Privatdetektiv Joe Barry - Kugeln aus zarter Hand. Joe Barry. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joe Barry
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissar Y
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711669013
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vor ihren Frauen zu sterben pflegen und diese dann mit einem gefüllten Bankkonto und einem ungestillten Betätigungsdrang allein zu lassen pflegen.

      Das Wohltätigkeitsfest wurde regelmäßig in Form einer Gartenparty abgewickelt, jedesmal bei einem anderen Mitglied des Vereins. Die Damen pflegten im Park Stände zu errichten, an denen sie allerlei Krimskrams feilhielten. Da gab es Nippesfiguren oder Modeschmuck, Bilder, Anhänger, Bücher– der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Die Gegenstände wurden auch zu Phantasiepreisen verkauft, und der Erlös kam den verschämten Armen zugute. Jede der Damen setzte ihren Ehrgeiz darein, den höchsten Umsatz zu erzielen, denn mit diesem Erfolg war zugleich der Triumph verbunden, das nächste Fest ausrichten zu dürfen.

      Seit drei Jahren ruhte diese Krone auf dem Haupt von Mrs. Nancy Loretto, einer geborenen Tukerman aus Steubenville, Ohio. John D. Loretto hatte es in der Käsebranche mit dem Slogan „LorettoKäse macht schön“ zu mehreren Millionen gebracht, die er seiner Frau hinterlassen hatte, als er starb. Seitdem sah die gute Nancy den Hauptsinn ihres Lebens darin, ihre gesellschaftlichen Ambitionen mit dem Drang zur Wohltätigkeit zu verquikken, und die „Töchter der amerikanischen Unabhängigkeit“ boten ihr den idealen Rahmen dafür.

      Sie wußte, daß ihr Erfolg dieses Jahr durch Amelie Vandenfeld gefährdet war. Mrs. Vandenfeld war eine blauweiße Mittsechzigerin, deren Mann in der Stahlbranche Geld gescheffelt hatte und die immer schon auf die Käse-Lorettos herabgesehen hatte. Um so beunruhigender war der Gedanke, Amelie Vandenfeld könnte vielleicht in diesem Jahr den größten Umsatz an ihrem Stand erzielen und damit die Ehre erringen, das nächste Fest auszurichten.

      Diese Gefahr hatte Nancy Loretto monatelang beschäftigt, ehe ihr schließlich ein Gedanke gekommen war, der ihr den Erfolg sichern würde. Sie nahm sich vor, an ihrem Stand einen der „verschämten Armen“ höchstpersönlich zu präsentieren. Das würde sich unweigerlich auf die Kauflust auswirken – dies um so mehr, als sie darauf abgestimmte Waren feilbieten würde.

      Sie stellte sich vor, daß es den Damen zweifellos Spaß machen würde, dem abgerissenen „Armen“ einen Pierre-CardinAnzug zu fünfhundert Dollar oder einen gefütterten Pelzmantel abzukaufen. Damit löste sie zugleich das leidige Problem, was man mit den erworbenen Sachen anfangen sollte.

      Nancy Loretto behielt den Gag für sich. Niemand, und schon gar nicht Amelie Vandenfeld, sollte herausbekommen, welchen Schlager sie diesmal präsentieren würde.

      Ein Haken war jedoch bei der Sache. Nancy Loretto kannte keinen der verschämten Armen. Um genau zu Sein, sie hatte auch noch nie einen gesehen. Sie hatte nur die unklare Vorstellung einer abgerissenen, frierenden Gestalt, die neben ihrem Stand kauern und dankbaren Blickes die Geschenke entgegennehmen Würde, die man zuvor bei ihr gekauft hatte … Kein Stück unter fünfhundert Dollar, versteht sich.

      Nancy Loretto war jedoch eine resolute Dame und wußte sich zu helfen. Nach langem Nachdenken zog sie Bill Tide ins Vertrauen. Der war Polizeireporter beim „Guardian“ und hatte früher jahrelang die Gesellsspaltsspalte dieses Blattes bearbeitet. In dieser Zeit hatte er Nancys Vertrauen erworben, ganz besonders dadurch, daß er einmal einen boshaften Artikel über Amelie Vandenfeld veröffentlicht hatte. Als Polizeireporter mußte er einen verschämten Armen kennen.

      Bill Tide Versprach zu helfen, und er hielt Wort. Er rief sie einige Tage vor dem Fest an und teilte ihr mit, er habe den rechten Mann gefunden – einen Stromer aus der Bowery, dem die Armut deutlich anzusehen sei.

      Nancy Loretto war entzückt. Sie zweifelte nicht daran, daß der Abend ihr großer Triumph werden würde.

