Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas. Фредерик Марриет. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711447680
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er sich sehr wenig darum bekümmert haben. Er zog von Stamm zu Stamm und führte ein unthätiges Leben, das seinem Geschmacke trefflich zusagte; und da er den Indianern in ihrem Verkehre mit den Weissen als Dolmetscher sehr nöthig wurde, so liess man ihn treiben, was er eben mochte. Er liebte jedoch ein unstätes Leben, und die Händler, welche ihn bald unter den Pawnies oder Comanchen, bald unter den Krähen oder Tonquewas sahen, gaben ihm den Beinamen „Turn-Over,“ der später vermöge einer Inversion in Over-Turn überging; daraus das corrumpirte Overton.

      Nachgerade entdeckte männiglich, dass Overton ein grosser Spitzbube war; da man ihn jedoch gut brauchen konnte, so beschäftigte ihn die englische Kompagnie von Canada und bezahlte ihn gut. Wie jedoch seine Prinzipale in Erfahrung brachten, dass er fast stets betrunken sey und keinen Anstand nehme, sich Dinge zuzueignen, an die er kein Recht hatte, so entliessen sie ihn seiner Dienste, und Overton kehrte zu seiner früheren Lebensweise zurück. Nun machten ihm einige Yankees Vorschläge, die er annahm; welcher Art dieselben waren, lässt sich nicht genau angeben, indess kann man sich den Inhalt ihrer Vorträge leicht denken, wenn man weiss, dass die Yankees es für eine sehr preiswürdige Handlung halten, im Verkehre die Indianer unter Mitwirkung eines schuftigen Dolmetschers zu betrügen, der natürlich für seinen Verrath eine Quote an dem Profit zieht. Eine Zeit lang vertrugen sich Prinzipale und Dolmetscher vortrefflich mit einander, und da in den vereinigten Staaten nichts wohlfeiler ist, als ein militärischer Titel, so erhielt die Halbzucht Stiefel, Sporen, einen Rock mit Aufschlägen, einen Degen uud den Titel Obrist.

      Trotz ihrer Schlauheit waren die Yankees dem Obristen Overton doch bei Weitem nicht gewachsen, denn er betrog sie eben so gut, als er die Indianer hinterging. Die heilige Alliance wurde daher endlich aufgelöst. Er zog sich jetzt nach dem Gebirge zurück und begann unter dem Schutze der mexikanischen Regierung ein allgemeines Plünderungssystem, das er eine Zeit lang mit Glück betrieb. Seine gewöhnlichste Methode bestand darin, dass er im Tausche zwischen den Wilden und den Händlern die Mittelsperson machte. Wenn nun beide Partieen einig geworden waren, sprachen sie natürlich in ihrer guten Laune dem Glase zu, und jetzt war für den Obristen die Zeit vorhanden, zu handeln. Die Indianer machte er glauben, dass die Händler nur warteten, bis sie schliefen, um sie zu erschlagen und ihre Güter wieder zurückzunehmen. Dasselbe Mährchen band er auch den Händlern auf, und es folgte ein Kampf, der um so schrecklicher wurde, je betrunkener die betreffenden Personen waren. Dann lud der Obrist, unter dem Vorwande, Alles in Sicherheit zu bringen, mit einigen in seinem Dienste stehenden Halunken das Pelzwerk und die Güter auf die Maulthiere, begab sich nach Santa Fé und veräusserte seine Beute um den dritten Theil des Werths. Niemand kümmerte sich darum, wie er dazu gekommen war; man kaufte wohlfeil ein, und ein solcher Handelsmann ist stets willkommen.

      Seine derartigen Schliche und die offenen Räubereien mehrten sich bald so sehr, dass Overton der Schrecken der Gebirge wurde. Die Wilden schworen, ihn zu scalpiren; die Canadier gelobten, er solle ihnen zu Tode tanzen; die Engländer drohten ihm mit dem Galgen, und die Yankees wollten ihn eine indianische Tortur erstehen lassen. Auch die Mexikaner, die ihren Liebling nicht länger schützen konnten, setzten einen Preis auf seinen Kopf. Unter solchen Umständen warf Overton einen Groll auf die Gesellschaft; er verbarg sich und liess zwei Jahre lang nichts von sich hören, bis eines Tages eine Abtheilung von Comanchen und Tonquewas, die von einem Ausfluge heimkehrten, einen Mann zu Pferde bemerkten. Sie erkannten Overton und machten alsbald Jagd auf ihn.

      Die Verfolgung dauerte lange. Overton ritt ein kräftiges, edles Ross, aber der Grund war uneben und gebirgig, so dass er seinen Feinden nicht aus dem Gesichte kommen konnte. Er erreichte übrigens eine Platform, die mit schönen Fichten bedeckt war, und er hielt sich jetzt für geborgen, da sich auf der andern Seite des Gehölzes ein langes, ebenes Thal befand, welches sich viele Meilen weit ausdehnte; dort hoffte er seine Verfolger hinter sich zu bringen und zu entkommen. Wie ein Pfeil schoss er dahin, während das schreckliche Gezeter seiner Feinde noch immer in seine Ohren drang. Er spornte das bereits von Schaum bedeckte Thier und erreichte die Ebene, fand aber zu seinem Schrecken und Erstaunen, dass zwischen ihm und dem Thale eine furchtbare Kluft lag, fünfundzwanzig Fuss breit und zweihundert Fuss tief, mit scharfen Felsenzacken, die so zahlreich waren, wie die Dornen der Stachelbirne. Was konnte er anfangen? Sein müdes Ross weigerte sich, den Sprung zu thun, und hinter sich vernahm er deutlich die Stimmen der Indianer, welche sich gegenseitig ermunterten.

