Das Evangelium nach Lukas. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659677
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      [Forts. ] Auch die Speise (des Täufers) deutete prophetisch auf sein Amt und kündete eine höhere Wahrheit an. Was wäre denn auch vom Standpunkt menschlicher Berufsarbeit so müßig gewesen, als Heuschrecken suchen? Und doch, was so bedeutungsvoll vom Standpunkt des geheimnisvollen Prophetenberufes? Denn je mehr die Heuschrecken an Frucht nichts, an Nahrung wenig bieten, je mehr sie beim Hintasten entweichen, hüpfend herumirren, mit dem Rüssel404 zirpen, umso passender läßt sich der Zustand des Heidenvolkes mit ihnen vergleichen, das, ohne Nutzen aus seinem Mühen, ohne Frucht aus seinem Wirken zu ziehen, würde- und sprachlos nur Klagelaute ausstieß, das Wort des Lebens nicht kannte. Dieses Volk nun war die Speise des Propheten; denn je zahlreicher das Volk zusammenströmte, um so reichhaltiger ward die Tätigkeit, die des Propheten Mund in steigendem Maße entfaltete. ― Desgleichen stellt der Waldhonig ein Sinnbild der Kirche dar. Nicht im Bienenhaus des Gesetzes, als ein Erzeugnis des Judenvolkes ward sie vorgefunden, sondern in Waldgefilden und Laubgezweigen lebte sie in heidnischer Verirrung zerstreut, wie geschrieben steht: „Wir haben sie in den Waldgefilden gefunden"405.

       72.

      Und zwar kündigte Johannes mit dem Genuß von Waldhonig die (künftige) Sättigung des Volkes mit dem Honig des Felsens (Christus) an, wie geschrieben steht: „Und vom Fels mit Honig hat er sie gesättigt“406. So haben auch den Elias die Raben mit Speise, die sie draußen fanden, und mit Trank, den sie draußen gewannen407, genährt408. Es sollte dies ein Sinnbild dafür sein, daß das vom schaurigen Schmutze seiner Mißverdienste starrende Heidenvolk, das ehedem seine Speise in moderndem Aase suchte, jetzt nunmehr den Propheten aus seiner Mitte Nahrung beschaffen und darbieten werde. Die Speise der Propheten besteht nämlich in der Erfüllung des göttlichen Willens, wie es der Herr selbst klar ausgesprochen hat mit den Worten: „Meine Speise ist, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesendet hat“409.

       73.

      [Forts. ] * „Die Stimme eines Rufenden in der Wüste"*410. Zutreffend wird Johannes, der Herold des Wortes, „die Stimme" genannt. Er selbst gab ja auf die Frage: „Was sagst du von dir selbst?" die Antwort: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste"411. Darum auch sein Bekenntnis: „Der nach mir kommt, ist mir voran"412; die Stimme nämlich, das Mindere, kommt zuerst, das Wort, welches das Erhabenere darstellt, folgt. Darum wollte ferner dasselbe von Johannes getauft werden, weil in den Menschen das Wort durch die Stimme des Lehrers geheiligt wird; darum vielleicht erhielt auch Zacharias die Stimme zurück, weil er „die Stimme" (Johannes) zum (schriftlichen) Ausdruck brachte413.

       74.

      „Natterngeschlecht! Wer hat euch gezeigt dem kommenden Zorne zu entfliehen? Bringt also würdige Früchte der Buße und fangt nicht an zu sagen: Unser Vater ist Abraham! Ich sage euch aber: Gott vermag aus diesen Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken"414.

      Eine Zurechtweisung zwar erfährt augenscheinlich die Bosheit der Juden, weil sie, vom Gifte sträflicher Gesinnung schillernd, gleich Schlangen schleichen und irdischen Lasterstätten frönen. Indes zeigen die Worte: „Wer hat euch gezeigt dem kommenden Zorne zu entfliehen?" eine durch Gottes Erbarmen ihnen verliehene Einsicht an; darnach sollten sie über ihre Vergehungen Buße tun, indem sie frommen und besorgten Sinnes vor den Schrecken des künftigen Gerichtes sich fürchteten. Auf die Eltern nun, nicht auf die Kinder, hat man den Vergleich mit den Nattern zu beziehen. Oder es soll vielleicht auch entsprechend dem Schriftworte: „Seid klug wie die Schlangen!"415 an deren natürliche Klugheit erinnert werden, wonach sie das, was frommt, wohl sehen und unwillkürlich begehren, gleichwohl aber das, was zum Verderben führt, noch immer nicht aufgeben.

       75.

