Die Diskussion um ein zukunftsfähiges Weltbild sollte also auf allen Ebenen geführt werden. Auch der Dialog mit den Naturwissenschaften und den sich wacker haltenden Vertretern des modernen Aufklärertums kann nur zur Schärfung der Sinne beitragen. Die Zeit, in der Christen ein einheitliches Weltverständnis in Europa vorausgesetzt haben, neigt sich deutlich dem Ende zu. Um so wichtiger scheint es zu sein, dass die Reflexion über die eigene Weltsicht, über die Basisaussagen der Bibel zum Weltbild intensiver geführt wird als bisher. Es erstaunt schon, dass gerade auch in so genannten »frommen Kreisen«, in Gemeinden und Gemeinschaften, in denen Menschen viele übersinnliche Erfahrungen machen, in denen Frauen und Männer und Kinder an die Kraft des Gebetes und des Wortes Gottes glauben, in denen das Bekenntnis zum dreieinen Gott nicht als Worthülse verstanden wird – dass gerade auch in jenen Kreisen eine eigentümliche Sprachlosigkeit eingesetzt hat. Vielfach weiß man sich innerlich einem Weltverständnis verpflichtet, das mehr oder weniger noch die aufklärerischen Voraussetzungen hat; Verunsicherung tritt ein, wo durch die postmoderne Religiosität das Übersinnliche und die unsichtbare Welt thematisiert werden. Allzu schnell kommt es zu verkürzten Positionen: Die einen »verteufeln« alles, was mit der verworteten Theologie nicht vereinbart werden kann – da ist es mehr oder weniger gefährlich, von Geisterfahrungen zu sprechen. Und die anderen surfen geradezu auf der neuen religiösen Welle und übernehmen mehr oder weniger unreflektiert das Vokabular und auch so manche Inhalte und Techniken der neuen Religiosität.
Wenn Christen sich profiliert an der Diskussion um ein zukunftsfähiges Weltbild beteiligen wollen, so brauchen sie zum einen eine klare Vorstellung von den Basisaussagen des biblischen Wortes und zum anderen die Fähigkeit, diese Vorstellungen auch in der Gegenwart zur Sprache zu bringen. Es hilft nicht viel weiter, wenn wir in der Sprache der Bibel unsere Glaubensüberzeugungen weitergeben, ohne dass diese auch verstanden werden, geschweige denn, dass dazu Denkhilfen geliefert werden.
Einige Aspekte für eine derartige Diskussion um ein zukünftiges Weltbild seien deshalb hierzu im Folgenden angeführt.
a) Die Notwendigkeit der Neu-Deutung biblischer Sprache
Es ist bereits deutlich geworden, dass die Sprache der Gegenwart mehr und mehr mit religiösen Begriffen angereichert wírd. Allein die neue Religiosität in den Bereichen der Esoterik oder auch in okkulten Dimensionen macht eine klare Zuordnung der Begriffe immer schwieriger. Was meint man, wenn man von Gott, von Geist, von Seele, von Wiedergeburt oder von Bekehrung spricht? Ich bin durchaus der Auffassung, dass die biblischen Begriffe nicht durch andere ersetzt werden sollten; aber sie müssen in einer heute verständlichen Sprache interpretiert werden. So reden wir z. B. davon, dass wir »an den Teufel glauben«. Damit meinen wir in der Regel, dass wir davon ausgehen, dass Satan existiert. Der Begriff »glauben« setzt aber eine Vertrauensbeziehung voraus. Wir glauben an Gott; Satan ist nicht das Objekt des christlichen Glaubens, sondern des Unglaubens! Wir glauben sozusagen gegen den Satan. Auch die personifizierte Redeweise von Satan legt dieses Vertrautsein zugrunde. Wir sprechen von »ihm«, als hätte er ein personhaftes Wesen. Es wäre jedoch korrekter, in einer nicht-personhaften Weise vom Bösen zu sprechen, da das Personsein immer auch mit der Gottesebenbildlichkeit in Verbindung steht.21
Dennoch sind diesem Bemühen durch die Unpässlichkeit menschlicher Sprache auch Grenzen gesetzt. Eine Sache oder ein Zusammenhang wird nicht allein dadurch klarer, dass ich dafür einen anderen Begriff wähle, den ich dann wiederum auch zu erklären habe. Hier sei lediglich festgestellt, dass das Ringen um Verständigung in der Diskussion um ein zukunftsfähiges Weltbild nicht einfach ausgeklammert werden darf. Sonst kann es schnell zu Synthesen kommen, die lediglich aufgrund der Begriffe zustande kommen, aber nicht aufgrund der Übereinstimmung der Inhalte, für die sie stehen.