      An dem Rande der Kluft lag ein hohler Baumstamm, den man wahrscheinlich herbeigeschleppt hatte, um hier eine Brücke anzulegen. Overton stieg ab, führte sein Pferd bis an den Abgrund und stachelte es mit dem Messer; das edle Thier sprang, aber seine Kräfte waren zu sehr erschöpft, um über die Schlucht wegzusetzen; seine Brust stiess an der entgegengesetzten Kante an, worauf es von Klippe zu Klippe in den Abgrund hinunterstürzte. Sobald dies geschehen war, kroch der Flüchtling nach dem Baumstamm und verbarg sich unter demselben, in der Hoffnung, dennoch zu entkommen; aber vergeblich — denn die Wilden hatten ihn in dem nämlichen Augenblick, als sie aus dem Walde auftauchten, gesehen und in wenigen Minuten den Baumstamm umringt. Da sie nun ihrer Beute sicher waren, so wünschten sie ihn für eine geraume Zeit auf eine moralische Folter zu spannen, indem sie thaten, als wüssten sie nicht, wo er wäre.

      „Er hat hinübergesetzt,“ sagte der Eine; „es war der volle Sprung eines Panthers. Wollen wir umkehren, oder hier Lager schlagen?“

      Die Indianer kamen überein, eine kurze Frist hier anszuruhen und begannen ein Gespräch. Der Eine betheuerte, wenn er je Overton auffinde, so müsse ihm der Kerl seine eigenen Eingeweide auffressen. Ein Anderer sprach von glühenden Eisen. Kurz, keine Marter blieb unberührt, und die Lage des elenden Overtons muss schrecklich gewesen seyn.

      „Sein Scalp ist hundert Dollar werth,“ sagte der Eine.

      „Wir kriegen ihn schon noch,“ entgegnete ein Anderer.

      „Nun wir aber hier sind, können wir ebensogut uns lagern und Feuer anmachen; da ist ein Stamm.“

      Overton bemerkte jetzt, dass er verloren war. Unter dem Baumstamme hervor warf er einen Blick um sich: da standen die grimmigen Krieger, die Bogen in ihren Händen und bereit, ihn bei der ersten Bewegung zu tödten. Er merkte jetzt, dass die Wilden ein grausames Spiel mit ihm getrieben hatten und sich freuten über die schreckliche Ungewissheit, in der er sich befand. Er war war ein Schurke, aber doch tapfer und hatte zuviel Rothhautblut in seinen Adern, als dass er nicht seine Feinde hätte täuschen mögen; er beschloss daher, sich verbrennen zu lassen und den grausamen Verfolgern so ihren Spass zu verderben. Der Indianer rechnet sich’s zum Ruhme, bis auf den letzten Augenblick den Tod zu verhöhnen, und gibt selbst unter den peinlichsten Foltern nur selten durch Schmerzensausrufe das körperliche Leiden zu erkennen.

      Der Stamm war bald von Aesten und Blättern umgeben; sie wurden angezündet und die Barbaren sahen stillschweigend zu. Aber Overton hatte seine Standhaftigkeit überschätzt; sein Blut war im Grunde doch nur zur Hälfte indianisch, und als die Flamme seine Kleider erfasste, vermochte er sich nicht länger zu halten. Er brach aus dem Feuer hervor und rannte zweimal in dem Kreise seiner Quälgeister umher. Sie waren still wie das Grab und keine Waffe wurde nach ihm gezielt — als er plötzlich mit der vollen Kraft der Verzweiflung durch den Kreis brach und einen furchtbaren Sprung über den Abgrund nahm. So unglaublich es auch scheinen mag, gewann er mehr als zwei Fuss von dem Boden der entgegengesetzten Seite, und die Wilden stiessen einen Schrei der Bewunderung aus. Aber Overton war erschöpft und sank langsam zurück. Die Indianer legten sich auf den Bauch, um in die Kluft hinunter zu blicken — denn es war eine schwindelnde Tiefe — und sahen, wie ihr Opfer noch immer mit flammenden Kleidern von Klippe zu Klippe rollte, bis Alles dunkel war.

      Hätte er auf der andern Seite der Kluft festen Fuss fassen können, so wäre er sicher gewesen, denn eine kühne That wird von den Wilden stets bewundert, und in dem gegenwärtigen Augenblicke hätten sie es verschmäht, von ihren Pfeilen Gebrauch zu machen. Dies war das Schicksal des Obristen Overton.

      Dreizehntes Kapitel.

      Endlich setzten wir über den Rio Grande und langten ein paar Tage später zu Santa Fé an. Viel ist über diese reiche, romantische Stadt geschrieben worden, wo man vordem, wenn man den Reisenden glauben wollte, Dollars und Dublonen fast auf der Gasse auflesen konnte. Ich vermuthe indess, dass jene Reisebeschreiber den Ort nie gesehen