      Als der bewußte Tag gekommen war, schwebte sie schon frühzeitig durch den Garten und überprüfte zum letztenmal die Arrangements. Sie selbst hatte ihre Staatstracht angelegt und glitzerte im vollen Familienschmuck. Um den Hals trug sie das Kollier das ihr Mann in dem Jahr gekauft hatte, als er die glückliche Idee gehabt hatte, Milch abzusahnen in Dosen zu füllen und zum doppelten Preis zu verkaufen. Und an ihrem Finger lastete schwer der Brillantring aus jener Zeit, als der Käsekrieg siegreich beendet worden war und das gesamte Gebiet nördlich des Potomac – jedenfalls was Käse anging – an die Lorettos gefallen war. Ihre Wangen glänzten rot in freudiger Erwartung.

      Um Punkt sechs Uhr läutete es am Dienstboteneingang. Das Mädchen wollte öffnen, aber Mrs. Loretto wehrte ab und ging selbst zur Tür. Niemand sollte vorzeitig von ihrem Plan erfahren, auch das Dienstpersonal nicht. Nancy befürchtete – nicht ganz zu Unrecht –, das Mädchen könne sich durch einen Anruf bei Mrs. Vandenfeld ein Extratrinkgeld verdienen. Und es war ganz klar, daß der Triumph vorbei war, wenn Amelie Vandenfeld an diesem Abend plötzlich Migräne bekam und dem Fest fernblieb. Nein, Siege erfreuen immer nur durch die Besiegten.

      Vor der Tür stand der Arme.ein großer Mann mit einem knochigen Gesicht. Er steckte in einem abgerissenen Anzug und hatte den Kragen hochgeschlagen. Sein breitkrempiger Hut mit dem verschlissenen Band war tief in die Stirn gezogen.

      Nancy Loretto erbebte. Das also war die Armut. Sie schenkte dem Fremden ein Lächeln, das etwas zittrig ausfiel.

      „Guten Abend, Mister …“

      „Mein Name tut nichts zur Sache“, knurrte der Fremde und ging an ihr vorbei. Er sah sich um und nickte. „Verdammt feiner Laden hier, muß ich schon sagen.“

      „Ich nehme an, Mr. Tide hat Ihnen Bescheid gesagt, worum es sich handelt?“ „Yeah, hat er“, knurrte der Fremde und sah Nancy Loretto finster an. „Ich soll hier den Affen spielen, damit ihr euch amüsieren könnt, stimmt’s?“

      Nancy lief es kalt über den Rücken. „Nicht doch, verstehen Sie mich nicht falsch. Es handelt sich um ein Wohltätigkeitsfest, verstehen Sie?“

      „Sicher“, sagte der Fremde. „Also, wo ist der Käfig?“

      „Käfig?“

      „Wo ich mich ‘reinsetzen soll.“

      „Nicht doch!“ Nancy lachte nervös. „Ich dachte es mir so, daß Sie mir beim Verkaufen helfen. Aber es ist erst in einer Stunde soweit,“ Ihr kam ein Gedanke. „Sie haben doch sicher Hunger?“

      „Das ist eine Idee. Hab schon seit Tagen nichts Warmes mehr im Bauch gehabt.“

      „Prächtig, prächtig!“ säuselte sie und lief eilig vor ihm die Treppe empor. „Ich werde Ihnen ein Sandwich holen.“

      Er folgte ihr in die Küche. Naserümpfend betrachtete er die Silberplatte mit den angerichteten Häppchen, die sie ihm hinhielt.

      „Was soll das? Haben Sie nichts Handfestes?“

      „Handfestes? Das ist das Beste vom Besten, Mister. Norwegischer Lachs, geräuchert, Parmaschinken, luftgetrocknet, Beluga-Kaviar …“ Mit einem schrillen Schrei ließ sie die silberne Platte fallen.

      Der Fremde hatte blitzschnell zugepackt und das Diamantenkollier erwischt, das sie um den Hals trug.

      „Das meine ich, wenn ich von etwas Handfestem spreche“, sagte er. Sein übelriechender Atem schlug ihr ins Gesicht. „Hast du verstanden, Puppe?“

      Sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an – unfähig zu sprechen. Unerbittlich drehte der Fremde seine Hand. Immer tiefer schnitt das Halsband ins Fleisch und schnürte ihr den Atem ab. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren, aber gegen den eisenharten Griff des Mannes kam sie nicht an.

      Nach einer Minute war es vorbei. Der Fremde ließ ihren leblosen Körper zu Boden gleiten. Dann bückte er sich Und nahm ihren Schmuck an sich.

      Seine Taschen beulten schwer aus, als er die Küche verließ.

      Zehn Minuten später betrat das Dienstmädchen die Küche. Sie erstarrte, als sie Nancy Loretto sah.

      Und dann löste sich die Erstarrung in einem markerschütternden Schrei, der durch das Haus gellte.

      2. Kapitel

      Diesmal leitete Lieutenant Antony Starr persönlich die Ermittlungen. Er traf zwanzig Minuten nach dem Mord am Tatort ein Und verhörte als erstes das Dienstmädchen.

      Sie