
Mit guten Wünschen geht dieses Buch nun in vierter Auflage hinaus. Autor und Verlag danken für mancherlei Mithilfe, vor allem Prof. Dr. Ralph Kunz, Zürich, der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin, sowie Dr. Michael Utsch, Berlin.
Wolfgang J. Bittner
Eisenhüttenstadt, Juli 2007
Vorwort zur ersten Auflage
Die vorliegende Arbeit ist aus persönlicher Konfrontation mit Krankheit in meiner Umgebung erwachsen. Das Hinnehmen von Krankheit als der »normalen« christlichen Haltung wurde anhand des Redens der Bibel zur Frage. Sie forderte zur Antwort heraus. Am Anfang stand eine Beobachtung: Kein Text des Neuen Testamentes, der vom Auftrag Jesu an seine Jünger und an seine Gemeinde handelt, redet allein von der Predigt. In irgendeiner Form schließen alle den Auftrag zur Krankenheilung ein. Hier hat diese Arbeit ihren Ausgang genommen.
Auf dem Büchermarkt existiert bereits eine größere Anzahl von Veröffentlichungen zu unserem Thema. Meistens sind es Erfahrungsberichte, die zum Teil von sehr verschiedenen Voraussetzungen ausgehen. Was bisher fehlt, ist der Versuch, die theologischen Fragen im Zusammenhang mit Krankenheilung umfassend aufzunehmen und zu klären. Die vorliegende Arbeit will einen Schritt in diese Richtung tun. Damit sind zwei Anliegen verbunden: Einmal die Aufarbeitung der theologischen Probleme, die sich von der Bibel, von der Geschichte und von der Theologie her ergeben. Zum anderen wird nach der Möglichkeit einer Erneuerung der Krankenheilung gefragt. Wie kann in unseren Gemeinden der Dienst der Krankenheilung verantwortungsvoll getan werden? Aus dem Ziel des Buches ergibt sich auch seine Grenze. Von konkreten Erfahrungen der Krankenheilung spricht das Buch zwar in seinem biblischen und auch in seinem geschichtlichen Teil. Es will aber nicht in erster Linie dadurch Mut machen, dass es