Das Evangelium nach Lukas. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659677
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in Zweifeln schwankte, wird gestärkt: „Denn sieh", ruft sie aus, „sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr traf, hüpfte das Kind freudig auf in meinem Schoße"203. Mit lauter Stimme also jubelte sie, sobald sie des Herrn Ankunft merkte, indem sie nun von der religiösen Bedeutung ihrer Geburt überzeugt war. Denn aller Grund zur Scham fiel weg, sobald die Geburt eines Propheten die Beglaubigung erbrachte, daß die Zeugung ihren Grund in einer Gnadengabe, nicht in Begierlichkeit hatte.

      Zweites Buch, Luk. 1,26-3,22

      1. Marias Verkündigung, Luk. 1, 26―28

      

       Die jungfräuliche Gottesmutter „einem Mann verlobt“; Gründe: der Ruf der Jungfrau (1), das Interesse des Kindes, die Bezeugung der Jungfräulichkeit durch den Gemahl (2), die Täuschung des Teufels bezw. des Fürsten der Welt (3). — Marias Jungfräulichkeit trotz der Vermählung; Zeugen: Maria, Lukas, die Propheten, Christus der Herr (4); Joseph, der „Gerechte“, ein schriftbeglaubigter Zeuge. Die Bezeichnung ,Gemahlin' (5) und die Wendung: „er erkannte sie nicht, bis sie den Sohn gebar” keine Instanz dagegen (6). Die Jungfrau-Mutter Typus der Kirche, der makellosen Braut des Hl. Geistes (7). Maria, das Bild und Vorbild der züchtigen Junghau (8). Maria, die kluge Jungfrau. Unterschied zwischen einer schamhaften Jungfrau (Maria) und Frau (Elisabeth) (9). Die Größe Christi im Vergleich zur Größe des Johannes (10—11). Die Größe Christi in sich. Die Schriftbezeichnung Christi als des „Ersten“, bezw. des Vaters als des „Alleinigen“ keine Instanz gegen die Konsubstanzialität des Sohnes mit dem Vater (12—13). Marias Frage an den Verkündigungsengel keine Zweifelsfrage über das Daß, sondern eine Glaubensfrage nach dem Wie des Geschehens (14). Marias Verhalten dem Verkündigungsengel gegenüber im Gegensatz zu dem des Zacharias (15—18).

       1.

      „Zur nämlichen Zeit aber ward der Engel Gabriel vom Herrn gesandt in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth, zu einer Jungfrau, die verlobt war einem Manne mit Namen Joseph, vom Hause Davids, und der Name der Jungfrau war Maria"204.

      Verborgen zwar sind die göttlichen Geheimnisse und unmöglich kann nach prophetischem Ausspruche ein Mensch Gottes Ratschluß erkennen205, aber gleichwohl können wir aus den sonstigen Heilstaten und -lehren des Herrn ersehen, wie auch das auf einem gewichtigeren Ratschlusse beruhte, daß zur Mutter des Herrn vor allem eine solche auserkoren wurde, „die einem Manne verlobt war". Warum aber wurde sie nicht vor ihrer Verlobung erfüllt? Vielleicht um dem Gerüchte vorzubeugen, sie habe im Ehebruch empfangen206. Und mit gutem Grunde stellte die Schrift beides fest, daß sie Verlobte und Jungfrau war: Jungfrau, damit sie unberührt vom Umgange mit einem Manne erschiene; Verlobte, damit sie nicht wegen Verletzung der Jungfräulichkeit in Verruf käme und gebrandmarkt würde, wenn der schwangere Leib ihr offen das Schandmal der Entehrung aufzudrücken schiene. Lieber aber wollte der Herr Zweifel über seine eigene Herkunft als über die Keuschheit seiner Mutter zulassen ― er wußte nämlich, wie zart jungfräuliche Scham und wie gefährdet der Ruf der Keuschheit ist ― und glaubte nicht die Glaubwürdigkeit seiner Herkunft auf die Gefahr ungerechter Verdächtigungen seiner Mutter sichern zu sollen. So verbleibt also der heiligen Maria Jungfräulichkeit wie in der Reinheit unversehrt so im Rufe unverletzlich. Es sollen ja die Heiligen „auch von denen gutes Zeugnis haben, die draußen sind"207. Auch wäre es nicht geziemend gewesen, wenn Jungfrauen von üblem Ruf als Deckmantel zu ihrer Entschuldigung die Ausrede verbliebe, es seien auch über die Mutter des Herrn schlimme Nachreden gegangen.

       2.

