Der arme Jack. Фредерик Марриет. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711447673
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denn auch aus demselben alle Stühle entfernt waren — eine Hausregel, von der sie nur zu Gunsten des Doktors eine Ausnahme machte. Er stellte sich gewöhnlich abends ein und durfte, mit der Zigarre im Munde, an dem Ladentisch stehen, während sie sich mit einander unterhielten. Diese Nachricht brachte die Leute auf den Gedanken, dass sie den Doktor heiraten werde; zuletzt aber wurde man des Wartens müde, und es bildete sich in Fishers Alley und seiner Umgebung allmählich für Dinge, welche auf unbestimmte Zeit verschoben werden sollten, das Sprichwort aus: „Ja, das wird geschehen, wenn die Witwe den Doktor heiratet.“

      Eines Abends schickte mich Ben zu Mrs. St. Felix, um von ihr seine Tabaksbüchse füllen zu lassen, und als ich daselbst anlangte, fand ich den Doktor im Laden.

      „Nun, Master Tom Sounders oder Herr armer Jack“, sagte die Witwe, „was steht zu Befehl?“

      „Sauschwänzel“f), sagte ich, den Penny auf den Tisch legend.

      „Ist’s für Deinen Vater, Jack? Denn wie ich höre, ist er dessen bedürftig.“

      „Nein“, versetzte ich, „’s ist für den alten Ben. — Der Vater ist wahrscheinlich weit weg von hier.“

      „Und gedenkst Du ihm zu folgen, Jack? Doch meiner Ansicht nach bist Du das gerade Gegenteil von einem guten Matrosen, da Du mit dem Kiel oben kreuzest, wie Du’s bei Deiner ersten Reise hieltest.“

      „Es ist wohl nicht die angenehmste Weise zu segeln, Jack?“ bemerkte der Doktor.

      „Im Winter nicht“, lautete meine Antwort.

      Die Witwe mass die Länge des Tabaks, wie die Putzmacherin ihre Zwirnbänder, von der Spitze des Fingers an bis zum Knöchel, und schnitt ihn ab.

      „Wollen Sie mich jetzt mit einer Cigarre verbinden?“ sagte der Doktor. „Ich denke, dies ist die sechste, nicht wahr, Mrs. St. Felix? So, da ist mein Shilling.“

      „In der That, Doktor, wenn ich nicht fürchtete, die schiefen Gesichter, die ich beim Arzneischlucken mache, könnten mir meine Schönheit verderben, so wäre ich fast anstandshalber verpflichtet, mir etwas aus Ihrem Laden zu bestellen, nur um Ihre Kundschaft auch ein wenig zu erwidern.“

      „Ich hoffe, Sie werden’s nie brauchen, Mrs. St. Felix. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie nach allem schicken, was Ihnen ansteht, nur nehmen Sie keine Arznei.“

      „Nun, so soll mein Mädchen, die Jane, eine Dosis einnehmen, da sie ohnehin so fett wird. Aber nur kein Laudanum, Doktor; dies kann sie bei ihrer Schläfrigkeit nicht brauchen. Um sie darauf vorzubereiten, habe ich ihr diesen Morgen erst gesagt, dass sie bleich aussehe.“

      „Mrs. St. Felix, Sie müssen mich entschuldigen, aber ich dulde es nicht, dass Sie sich in meine Praxis mischen. Ich verschreibe Arznei, wenn ich es für nötig halte, und da Jane zur Zeit vollkommen wohl ist, so soll sie nichts kriegen.“

      „Und Sie haben sich nicht in mein Hauswesen zu mischen, Doktor. Wenn es mir gefällt, so müssen Jane, der Hund, die Katze und das Kätzchen — alle vier, die meinen Haushalt ausmachen — an einem Tage Arznei nehmen. Sagen Sie mir, Doktor, wie viel Brechwurzel ist nötig, um dem Kätzchen übel zu machen.“

      „Mrs. St. Felix, ich bin kein Veterinärarzt und kann deshalb die Frage nicht beantworten.“

      „Veterinär? Ei, ich glaubte, die gäben sich bloss mit dem Doktern an den Pferden ab.“

      „Ich bitte um Verzeihung, ihre Praxis erstreckt sich weiter, wie ich Ihnen aus eigener Anschauung beweisen kann. Ich war einmal bei einem derartigen Herrn in London und bemerkte, dass er ungefähr ein Dutzend kleiner Schosshunde in einem grossen Zimmer eingesperrt hatte. Die armen, kleinen, ungebärdigen, wedelnden Dinger waren wegen schwerem Atem und Gott weiss was sonst noch, zu ihm geschickt worden — und wie glauben Sie wohl, dass er sie kurierte?“

