Auf diese Frage antwortete der Deutsche einfach mit ja, und nachdem noch einige Worte zwischen dem Richter und dem Gatten der Dame mit dem roten Gesicht gewechselt worden waren, bewegte sich der Sleigh weiter. Er erreichte bald die Tür der Akademie, wo die Gesellschaft ausstieg, um sich in das Gebäude zu verfügen.
Da Herr Jones und seine zwei Gefährten einen weit kürzeren Weg eingeschlagen harten, so waren sie einige Minuten vor dem Sleigh an Ort und Stelle angelangt. Aber anstatt nach dem Saal zu eilen, um sich am Erstaunen der Ansiedler zu weiden, spazierte Richard mit den Händen in den Taschen seines Überrocks vor der Akademie auf und ab, als wäre er bei all den prunkvollen Vorbereitungen nicht im mindesten beteiligt.
Die Dorfbewohner begaben sich mit einem Anstand und einem Ernst, der ihnen bei solchen Anlässen nie fehlte, aber auch mit einer Hast, die wahrscheinlich in der Neugierde ihren Grund hatte, in das Gebäude. Nur die aus der Nachbarschaft Herbeigekommenen zögerten noch eine Weile, um ihre blauen und weißen Decken über die Pferde zu legen, ehe sie dem Verlangen, das Innere des Hauses zu besichtigen, nachgaben. Richard näherte sich den meisten dieser Leute und fragte sie nach dem Befinden ihrer Familien. Er kannte sogar die Namen ihrer Kinder, woraus sich entnehmen ließ, wie vertraut er mit ihren Verhältnissen war, und die Art der Antworten bezeichnete ihn als den allgemeinen Liebling.
Endlich trat ein Fußgänger aus dem Dorf gleichfalls herbei und musterte ernsten Blickes ein neues Backsteingebäude, das unter den Strahlen des Vollmondes in schöner Abstufung einen langen Schatten über die Schneefelder warf. Vor der Akademie befand sich ein großer, freier, viereckiger Platz, an dessen Ende die neue und noch unvollendete St. Paulskirche stand. Das Gebäude war während des letzten Sommers auf Subskription – wie man es nannte – errichtet worden, obgleich bei weitem die Mehrzahl des Geldes aus Templetons Kasse floß. Es hatte seine Entstehung der Überzeugung von der Notwendigkeit zu danken, einen schicklicheren Ort als den Saal der Akademie für die Gottesverehrung zu besitzen, wobei man der gemeinsamen Hoffnung lebte, daß nach Vollendung der Kirche die Entscheidung der Frage, welchem Glaubensbekenntnis sie zu fallen sollte, dem Volk anheimgegeben würde. Natürlich veranlaßte diese Aussicht eine lebhafte Aufregung unter einigen Sektierern, die sich bei der Sache für wesentlich beteiligt erachteten, obgleich öffentlich nur wenig darüber gesprochen wurde. Hätte sich der Richter Temple entschieden für irgendeine der verschiedenen Sekten erklärt, so wärt der Streit schnell abgetan gewesen, da sein Einfluß zu mächtig war, als daß man mit Erfolg gegen ihn hätte ankämpfen können. So aber enthielt er sich jeder Einmischung, indem er sich sogar entschieden weigerte, den Einfluß Richards durch das Gewicht seines Namens zu verstärken, trotzdem dieser dem entsprechenden Bischof bereits die geheime Mitteilung gemacht hatte, Kirche und Gemeinde würden sich glücklich schätzen, in den Schoß der protestantisch-bischöflichen Kirche aufgenommen zu werden. Sobald indes die Neutralität des Richters öffentlich bekannt war, fand Herr Jones, daß er gegen ein störrisches Volk anzukämpfen hatte. Er versuchte es daher zunächst, die Bewohner des Dorfes durch Vernunftgründe für seine Ansicht zu gewinnen, indem er sie in ihren Häusern besuchte und theologische Kontroverspredigten hielt, welche auch geduldig und ohne ein Wort der Erwiderung angehört wurden, so daß Richard am Schluß seiner Wanderung der Ansicht war, die Sache stehe entschieden zu seinen Gunsten. Um daher das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß wäre, ließ er durch den Templetoner Anzeiger eine Versammlung ausschreiben, damit die Frage mit einem Male durch Abstimmung bereinigt würde. Aber keine Seele erschien, und so wurde einer der drückendsten Nachmittage, den Richard je erlebt hatte, in einer zu nichts führenden Diskussion zwischen ihm und Frau Hollister verbracht, welche steif und fest behauptete, die methodistische Kirche (zu der sie selbst gehörte) sei die beste und verdiene daher am allerehesten in den Besitz des neuen Gotteshauses zu kommen. Richard bemerkte jetzt, daß er zu sanguinisch in seinen Hoffnungen gewesen und in den Irrtum verfallen sei, dem sich alle diejenigen leicht aussetzten, welche ohne gehörige Sachkenntnis mit diesem klugen und vorsichtigen Volk verkehrten. Er suchte sich daher so gut wie möglich zu verstellen, um auf diesem Wege Schritt für Schritt seinem Ziel näherzukommen.
