Mit feinem Takt aber legte sich der heilige Evangelist in dem, was die übrigen bereits berichteten, Beschränkung auf und wollte die Tatsache, daß der Herr von Johannes sich taufen ließ, lieber dem denkenden Geist als dem Buchstaben anvertrauen. Über den Grund seiner Taufe aber spricht sich der Herr selbst klar aus mit den Worten: „Laß es geschehen; denn also geziemt es uns, jegliche Gerechtigkeit zu erfüllen"449.
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Wenn nun Gott in seiner göttlichen Huld zum Zweck des Aufbaues seiner Kirche soweit gegangen ist, daß nach den Patriarchen, Propheten und Engeln der eingeborene Gottessohn herniederstieg und zur Taufe kam, muß es uns da nicht einleuchten, daß gerade auf die Kirche der wahre und göttliche Ausspruch sich bezieht: „Baut nicht der Herr sich das Haus, dann mühen sich die Bauleute vergeblich?"450 Kein Wunder, wenn der Mensch es nicht bauen kann, nachdem er es nicht einmal behüten kann: „Wenn der Herr die Stadt nicht behütet, dann wachen ihre Hüter umsonst"451. Das nun entnehme ich einem Psalme. Doch selbst auch wage ich zu behaupten, daß der Mensch keinen Weg zu betreten vermag, wenn nicht der Herr ihm voranzieht. Darum die Mahnung der Schrift: „Hinter dem Herrn deinem Gott sollst du wandeln"452, und: „Vom Herrn werden gewiesen die Wege des Mannes"453. Jener war folglich am meisten in der Vollkommenheit voran, der einsah, daß er ohne den Herrn nicht wandeln könne: „Deine Wege", betet er, „lehre mich!"454
Um nun auf die Geschichte zurückzugehen ― wir sollten uns ja nicht mit dem einfachen Bericht über eine Begebenheit begnügen, sondern auch unser Handeln auf die eifrige Befolgung des Geschriebenen richten ― so hielt das Volk seinen Auszug aus Ägypten. Es wußte den Weg nicht, welcher zum Heiligen Lande führte. Da sandte Gott eine Feuersäule, damit das Volk des Nachts den Weg erkännte. Er sandte ferner des Tags eine Wolkensäule, damit es nicht nach links und rechts vom Wege wiche455. Doch nicht so bist du, Mensch, daß auch du eine Feuersäule verdientest. Du hast keinen Moses, empfängst keine Zeichen. Denn jetzt, seit der Ankunft des Herrn, wird Glaube verlangt, die Zeichen treten zurück. Fürchte den Herrn und baue auf den Herrn! Denn „es wird der Herr Engel niedersenden rings um die, so ihn fürchten, und sie erretten"456. Da sieht man doch fürwahr, wie überall des Herrn Kraft des Menschen Mühen unterstützt, so daß niemand ohne den Herrn bauen, niemand ohne den Herrn behüten, niemand das Geringste ohne den Herrn anfangen kann. Daher die Mahnung des Apostels: „Ihr möget essen oder trinken, tut alles in Kraft der Herrlichkeit Gottes"457, „im Namen unseres Herrn Jesus Christus!"458 In den beiden Briefen gebot er dir zu handeln: hier „im Namen unseres Herrn Jesus Christus", dort „in Kraft der Herrlichkeit Gottes"; du sollst daraus erkennen, daß dem Vater und Sohne die gleiche Herrlichkeit, die gleiche Kraft zukommt, und daß Vater und Sohn in nichts hinsichtlich ihrer Gottheit sich voneinander unterscheiden, wie sie auch in ihrer Hilfeleistung gegen uns sich nicht unterscheiden. ― So lehrte mich denn David, daß niemand ohne den Herrn ein Haus bauen, eine Stadt behüten kann.
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[Forts. ] Es lehrte mich desgleichen Moses, daß niemand außer Gott die Welt geschaffen hat; denn „am Anfange schuf Gott den Himmel und die Erde"459. Er lehrte desgleichen, daß die Erschaffung des Menschen Gottes Werk ist, und schrieb nicht umsonst den Satz nieder: „Es bildete Gott den Menschen aus Erdenlehm und hauchte in sein Antlitz den Odem des Lebens"460: du solltest Gott bei der Bildung des Menschen gleichsam nach Art physischen Handelns Hand anlegen sehen. Er lehrte ebenso auch die Erschaffung des Weibes durch Gott; denn „es sandte Gott einen tiefen Schlaf auf Adam, und er schlummerte ein; da nahm er eine der Rippen aus dessen Seite und ergänzte deren Fleisch. Und Gott der Herr bildete aus der Rippe, die er von Adam genommen, das Weib"461. Nicht umsonst, wie gesagt, stellt Moses Gott dar, wie er gleichsam leiblich Hand an Adam und Eva legt. Die Welt hieß Gott werden und sie ward462, und mit einem Worte war, wie die Schrift hier andeutet, die Weltschöpfung vollbracht. Da kommt die Reihe an den Menschen, und der Prophet müht sich, dir gleichsam die Hände des schaffenden Gottes zu zeigen.