      „Das ist eine Frage, die ich an Sie stellen sollte, Doktor.“

      „Gut denn, er teilte mir sein Geheimnis mit. Er band sie alle an, gab ihnen nichts zu fressen, liess sie Wasser trinken, und in drei Wochen waren sie im schönsten Zustande, und so mutwillig wie Zickelchen. Nichts als Diät, Mrs. St. Felix.“

      „Ich möchte lieber glauben, es war die Nicht-Diät, Doktor. Wahrhaftig, so will ich Jane auf drei Wochen anbinden und sehen, ob nichts als Wasser ihre Beschwerden kurieren kann. Master Jack, warum bringst Du Ben seinen Tabak nicht?“

      „Oh, er ist eben beim Nachtessen, und so hat’s keine Eile“, versetzte ich. „Ich höre Euch gerne sprechen.“

      „Gut; ’s giebt dann doch weniger Lästerung, wenn Du da bleibst und uns zuhörst, als wenn wir Dich wegschicken. Was macht die kleine Miss Virginia, die Schwester des armen Jack?“

      „Sie ist ganz wohl und würde Euch gar zu gerne besuchen; aber die Mutter erlaubt’s nicht.“

      „Vielen Dank an Deine Schwester für dieses Kompliment — auch das Deiner Mutter nicht zu vergessen. So hat’s also Deine Mutter aufgegeben ‚Thee zu machen unter anständigen Bedingungen?‘“

      „Ja, weil die Leute nicht mehr kommen wollen.“

      „Nun, das ist ein genügender Grund, selbst wenn sie keinen andern hätte. Wasser braucht sie freilich nicht zu sieden, da sie nie aus dem heissen Wasser kommt. Doktor, Sie sind ja stumm wie ein Fisch. Sie sagten mir, wie ich Jane und die Hunde kurieren könne — welche Dosis brauche ich wohl für eine Katze und ein Kätzchen?“

      „Für einen halben Penny Leber in kleine Stücke geschnitten.“

      „Das gesteh’ ich; ein solches Medikament wird leicht genug ihre Kehlen hinuntergehen.“

      „Da wir aber von Leber sprechen, Mrs. St. Felix — ich habe einmal einen Freund gekannt, der etliche Gänse von einem Leberleiden kurierte.“

      „Waren die armen Kreaturen lange in Ostindien gewesen?“

      „Nein, aber dennoch in einem sehr heissen Klima. Sie müssen nämlich wissen, dass er während des letzten Friedens in Frankreich drüben war und um seiner Gesundheit willen die Bäder von Montpellier brauchte. Er wohnte bei einem alten Franzosen. Nun sehen Sie, Mrs. Felix, im Süden von Frankreich ist es Sitte, gewisse Pasteten zu machen, die sehr geschätzt sind und pâtés de foie gras genannt werden — das heisst auf französisch Gänseleberpasteten.“

      „Ich dächte, Gänseleberpasteten könnte es in unserer guten Muttersprache heissen, Doktor. Doch gleichviel; fahren Sie fort mit Ihrer Geschichte.“

      „Da ist ein Kunde, Mrs. St. Felix. Bedienen Sie ihn zuerst, dann will ich weiter erzählen.“

      Ein alter Pensionär trat herein, legte seinen halben Penny auf den Ladentisch, verlangte für einen Farting Schnupftabak und liess sich den Überschuss herauszahlen.

      „Das ist eine Einnahme, Doktor“, sagte die Witwe, nachdem der Mann den Laden verlassen hatte. „Meinen Sie nicht, dass ich noch reich werde? Nun fahrt fort; ich bin so begierig auf die Leber, wie meine eigene Katze.“

      „Gut; die Aufgabe dabei ist, den Umfang der Gänselebern zu vergrössern, das heisst ein regelrechtes Leberleiden hervorzubringen. Zu diesem Ende setzt man die armen Tiere in einen heissen Käfig neben dem Küchenfeuer, stopft ihnen das Futter durch eine Röhre in den Hals und giebt ihnen vollauf Wasser zu trinken. Dies bringt die Krankheit hervor, und die Leber der geschlachteten Gänse wiegt oft drei oder vier Pfund, während die Tiere selbst blosse Skelette sind.“

      „Und die Franzosen essen diese kranken Lebern?“ unterbrach ihn die Witwe mit einer Geberde des Ekels.

      „Ja, das thun sie und sind darauf so versessen, wie mein Knabe Tom auf den Bärendreck. Gut, jener Doktor, mein Freund, kriegte Streit mit seinem Wirt, der sich rühmte, seine Gäuse hätten die grössten Lebern in ganz Montpellier, und sich gewaltig viel darauf zu gute that. Mein Freund wusste, dass er ihn mit nichts mehr ärgern konnte, als wenn er ihm seinen Erfolg vereitelte. Da er nun eine grosse Quantität Cheltenhamer Salz bei sich hatte, so pflegte er jeden Morgen eine ziemliche Portion in das Wasser zu werfen,