Vielleicht war es gerade dies, was die Königin wie etwas Übernatürliches magisch berührte. Sie geriet in einen wahrhaften Konflikt. Sie fürchtete die Verantwortung. Ihr Gemahl stand dem Unternehmen kalt, wenn nicht feindselig gegenüber, mit ihm natürlich eine ganze Partei. Fürsprecher waren nur Alonzo de Quintanilla, der Erzbischof von Toledo, der Schatzkanzler Santangel und die Marquise de Moya, die der Königin befreundet war und ihr mit einem Enthusiasmus zuredete, dessen Motive man nicht kennt; vermutlich waren es die uneigennützigsten von allen, geboren aus romantischem weiblichen Entzücken am Ungewöhnlichen, am schönen Abenteuer.
Santangel und sein Anhang bekamen allmählich Oberhand gegen den König und Talavera. Santangel, ein Marrane, gewiegter Geschäftsmann, schlauer Politiker, konnte nicht verdächtigt werden, leeren Hirngespinsten nachzuhängen. Ich habe den Eindruck, daß er an dem Projekt in einer heute nicht mehr zu ergründenden Weise interessiert war. Er brachte Argumente vor, die der Königin einleuchteten. Da sie den Mut gehabt, sagte er, in ihrem Kampf gegen die Ungläubigen alles aufs Spiel zu setzen, warum zaudere sie bei einer Sache, wo der Verlust so unbedeutend, der mögliche Gewinn so unberechenbar groß sei? Er rief ihr ins Gedächtnis, welchen Zuwachs an Macht andere Fürsten durch Entdeckungen erlangt hätten, hier zeige sich Gelegenheit, sie alle zu übertreffen. Und wieviel geschehe damit für die Ehre Gottes, die Macht der Kirche; keineswegs könne das Fehlschlagen ein übles Licht auf die Krone werfen, Mühe und Kosten würden schon dadurch aufgewogen, daß man durch eine solche Fahrt Fragen von hoher Wichtigkeit nachforschen und bisher verborgene Wunder des Universums entschleiern könne.
Die Königin wandte ein, daß die Finanzen durch den Krieg völlig zerrüttet seien. Sie könne doch nicht eine Anweisung auf den Schatz ausstellen in einem Geschäft, dem der König entgegen war. Indessen erklärte sie nach sorgenvoller Überlegung, sie wolle es auf ihre eigene kastilische Krone übernehmen und, um die nötigen Gelder herbeizuschaffen, ihre Juwelen verpfänden. Santangel erwiderte, dessen bedürfe es nicht, er könne aus den Rentenkassen von Arragon die nötigen Fonds vorschießen. Isabella, auf einmal ungeduldig, die Dinge zum Ende zu bringen, war einverstanden, beim König, gegen ziemlich hohe Verzinsung freilich, eine Anleihe von siebzehntausend Gulden aufzunehmen. (Wenn man aus den vielen Berechnungen der Historiker das Mittel zieht, ergibt sich, daß ihr Beitrag zu den Ausrüstungskosten sich ungefähr auf dreißigtausend Mark heutigen Geldes belief.)
Colón wurde also verständigt, daß man willens sei, die Kapitulation mit ihm abzuschließen. Seine Bedingungen wurden ohne weiteres Feilschen akzeptiert. Der Vertrag schloß mit den Worten: »Vollzogen und ausgefertigt in der Stadt Sante Fé, in der Vega von Granada, den 17. April 1492: Ich der König. Ich die Königin.« Zwei Wochen darauf wurde ihm die förmliche Bestallung als Admiral, Vizekönig und Gouverneur der zu entdeckenden Länder überreicht und als besondere Gnade der Titel Don schon jetzt verliehen.
Sonderbares Traum-und Luftgeschäft, ohne Beispiel in der Geschichte, bei dem beide Vertragsparteien mit dem gleichen amtlichen Ernst Wechsel auf die Zukunft ausstellen ohne die mindeste Gewähr der Einlösung. Was für eine Persönlichkeit muß dieser Mann gewesen sein, mit welcher unheimlichen Kraft der Übertragung begabt, daß er es vermochte, die Königin, den König, einen so klaren Kopf wie Santangel und viele andre außerdem mit der dämonischen Problematik, die ihm innewohnte, zu behexen. Der Vorgang ist schlechtweg unbegreiflich. Zuerst jagt man ihn davon, nennt ihn seiner verrückten Forderungen halber einen Halunken und Idioten, erklärt, sich nicht weiter mit ihm und seinen Ideen befassen zu wollen, ist dann doch beunruhigt, als er sich unbeugsam zeigt, gibt trotz der anfänglichen Empörung Punkt für Punkt nach, bis man schließlich alles in Bausch und Bogen bewilligt, blindlings, einwandlos, als ob man die Geschichte schnell vom Hals haben wolle, an ernsthafte Konsequenzen gar nicht recht glaube und es nur deshalb tue, um sich vor dem Vorwurf oder Selbstvorwurf eines Versäumnisses zu schützen: das war ungefähr die Stimmung, in der man eine anzweifelbare Persönlichkeit ohne Namen und Stand zum Herrn des Meeres und zum Souverän über eine noch unentdeckte Welt machte.
