Breiten Raum nehmen die privaten Ansätze für altersgerechtes Wohnen ein, die ohne große Hilfe zu bewältigen sind – von der Chance, die bisherige Wohnung umzugestalten, bis zum Umzug in eine Gemeinschaft. Das kann die Familie sein ebenso wie Freunde oder eine neu zu gründende Initiative mit oder ohne Kooperationspartner. Auch ungewöhnliche neue Pflegekonzepte werden ansatzweise vorgestellt. Schließlich geht es darum, wie ein Wohnprojeke zu verwirklichen ist, wo man Informationen und Unterstützung bekommt und worauf zu achten ist.
Viele anschauliche (anonymisierte) Beispiele ergänzen die Ausführungen.
Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im selben Tempo, in dem die Gesellschaft sich derzeit verändert, werden stetig neue Bedürfnisse formuliert, neue Ideen geboren und ausprobiert, wie Leben und Wohnen (nicht nur im Alter) aussehen können. Die Informationen über aktuelle Möglichkeiten, Strömungen und Projekte möchten dazu anregen, sich frühzeitig mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Wünsche und Ziele für das eigene Alter bestehen, und wie sie zu realisieren sind. Dabei ist die Frage, wie man nicht leben möchte, ebenso wichtig wie die Erkenntnis, wohin der persönliche Lebensweg führen soll.
Wenn dieses Buch Ihnen die nötigen Hintergrund-Informationen und mehr Klarheit für die Entscheidungen über Ihre individuelle Wohnform im Alter bieten kann, hat es seinen Zweck erfüllt.
Nie waren die angehenden Senioren so rüstig wie heute, nie waren sie so viele wie morgen, und selten hatten sie gesellschaftlich so große Bedeutung wie in Zukunft. Nutzen wir die Chance, die die heutige Zeit uns bietet, um aktiv unsere Zukunft nach den eigenen Vorstellungen zu formen.
2. Was ist Alter? – Fragen, Probleme, Erklärungen
Welche Wünsche und Bedürfnisse werde ich haben, wie viel Nähe brauche ich und wie viel Privatheit? Welche Angebote wird es geben? Was kann ich heute schon tun, um morgen ein erfülltes Leben zu haben?
Die Schlagworte aus Büchern, Zeitungen und Fernsehen zum Thema Altern in unserer Gesellschaft sind selten eindeutig und sollen daher geklärt werden.
2.1 Nie waren es so viele wie morgen – Der „demografische Wandel“ und seine Folgen
Die Bevölkerungsstruktur verändert sich durch die Zunahme der älteren Generation nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Medizinisch-technischer Fortschritt, bessere Hygiene, ökonomische Veränderungen und neue Sozialgesetze sowie eine fast 60-jährige Friedensperiode haben die Lebensbedingungen verbessert und die Lebenserwartung steigen lassen. Wurden Anfang des 20. Jahrhunderts noch rund fünf Kinder je Frau geboren, sind es heute nur noch 1,34 – Deutschland steht am untersten Ende der Weltstatistik und hat die am schnellsten alternde Gesellschaft. Die Bedeutung der Familie als stützendes soziales Netzwerk nimmt wegen der veränderten Rollenerwartungen an Mann und Frau kontinuierlich ab. Mit Singles, nichtehelichen Partnerschaften, Alleinerziehenden, Patchwork-Familien und anderen Lebensformen haben sich die Haushaltsstrukturen verändert.
Statistiken belegen, dass der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Nach den Berechnungen der Demografen wird er weiter ansteigen:
Schon 2030 wird es doppelt so viele Ältere wie Jüngere in Deutschland geben.
Der Anteil der über 80-Jährigen wird von heute 2,9 Millionen auf voraussichtlich 11,4 Millionen bis 2050 steigen.
Allein die Anzahl pflegebedürftiger alter Menschen soll bis 2020 um 50 Prozent auf dann 3 Millionen anwachsen.
Solche Zahlen verwirren und verunsichern: Was wird die Zukunft bringen? Werden wir im Alter noch gesellschaftliche Bedingungen vorfinden, die uns ein Leben in Würde und Selbstbestimmtheit ermöglichen?
Was bedeutet diese demografische Entwicklung in einer Zukunft mit voraussichtlich mehr Alten als Jungen und mehr Alleinstehenden als Familien?
