Der neue Sonnenwinkel Box 11 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel Box
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740977429
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unglücklich gewesen, und nun das.

      Das Gespräch mit seinem Freund Berthold musste Werner wirklich sehr erschüttert haben, denn das, was gerade geschehen war, hatte Inge noch nie zuvor in ihrem Leben erlebt.

      Fast hatte sie das Gefühl, auf Wolken zu gehen.

      War das tatsächlich ihr Ehemann gewesen, der diese liebevollen, vor allem diese einsichtigen Worte gefunden hatte? Es war wirklich kaum zu glauben, doch es machte Inge glücklich. Und auch wenn Werner irgendwann vielleicht in alte Verhaltensmuster zurückfallen würde: Es machte nichts, es machte überhaupt nichts, nach all den vielen Jahren ihrer Ehe, in denen es Höhen und Tiefen gegeben hatte, war Werner noch niemals zuvor so ehrlich gewesen, hatte er noch niemals darüber gesprochen, dass er Angst hatte, sie zu verlieren. Er hatte noch niemals solche Gefühle gezeigt, Gefühle, von denen er offenbar gerade überrannt worden war, sonst hätte er sie nicht angerufen, hätte bis zu seiner Heimkehr gewartet. Es hatte sich etwas verändert, und das war so neu, dass Inge noch nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte.

      Inge gehörte nicht zu den Menschen, die ihr Vergnügen darin fanden, viel zu laufen. Doch jetzt hatte sie das Bedürfnis, sich bewegen zu müssen.

      Was für ein Tag!

      Es war alles ein wenig viel gewesen, emotional war es auf und ab gegangen.

      »Luna, Sam, kommt, wir laufen eine Runde. Ich kann euch nicht versprechen, dass es der ganze See sein wird, aber ein Stückchen auf jeden Fall.«

      Die Hunde hatten nur See gehört, und das hatte sie sofort aufspringen und direkt zur Haustür laufen lassen.

      »Gemach, gemach, meine Besten«, lachte Inge, »ich muss mir wenigstens noch die Schuhe anziehen und eine Jacke, doch danach können wir los.«

      Zuerst Jörg, dann Berthold und danach der unverhoffte Anruf von Werner, der ihr Dinge gesagt hatte, die …

      Sam kam auf sie zugestürzt, weil es dem alles zu langsam ging, Inge wurde aus ihren Gedanken gerissen, das machte aber nichts. Sie hatte unterwegs genug Zeit, sich ein wenig zu sortieren, noch einmal über alles nachzudenken, denn am See mit all den interessanten Gerüchen waren die Tiere abgelenkt. Sie liebten den See, und sie kannten sich aus, weil sie dort oft mit Pamela, mit Teresa und Markus unterwegs waren. Hier und da auch mal mit Inge, das allerdings war nicht erwähnenswert.

      Endlich konnten sie los, die Hunde freuten sich, und jetzt begann auch Inge sich zu freuen. Es war ein so herrlicher Tag, viel zu schade, ihn daheim zu verbringen.

      *

      Roberta und Alma hatten gerade begonnen zu essen, als es an der Haustür Sturm klingelte, so, wie es eigentlich nur eine Person tun konnte. Doch das konnte nicht sein, Nicki würde nicht an einem Mittwochmittag einfach so vorbeikommen.

      Alma erhob sich, ging zur Tür, um zu öffnen, dann gab es so etwas wie einen Freudenausbruch, was wiederum Roberta veranlasste, ebenfalls aufzuspringen und zur Tür zu laufen.

      Da hatte jemand gerade nicht so geklingelt wie Nicki, nein, es war Nicki.

      Als Nicki ihre Freundin erblickte, machte sie sich aus Almas Umarmung frei, stürzte sich auf Roberta.

      »Jetzt staunst du, nicht wahr?«, lachte Nicki nach dieser mehr als nur stürmischen Begrüßung. »Was für ein Glück, dass ich die Gepflogenheiten des Doktorhauses kenne und weiß, dass am Mittwochnachmittag die Praxis geschlossen ist, und wenn du heute keine Hausbesuche mehr machen musst, dann wirst du mich nicht mehr los, Roberta.«

      Sie waren mittlerweile in der Küche angelangt, Nicki schnupperte, sagte: »Hm, das riecht köstlich. Ihr habt doch hoffentlich auch etwas für mich? Ich habe nämlich einen Bärenhunger – und Alma, ich weiß ja, wie hervorragend du kochst. Was gibt es denn?«

      Nicki plapperte und plapperte, und das war typisch für sie, wenn die erst einmal anfing, dann hatte niemand eine Chance, auch nur eine Chance, ein einziges Wort zu sagen. Aber so war sie nun mal die Nicki. Und was immer sie auch sagte oder tat, niemand trug ihr etwas nach, weil sie ein so liebenswerter Mensch war.