Colón wählte den Hafen von Palos de Moguer als Ausreisestation, vermutlich weil dort die Pinzons ihren Sitz hatten, die ihm eine segelfertige Caravelle zugesagt hatten: das Achtel, das er sich verpflichtet hatte, zu den Gesamtkosten beizutragen. Man hat lange Zeit angenommen, der Herzog von Medinaceli habe ihm das Geld für dieses Schiff vorgeschossen; es ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil dann der Herzog darauf bestanden hätte, daß die Expedition aus seinem Hafen Santa Maria in See gehe.
Columbus hat den Pinzons später ihre Hilfeleistung nach seiner Weise schlecht gedankt. Alonzo Pinzon war ein sehr erfahrener Schiffer; ohne seine Unerschrockenheit und genaue Kenntnis des Meeres wäre Columbus kaum nach Westindien gelangt; Grund genug für ihn, einem solchen Mann zu grollen und seine unleugbaren Verdienste zu verschweigen. Alonzos Bruder Martin hat in der Folge behauptet, der Gedanke der Entdeckungsfahrt sei von seinem Vater ausgegangen, was eine auf tiefer Kränkung beruhende Familienüberlieferung und selbstverständlich Unsinn ist; aber die Kränkung läßt sich begreifen. Als Diego Colón im Jahre 1513 den berühmten Prozeß gegen die Krone führte, dessen Akten eine Fundgrube für viele verborgen gewesene Tatsachen sind, erklärte Arias Perez Pinzon, Sohn des Martin, sein Vater habe ein Pergament aus König Salomons Zeit besessen, des Inhalts: »Schiffe durch das Mittelländische Meer nach dem Ende von Spanien und von da nach Westen in der Richtung zwischen Nord und Süd bis zur Entfernung von fünfundneunzig Graden, so wirst du das Land Zipangu finden, fruchtbar und voll Überfluß und an Größe Afrika und Europa gleich.« Die Handschrift habe er in Rom gekauft und nach Hause gebracht, wo er es dem Columbus gezeigt habe. Daher dessen Plan.
Ein Märchen, das offenbar allen Pinzons bis in späte Geschlechter schon von ihren Ammen erzählt wurde.
Palos mag auch deswegen als Ausgangshafen bestimmt worden sein, weil der Stadt während des Krieges mit den Mauren wegen eines Ungehorsams vom König die Buße auferlegt war, zwei ausgerüstete Schiffe auf zwölf Monate zur Verfügung der Krone zu stellen. Durch eine Ordonnanz vom 30. April 1492 wurde der städtische Magistrat aufgefordert, diese beiden Schiffe innerhalb zehn Tagen segelfertig zu machen und sie dem Cristobal Colón zu übergeben. Die Bürgerschaft weigerte sich jedoch, das Strafmandat anzuerkennen, es bedurfte wiederholter Befehle und strengen Eingreifens. Als Vollstrecker wurde ein Beamter des königlichen Hausmarschallamtes, Juan de Penalosa, nach Palos geschickt, der so lange, bis die Schiffe abgeliefert sein würden, zweihundert Maravedis Taggelder von der Stadt erheben sollte. Da aber weder diese Gelder bezahlt noch die Schiffe gerüstet wurden, schritt die Regierung zu gewaltsamer Requisition; so wurde die Caravelle Pinta ihren Eigentümern einfach weggenommen.
Nur die Santa Maria war ein Nao oder Vollschiff von hundertsiebzig Tonnen, nach Art der Gallionen mit vollständigem Deck; die beiden andern, die schnellsegelnde Pinta, die Bemalte, und die kleine Niña, das Kind, waren leichte Fahrzeuge mit drei Masten, in der Mitte offen, an den Enden überdeckt, zu ansehnlicher Höhe emporsteigend, mit Vorder-und Hinterkastell und Kajüten für die Mannschaft. Die Niña hatte nur lateinische Segel. Die Santa Maria wurde für die Königin gemietet, sie trug die Admiralsflagge, Colón befehligte sie selbst. Kapitän der Pinta war Martin Alonzo Pinzon, sein Bruder Vincente Yañez führte die Niña. Als Piloten wurden Sancho Ruiz, Pedro Alonzo Niño und Bartholomeo Roldan, der spätere Rebell, aufgenommen. Als königlicher Notar ging Rodrigo de Escobar mit; als Ober-Alguazil Diego de Arana aus Cordova, Oheim der Beatriz, als Generalinspektor und Vertreter der Regierung Rodrigo Sanchez aus Segovia. Der Besitzer der Santa Maria, der nachmals so berühmte Kartograph Juan de la Cosa, diente auf seinem eigenen Schiff als Maestre, Mastmeister, und der Besitzer der Pinta, Cristobal Quintero, ein Bürger von Palos, scheint als Passagier an der Fahrt teilgenommen zu haben; ihm schlossen sich einige andere Personen sozusagen als Privatabenteurer an. Ein einziger Arzt und neben ihm ein Wundarzt fanden sich bereit, die gefährliche Reise zu wagen.
Das