Zum einen werden sich den Senioren neue Chancen eröffnen:
Ältere werden zahlenmäßig stärker als heute in entscheidenden Gremien vertreten sein und so ihre eigenen Interessen besser vertreten können.
„Höhere Lebenserwartung“ bedeutet auch mehr Zeit, Lebensträume zu verwirklichen: Vielleicht noch einmal heiraten, vielleicht eine neue Ausbildung oder ein Studium beginnen, vielleicht umziehen oder sich die Welt ansehen.
Die Ressourcen der älteren Generation werden nötig sein, um die Aufgabe „alternde Gesellschaft“ kreativ zu bewältigen – mit der Folge einer neuen Sicht auf die Alten und einer Wende von der Defizit-Orientierung zur Wahrnehmung der Ressourcen Erfahrung und Zeit.
Zum anderen wird die Pflege der vielen alten Menschen in der heutigen Form kaum mehr möglich sein. Das familiäre Unterstützungs-Netzwerk wird in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen, da die Bedeutung der Familie in der Gesellschaft abnimmt. Für den Ersatz durch professionelle Hilfe gibt es weder genügend (junges) Personal noch finanzielle Mittel. Wichtig scheint daher, neue Alternativen zu etablieren – zum Beispiel Helfer aus der Umgebung, so genannte „informelle Helfer“, die die längst vergessenen Aufgaben einer früheren dörflichen Gemeinschaft wieder übernehmen könnten.
Das Alter mit all seinen Facetten wird künftig eine größere Rolle spielen, und nirgendwo in der Geschichte lehrt ein Modell, wie damit umzugehen ist. Diese Unsicherheit kann aber dazu antreiben, die gesellschaftlichen Herausforderungen anzunehmen und gemeinsam zu bestehen. Dazu gehört auch, sich die Wirkung dieser Änderungen auf unser eigenes Altern bewusst zu machen und sich gezielt und aktiv darauf vorzubereiten. Je früher desto besser, denn neue Ideen brauchen viel Zeit, um sich zu entwickeln und gegen Veraltetes durchzusetzen.
2.2 Nie waren sie so rüstig wie heute – Das neue Selbstbewusstsein der Senioren
Je nach Blickwinkel gelten für das Thema Altern unterschiedliche Definitionen und Schwerpunkte. Nachfolgend einige davon.
Die dritte Lebensphase – Der Begriff „Alter“
Unter „Alter“ versteht man bei uns meistens das Lebensalter, also die Zeitspanne seit der Geburt eines Lebewesens. Die Wissenschaft, die sich mit dem Alter als Lebensabschnitt des Menschen befasst, nennt sich Gerontologie.
Der meist ähnlich verwendete Begriff Senior bzw. Senioren bezeichnet in der Regel ältere Menschen, die nicht mehr in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stehen, bei uns also die Gruppe der über 60-Jährigen. Senioren beziehen typischerweise regelmäßige Zahlungen aus der Altersversorgung, also Rente oder Pension.
Fragt man Menschen, was sie mit „Alter“ verbinden, hört man sehr unterschiedliche Assoziationen:
Die einen denken an Weisheit, Gelassenheit, Ruhe, Erfahrung oder Abgeklärtheit und freuen sich auf die Entlastung von der Arbeitspflicht, auf schöne Erinnerungen und viel Freizeit. Ihre Vorstellung von Altern ist auf Stärken, Ressourcen und Möglichkeiten gerichtet.
Andere verknüpfen mit „Alter“ eher Negatives: Einsamkeit, Isolation, Ausgrenzung, nicht mehr für voll genommen zu werden, nachlassende körperliche und geistige Fähigkeiten, Gebrechlichkeit, Krankheit und den Verlust sozialer Anerkennung. Ihr Verständnis von Alter ist eher defizitorientiert.
In der Entwicklungspsychologie bezeichnet „Alter“ die letzte der vier großen Lebensphasen. Wie Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter wird auch diese Phase weiter differenziert:
Im Dritten Lebensalter werden die jüngeren Alten erfasst (60-75 Jahre), die relativ fit sind und sich körperlich wie geistig gesund und mobil fühlen. Sie haben häufig bestimmte Ziele, die sie noch verwirklichen wollen, und sind im Bereich Gesundheits- und Altersvorsorge