      Nicki ließ sich auf einen Stuhl fallen, und Alma beeilte sich, ihr das Essen zu servieren, was überhaupt kein Problem war, denn Alma, wohl geprägt durch ihre Vergangenheit, in der sie oftmals darben musste, kochte immer reichlich.

      Alma hatte den Teller kaum abgestellt, als Nicki sich auch schon über das Essen hermachte, und erst einmal hörte man abwechselnd begeisterte Ausrufe wie: »Boh, wie lecker, schmeckt das gut, so lecker habe ich Zürcher Geschnetzeltes noch nie gegessen.«

      Natürlich ging das bei Alma herunter wie Öl, zumal sie in Nicki ganz vernarrt war.

      Und Roberta hatte Gelegenheit, ihre Freundin ein wenig zu betrachten. Nicki war klein und zierlich, und man konnte immer wieder nur staunen, welche Energie in dieser kleinen Person steckte. Eines hatte sich allerdings verändert. Nicki hatte ihre langen Haare, auf die sie immer so stolz gewesen war, ein ganzes Stück abschneiden lassen. Die neue Frisur stand ihr gut, Roberta gefiel sie sogar besser als die langen Haare. Darum ging es jetzt nicht. Sie musste einfach erfahren, was der Grund für diese Handlung gewesen war. Und so unterbrach sie Nickis Lobeshymnen und wollte wissen: »Warum hast du deine Haare abschneiden lassen? Du hast doch immer um jeden Millimeter gekämpft und bist fuchsteufelswild geworden, wenn ein Friseur es einmal gewagt hatte, eben diesen Millimeter abzuschneiden.«

      Nicki schob sich erst einmal ein Stückchen Fleisch in den Mund, kaute genüsslich, dann lachte sie.

      »Ach, Roberta, du kennst mich doch. Ich hatte plötzlich das Gefühl, bei mir etwas verändern zu müssen, etwas Sichtbares.«

      Jetzt konnte Roberta nicht anders, sie musste in das Lachen mit einfallen.

      »Nicki, ich bitte dich, du veränderst doch andauernd etwas in deinem Leben und schaffst in einem Jahr das, was viele Menschen in ihrem ganzen Dasein nicht erreichen. Denke bloß mal an deine letzte Aktion, nach Japan zu gehen, dort erst mal zu bleiben.«

      »Na ja, richtig durchgehalten habe ich es nicht, denn sonst wäre ich heute noch dort, beständig bin ich nicht gerade. Das zieht sich durch mein ganzes Leben, sehr deutlich ist es erkennbar an Männern, die ich … sammle.«

      Das traf zu, Roberta sagte nichts dazu, Alma allerdings: »Du hast halt den Richtigen noch nicht gefunden, Nicki, und dann ist es besser, sich zu trennen, anstatt es bei jemandem nur auszuhalten, um Ausdauer zu beweisen. Und ich bin glücklich, dass du wieder hier bist. Auch wenn du nicht so oft hier vorbeischaust, du kommst. Und wärest du noch in Japan, dann hättest du, wie beispielsweise heute, nicht einfach vorbeikommen können. Du hättest dich halt anmelden sollen, dann hätte ich eines deiner Lieblingsgerichte gekocht und dir auch einen Kuchen gebacken.«

      Nicki war gerührt.

      »Alma es ist alles unheimlich lecker, was du kochst. In dieses Geschnetzelte könnte ich mich glatt hineinlegen, und ich hoffe, dass noch etwas übrig ist, was ich mitnehmen kann. Und das betrifft auch den Kuchen, ich könnte darauf wetten, dass es da noch irgendwo einen gibt, bei dessen Anblick man bereits Pfützchen auf der Zunge bekommt.«

      Natürlich gab es den. Alma konnte nicht nur ganz hervorragend kochen, sondern auch backen. Da stand sie Inge Auerbach in nichts nach, was das Backen betraf. Roberta bedauerte manchmal, das nicht richtig würdigen zu können, weil sie sich nicht viel aus Kuchen machte.

      Sowohl Roberta als auch Alma freuten sich über Nickis unerwartetes Kommen, denn plötzlich war, wie man allgemein so sagte, Leben in der Bude.

      Dass sie beinahe als Alleinunterhalterin auftrat, wurde Nicki überhaupt nicht bewusst, sie ließ ja niemanden sonst kaum zu Wort kommen. Und Roberta konnte sich nur wundern, wie Nicki es schaffte, Berge von Essen zu verschlingen und dabei auch noch wie ein Wasserfall zu reden.

      Jetzt tranken sie gemeinsam noch eine Tasse Kaffee, das war ein schönes Ritual, das sich von Anfang an eingebürgert hatte, auch ohne Nickis Anwesenheit. Mit der war es allerdings sehr viel unterhaltsamer.

      »Wollt ihr eigentlich nicht wissen, warum ich hier bin? So mitten in der Woche?«, erkundigte sie sich unvermittelt.