b) Die Notwendigkeit der Denkmöglichkeit biblischer Weltsicht
Nur wenige Theologen des 20. Jahrhunderts haben sich die Mühe gemacht, den Dialog mit naturwissenschaftlichen Weltanschauungen zu führen. Herausragend ist jedoch nach wie vor der Physiker und Theologe Karl Heim (1874–1958). Alles, was Heim als Ertrag seines Lebens in den sechs Bänden: »Der Evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart«22 vorgelegt hat, ist eine epochemachende Auseinandersetzung zwischen Philosophie, Naturwissenschaft und Theologie und damit zugleich eine überzeugende Konfrontation des Weltbildes der Aufklärung mit dem des biblisch begründeten Glaubens. Das Ziel der Auseinandersetzung ist die Überwindung der Alleinherrschaft, ja der Vergötzung eines gegenständlichen Weltbildes des Wissenschaftsglaubens. Wohl soll – gemäß Heim – das gegenständlich-wissenschaftliche Denken seinen eigenständigen Sinnraum behalten. Doch sein Totalitätsanspruch muss abgewiesen werden. Hinter aller sichtbaren Wirklichkeit ist die unsichtbare Wirklichkeit wahrzunehmen. Der Raumbegriff wird Heim dabei zum Schlüssel der Denkmöglichkeit. Er unterscheidet unterschiedliche Sinnräume, die sich gegenseitig durchdringen, deren Wirklichkeit aber nicht einfach in die gegenständliche Welt gepresst werden darf. So ermöglicht er ein Denken von unsichtbarer und sichtbarer Wirklichkeit, von Denken und Glauben, ein dynamisches Weltbild. Ähnliche Ansätze wagte Horst W. Beck in seinen Ausführungen für eine interdisziplinäre Theologie.23 Diese – vielfach sehr verschachtelten und kompliziert beschriebenen – Denkansätze können sich als hilfreich erweisen, wenn es um eine Darlegung christlicher Positionen zu einem zukunftsfähigen Weltbild geht. Die Zielstrebigkeit der Argumentation hat häufiger zu dem Vorwurf geführt, hier werde der Versuch unternommen, mit den Argumenten eines naturwissenschaftlichen Ansatzes eine Art Gottesbeweis vorzulegen. Ohne Zweifel setzen Heim und seine Schüler bei der Bemühung um eine Denkmöglichkeit des christlichen Glaubens an. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass damit eine Denknotwendigkeit gegeben ist.
Ganz anders geprägt ist die Auseinandersetzung mit einem religiösen Weltverständnis der Postmoderne. Will man einen ähnlichen Dialog – wie Heim auf dem Gebiet der Naturwissenschaft – wagen, so sieht man sich nicht einem mehr oder weniger einheitlichen Denkansatz gegenübergestellt, sondern einer Vielzahl unterschiedlicher Denk- und Erkenntniszugänge. Zudem stellt sich die ernstzunehmende Frage, ob der Dialog überhaupt auf der Ebene der denkerischen Bewältigung geführt werden kann. Erkenntnis und Erlebnis liegen hier dichter beieinander als in der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlicher Weltsicht. Dennoch darf sich der Dialog nicht einfach auf eine Erlebnisebene oder eine Erweiterung des Weltbewusstseins beschränken. Auch Erfahrungen und Bewusstsein wollen beschrieben und denkerisch so weit wie möglich erfasst werden.
c) Die Notwendigkeit der theologischen Zuordnung satanischen Machtanspruchs
Wenn das Zeugnis der Bibel von der Wirklichkeit und Wirksamkeit des Satanischen spricht, müssen wir uns von vornherein darüber klar sein, dass damit eine Wahrheit ausgesprochen ist, die für unsere Erkenntnis einen unlösbaren Widerspruch bedeutet. Dieser Widerspruch ist nicht theologisch konstruiert. Zum einen ist Gott der souveräne Herrscher, der Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Zum anderen wird Satan beschrieben als jemand, der Einfluss in dieser Welt ausüben kann. Es gehört zum Wesen Gottes, dass Gott alles in allem wirkt. Martin Luther bezeichnet deshalb den