      Was aber hätte man es den Juden, was dem Herodes verübeln können, wenn sie anscheinend einem Kinde aus dem Ehebruch nachstellten? Wie hätte Christus selbst sprechen können: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen"208, wenn er schon mit seinem ersten Schritt ins Leben den Schein der Gesetzesverletzung erweckt hätte, nachdem doch außereheliche Geburten durch das Gesetz verpönt waren?209 Noch mehr! Gerade der Gemahl war der vollgültigste Zeuge der Schamhaftigkeit, der beigezogen werden konnte, imstande, Unrecht mitzufühlen und Schmach zu rächen, wenn er auch nicht in das Geheimnis eingeweiht war. Und wie? Mußte hierdurch nicht auch der Aussage Marias erhöhte Glaubwürdigkeit gesichert und einem Grund zur Lüge der Boden entzogen werden? In schwangerem Zustand außer der Ehe hätte sie wohl den Anschein erwecken müssen, durch eine Lüge ihre Schuld verschleiern zu wollen. Als Unvermählte nur hätte sie einen Grund zum Lügen gehabt, nicht als Vermählte, nachdem gerade der Frauen Niederkunft der Ehe Lohn, der Vermählung süße Frucht birgt.

       3.

      Ein nicht geringer Grund desgleichen liegt darin, daß die Jungfräulichkeit Marias dem Fürsten der Welt entgehen sollte; denn da er sie einem Manne verlobt sah, konnte ihre Geburt ihm nicht verdächtig erscheinen. Daß aber die Täuschung des Fürsten der Welt beabsichtigt war, geben Äußerungen des Herrn selbst klar zu erkennen: so, wenn den Aposteln aufgetragen wird, über Christus zu schweigen210, wenn den Geheilten verboten wird, mit der Heilung sich zu brüsten211, wenn den Dämonen befohlen wird, über den Gottessohn zu verstummen212. Daß die Täuschung des Fürsten der Welt, wie gesagt, beabsichtigt war, gab auch der Apostel klar zu erkennen mit den Worten: „Wir aber reden Gottes Weisheit, die im Geheimnis verborgen ist, die keiner von den Fürsten dieser Welt erkannt hat; denn hätten sie diese erkannt, würden sie nimmer den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben"213, d. i. nimmer die Hand geboten haben zu meiner Erlösung durch den Tod des Herrn. Er täuschte sie sonach zu unserem Besten, er täuschte sie zu ihrer Überwältigung, er täuschte den Teufel dadurch, daß er trotz Versuchung, trotz Fragen, trotz der Benennung mit ‚Gottessohn' niemals mit einer Selbstbezeugung seiner Gottheit hervortrat. Doch mehr noch (als den Teufel) täuschte er den Fürsten der Welt214. Denn der Teufel blieb wohl eine Zeitlang im Ungewissen, da er sprach: „Wenn du der Gottessohn bist, so stürze dich hinab"215, aber er erkannte ihn doch, wenn auch noch so spät, und wich von ihm. Auch die Dämonen erkannten ihn, da sie riefen: „Wir wissen, wer du bist, Jesus, Sohn Gottes. Was bist du gekommen, uns vor der Zeit zu quälen?"216 Darum wußten sie, daß er gekommen sei, weil sie vorauswußten, daß er kommen werde. Daß aber die Fürsten dieser Welt ihn nicht erkannten, welches triftigere Zeugnis könnten wir zum Nachweis hierfür erbringen als des Apostels Ausspruch: „Denn hätten sie (ihn) erkannt, nimmer würden sie den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt haben". Der Dämonen Bosheit nämlich gewahrt leicht auch das Verborgene; jene dagegen, welche von den Eitelkeiten der Welt eingenommen sind, vermögen zur Kenntnis des Göttlichen nicht zu gelangen.

       4.

      Gar zweckmäßig aber teilten sich die Evangelisten in ihre Aufgabe. So führt der heilige Matthäus den Joseph ein, wie er vom Engel gemahnt wird, Maria nicht zu entlassen217; der Evangelist Lukas bezeugt an jener Stelle, daß sie keinen Umgang gepflogen haben; hier bekennt es Maria selbst in ihrer Frage an den Engel: „Wie wird das geschehen, da ich einen Mann nicht erkenne?"218 Aber auch der heilige Lukas seinerseits erklärt sie als Jungfrau mit den Worten: „Und der Name der Jungfrau war Maria". Und der Prophet sprach es aus, da er verkündete: „Sieh, die Jungfrau wird im Schoße empfangen"219. Und Joseph gab es deutlich zu verstehen, der sie, da er sie schwanger sah, ohne sie erkannt zu haben, entlassen wollte220. Und der Herr selbst, am Kreuze hängend, tat es kund, indem er die Mutter anredete: „Weib, sieh hier, dein Sohn", sodann den Jünger: „Sieh hier, deine Mutter"221. Auch diese beiden, Jünger und Mutter, bezeugten es; denn „von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich"222. Hätten sie Umgang gepflogen, würde doch Maria nimmermehr den eigenen Mann verlassen, noch der Mann, der „gerechte"223, zugelassen haben, daß sie von ihm scheide. Wie aber hätte der Herr die Scheidung anordnen können, nachdem gerade er den Grundsatz aufstellte, niemand dürfe sein Weib entlassen, außer wegen Ehebruches?224

       5.

      Eine