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Einen weiteren Aufschluß, zu dem mich die geschaffenen Werke Gottes über das hinaus, was ich (in der Genesis) lese, noch zwängen, wüßte ich nicht zu finden. Da kommt der Apostel meinem heißen Verlangen entgegen und machte mir die Bedeutung der Textstellen463, die ich nicht verstand: „Bein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch", und: „Man soll sie Männin heißen, weil sie von ihrem Manne genommen ward" kraft des Göttlichen Geistes offenbar, indem er beteuert: „Ein großes Geheimnis ist dies"464. Was für ein Geheimnis? „Die zwei werden ein Fleisch sein", und: „Es wird der Mensch Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen", und: „Glieder seines Leibes sind wir, von seinem Fleisch und seinem Gebein"465. Wer ist dieser Mann, um deswillen das Weib die Eltern verlassen soll? die Kirche hat die Eltern verlassen, indem sie sich auf den prophetischen Ruf: „Vergiß dein Volk und deines Vaters Haus!"466 aus den Heidenvölkern sammelte. Um welchen Mannes willen, wenn nicht vielleicht um dessentwillen, von dem Johannes beteuert: „Nach mir kommt ein Mann, der mir voran ist"?467 von dessen Seite, da er schlief, Gott die Rippe nahm? Jener ist’s, der „sich schlafen legte und ruhte und wieder aufstand, weil der Herr ihn aufnahm"468. Was bedeutet dieses Mannes Rippe anders als Kraft? Denn in dem Augenblick, da ein Soldat dessen Seite öffnete, entströmte ihr sogleich Wasser und Blut469, das für das Leben der Welt vergossen ward. Dieses Leben der Welt bedeutet die Rippe Christi, sie ist die Rippe des zweiten Adam; denn „der erste Adam ward eine lebendige Seele, der letzte Adam ein lebendigmachender Geist"470. „Der letzte Adam" ist Christus, die Rippe Christi das Leben der Kirche. „Wir sind sonach die Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und seinem Gebein"471. Und vielleicht ist es diese Rippe, von der er sprach: „Ich fühle, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist"472. Das ist die Rippe, die von Christus ausging, ohne seinen Körper zu schmälern; denn nicht körperlich, sondern geistig ist die Rippe, der Geist aber ist selbst nicht teilbar, „teilt indes jedem zu, wie er will"473. Das ist die Eva, „die Mutter aller Lebendigen"474. Verstehst du nämlich die Stelle vom „Suchen des Lebendigen bei den Toten"475 recht, so hast du unter den „Toten" jene zu verstehen, die ohne Christus sind, die am Leben nicht teilhaben; denn das heißt an Christus nicht teilhaben, weil Christus das Leben ist. Die Mutter der Lebendigen ist sonach die Kirche, die Gott aufbaute, „wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist, in welchem der ganze Bau zusammengefügt ist und zum Tempel emporwächst"476.
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[Forts. ] Möchte denn Gott kommen! Möchte er „das Weib bauen"477, jenes als Adams478, dieses hingegen als Christi Gehilfin, nicht als ob Christus der Hilfe benötigte, sondern weil wir durch die Vermittlung der Kirche zur Gnade Christi zu gelangen suchen und wünschen. Auch heute noch wird „das Weib gebaut", auch heute noch geformt, auch heute noch gestaltet, auch heute noch geschaffen. Darum die ungewohnte Ausdrucksweise der Schrift, wir würden „daraufgebaut über dem Fundamente der Apostel und Propheten"479. Auch heute noch ersteht „das geistige Haus zu einer heiligen Priesterschaft"480. Komm, Herr und Gott, baue dieses Weib, baue die Stadt! Es komme auch „Dein Knecht!"481 Denn ich glaube dir, da Du versicherst: „Er wird bauen meine Stadt"482.
88.
Sieh das Weib, die Mutter aller! Sieh das geistige Haus! Sieh die Stadt, die ewige, weil sie den Tod nicht kennt! Sie ist nämlich die