      Darum die Warnung an sie, mehr den Ruhm (verdienstvollen) Wirkens als den Adel der Geburt sich beizulegen, weil die Geburt keinerlei Vorrecht in sich schließt, wenn sich damit nicht das Erbe des Glaubens verbindet, dessen Übergang auf die Heidenvölker nach Gottes Willen Johannes mit dem prophetischen Ausspruche offenbarte: „Gott vermag aus diesen Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken". Denn wenn auch Gott die verschiedenen Naturdinge verändern und verwandeln kann, darf ich gleichwohl, weil mir ein Geheimnis mehr denn ein Wunder frommt, beim Vorboten Christi an nichts so sehr denken als an den Aufbau der neuerstehenden Kirche, die nicht aus Felsgestein, sondern aus lebendigen Steinen aufgeführt ward und durch Unmwandlung unserer Herzen zur Wohnung Gottes und zum hochragenden Tempel sich erhob416. Es traf Gott Anordnung unsere Herzenshärte zu erweichen und aus Steinen des Anstoßes Diener der Religion zu erwecken. Wofür anders auch hätten jene, welche den Steingötzen dienten, gehalten werden sollen als für Steine, „denen schlechterdings gleich, die sie machten"?417 Der Felsenbrust der Heiden, das sagt also der prophetische Ausspruch, sollte der Glaube eingesenkt werden. Durch den Glauben würden sie, das versichert die Verheißung, Kinder Abrahams, nachdem ihnen durch ihre Herzenshärte ein fühlloses, unvernünftiges Gehaben und Gebahren zur zweiten Natur geworden war. Denn wenn gemäß dem Schriftworte: „Auch ihr werdet als lebendige Steine zum geistigen Tempel gebaut, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistige Opfer darzubringen"418, des Apostels Ausspruch die in der Glaubenskraft gefestigten Männer mit lebendigen Steinen vergleicht, mit viel tieferem Grunde scheinen mir an unserer Stelle durch den Mund des Propheten jene Menschen mit Steinen verglichen zu sein, die so sehr alles menschlich-geistige Empfinden eingebüßt hatten, daß sie, während sie das Einwohnen irgendeiner vernünftigen Gottheit in Steingebilden annahmen, selbst zwar nicht leiblich, wohl aber geistig in Steinnatur verkehrt wurden419. „Fürsten von Sodoma"420 und „übertünchte Gräber"421 werden denn auch die Nachkommen Abrahams dem Fleische nach genannt. ― So hat also mehr die sittliche Ähnlichkeit mit den Altvordern als die Abstammung von ihnen ein Geburtsvorrecht anzusprechen.

      Noch mehr! Um über den Vergleich der Menschen mit Steinen keinen Zweifel zu belassen, verglich er die Menschen auch mit Bäumen, indem er beisetzte:

       76.

      „Denn schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gesetzt"422. Der Wechsel im Bilde aber hat seinen Grund darin, daß mit der Fortführung des Vergleiches bereits ein gelinder Fortschritt im Menschen ersichtlich werden soll. Vorher zu ungeschlacht für eine Nutzung, bar an Schmuck, leer an Frucht, geistig unfähig zu Fortschritt, werden die Menschen nunmehr unter dem Bild der Bäume dargestellt, die infolge ihrer zweckmäßigen natürlichen Ausstattung zur Nutzung einladen, herrlich an Anblick, ergiebig an Frucht mit ihren Wipfeln emporstreben, mit ihren Ästen sich breiten, mit Früchten sich voll bedecken, mit Laub sich kleiden. O daß auch wir der Fruchtbäume Gehaben nachahmen könnten! Daß wir bei wachsenden Verdiensten, in langerprobter Demut festgewurzelt, über dem Boden erhaben, herrlich zu schauen, das gereifte Haupt voll fruchtbarer Werke emporrichteten! Daß nicht die Axt des Arbeiters im Evangelium den Wurzelstock des stumpfen Wildlings ausrodete! „Denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!"423 ― es ist dies freilich des Apostels Stimme ― Wehe mir, wenn ich die Sünden nicht beweine! Wehe mir, wenn ich nicht „aufstehe um Mitternacht, Dich zu preisen!"424 Wehe mir, wenn ich Trug verübe gegen meinen Nächsten!425 Wehe, wenn ich nicht die Wahrheit sage! Schon liegt die Axt an der Wurzel: es bringe, wer kann, Frucht der Gnade! wer muß, Frucht der Buße! Der Herr ist da, nach der Frucht sich umzusehen, den Fruchtbringenden Leben zu geben, an die Unfruchtbaren Hand anzulegen. Drei Jahre sind es, daß er kommt, ohne eine Frucht an den Juden finden zu können. O daß er sie an uns fände! Schon droht er mit dem Befehle, die unfruchtbaren Bäume zu fällen, daß sie nicht weiter die Erde belasten. Möchten indes diejenigen, die bisher keine Frucht trugen, es versuchen, in Zukunft solche zu bringen! Jener gute Gärtner wird für uns Unfruchtbare, für uns Unnütze Fürsprache einlegen, daß noch Zeit gewährt, Langmut geübt werde, ob nicht auch wir vielleicht einige Frucht Gott zu bringen vermöchten426.

       77.

      Jedem Stande gab sodann der heilige Täufer (auf dessen Frage) die für