Das Geschäft der Errichtung des Gebäudes war einstimmig Herrn Richard und Herrn Hiram Doolittle übertragen worden. Aus ihren Händen waren bereits das Haus des Richters, die Akademie und das Gefängnis hervorgegangen, und sie allein wußten einen Bauplan zu entwerfen und dessen Ausführung zu leiten. Gleich anfangs hatten die beiden Architekten ihre Obliegenheiten in der Weise geteilt, daß der erstere die Anfertigung der Pläne übernahm, während dem letztern der materiellere Teil, nämlich die Bauleitung selbst, zufiel.
Richard nahm seinen Vorteil wahr und entschloß sich ganz in der Stille, als ersten entschiedenen Schritt zur Durchführung seiner Wünsche die Fenster im römischen Stil konstruieren zu lassen. Da das Gebäude in Backsteinen aufgeführt wurde, so konnte er seinen Plan verhehlen, bis der Augenblick kam, da die Rahmen eingesetzt werden sollten. Nun wurde es aber in der Tat nötig zu handeln. Er teilte mit großer Behutsamkeit seine Absicht mit, ohne jedoch auf den spirituellen Teil derselben einzugehen, indem er der Sache bloß von Seiten der architektonischen Schönheit mit Wärme das Wort redete. Hiram hörte ihm geduldig zu, ohne sich eine Gegenrede zu erlauben, – ein Umstand, der Herrn Jones über die wahren Ansichten seines Gegners hinsichtlich dieses wichtigen Gegenstandes ganz im unklaren ließ. Da indes das Entwerfen des Planes ausdrücklich Richard zugewiesen war, so durfte natürlich keine Einsprache dagegen statthaben, obgleich ihm bei der Ausführung zahllose unerwartete Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Das erste bestand in der Seltenheit des rechten Materials, dessen man für die Fensterrahmen bedurfte. Dem wurde jedoch augenblicklich dadurch abgeholfen, daß Richard ihre Länge um zwei Fuß verkürzte. Dann kam der Kostenpunkt zur Sprache, aber er erinnerte Hiram an die Kassen seines Vetters, denen er als Schatzmeister vorstand, – eine Andeutung, die das gehörige Gewicht hatte, und so nahm denn nach einer stummen und in die Länge gezogenen, wiewohl fruchtlosen Opposition das Werk seinen Fortgang nach dem ursprünglichen Plan.
Eine weitere Schwierigkeit veranlaßte der Turm, welchen Richard nach dem Modell eines der kleineren Türme, welche die große Londoner Kathedrale zieren, erbaut haben wollte. Die Nachahmung sah allerdings etwas verkrüppelt aus, da man es mit den Proportionen nicht sehr genau genommen; aber nach vielen Schwierigkeiten hatte Herr Jones endlich die Freude, einen Gegenstand aufgerichtet zu sehen, der in seinen Umrissen die schlagendste Ähnlichkeit mit einem Essigfläschchen aufwies. Hiergegen hatte man weniger einzuwenden als gegen die Fenster; denn die Ansiedler liebten das Neue, und ihr Turm hatte sicherlich nicht seinesgleichen.
So weit waren die Arbeiten des Sommers gediehen, und die schwierige Frage über die innere Einrichtung blieb für eine weitere Beratung ausgesetzt. Richard sah wohl ein, daß sein Geheimnis verraten wäre, sobald er die Kanzel und den Chor zur Sprache brächte, da derartige Vorkehrungen in keiner andern Kirche des Landes als in der bischöflichen üblich waren Er verfolgte indes die bereits erwähnten Vorteile weiter und nannte das Gebäude kühn St. Paulskirche – was sich Hiram klüglich gefallen ließ, indem er sie nur mit einem kleinen Zusatz, zur ›neuen St Paulskirche‹ umgewandelt sehen wollte; denn er fühlte weniger Abneigung gegen den von der englischen Kathedrale genommenen Titel als gegen den Namen des Heiligen.
Der oben erwähnte Fußgänger, welcher sich das Gebäude betrachtete, war niemand anders als der von uns so häufig genannte Herr oder Squire Doolittle. Er war ein hoher, kräftiger Mann mit scharfgeschnittenen Zügen und einem Gesicht, in dem sich äußerlicher Anstand und gemeine Verschmitztheit ausdrückten. Richard trat nebst Monsieur Le Quoi und dem Majordomo auf ihn zu.
»Guten Abend, Squire«, sagte Richard mit dem Kopf nickend, ohne jedoch die Hände aus den Rocktaschen zu ziehen.
»Guten Abend, Squire«, entgegnete Hiram, indem er sich umwandte und gleichfalls mit dem Kopf nickte.
»Es gibt eine kalte Nacht, Herr Doolittle.«
»Allerdings etwas frisch«, meinte Hiram, – »verwünscht frisch!«
»Ihr betrachtet unsere Kirche? Ja, sie nimmt sich im Mondlicht nicht übel aus. Wie prächtig die Zinnbedeckung der Kuppel glänzt. Ich wette, die der andern St. Paul macht sich in Londons Rauch nie so lieblich.«
»Ja, das Versammlungshaus ist