Ewige Jugend. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472927
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zurück. Es schien, als könne der den Blick gar nicht von seinem blitzsauberen Madel losreissen.

      „Wo soll’s dann hingehn?“ rief er noch zurück. „Auf’m Jauffen habt’s noch Schnee bis an die Knie!“

      „Ni nöt!“ lachte Sturmlechner freundlich zurück. „Grad’ zufrieden sind wir, wann’s bis in die Masulschlucht kommen!“

      „’Hüt’s Gott! — Da gehabt’s euch wohl!“

      Und weiter ging’s.

      „Hast dich wohl sehr erschrocken, Lobelia?“ fragte der Oberst und neigte sich vor, der Nichte in das immer noch heiss errötete Gesichtchen zu schauen. „Bös gemeint war es nicht, nun — und Publikum hatte das kleine Intermezzo ja auch nicht.“

      „Schade!“ zuckte Herr Alois lakonisch die Achseln.

      „Schade? Wollen Sie zum Spötterl werden?“

      „Im Gegenteil! Ich kenn’ viele, grausig viele Damen, die solch ein Abenteuer am liebsten vor ganz Obermais Augen erlebt haben möchten!“

      „Wie ist das zu verstehen?“

      „Nun, es ist eine wirklich sehr grosse und spontane Huldigung, die Ihnen akkurat gebracht ist, Gnädigste! — Wen die Löselbub’n als schönstes Dirndel auf offner Strassen hochschwenken, von der sprechen’s halt in der ganzen Stadt! — Früher, da kam’s schon öfters vor, da ist’s mehr ein Jux gewesen; aber seit etzlichen Jahren, da scheint es unter den Burschen ein ganz ernsthaftes Abkommen zu sein, nit jedem Fratz so eine Anbetung zu gönnen. Da sind’s gar wählerisch geworden. — Wollen auch ihr herrisches Ansehn haben!“

      „Ich habe nie zuvor davon gehört.“

      „Moderner Komment der Löselbub’n!“

      „Ich mein’ halt, ich kenn’ den Bub! Es muss der Vinzenz vom Brunnecker gewesen sein, wann ich net irrig bin!“

      „Also der Vinzenz vom Brunnecker schien doch die Antike studiert zu haben!“

      „Es wird ja immer hübscher. Antike! Nun werde ich schon völlig zum alten Eisen geworfen.“

      „Mag schon sein, Gnädigste, so wie die Frau Ninon de Lenclos, — die mit weissen Haaren noch den Enkelsohn närrisch machte!“

      „Warum nicht gleich die ‚Wala‘?“

      „Wala? Wen verstehen’s unter solcher Dam’?“

      „Nun, die Urmutter des Weltenalls, die Urewige, wie uns die alten Göttersagen des Nordens berichten!“

      „Jetzt wirst du arrogant, Lobelia! Solche Antike spreche ich dir denn doch nicht zu mit deinen zwanzig Jahren!“

      „Zwanzig Jahre? — Ich bitte dringend, mir nicht zwei mühsam abverdiente Jahre, genau genommen sogar zwei und ein halbes Jahr zu streichen!“

      „Richtig, Kind, ich vergass nachzuzählen! Die Zeiten vergehen so schnell! Aus kleinen Mädchen werden Leute — und Leute werden Bräute!“

      „Du weisst doch, Onkelchen, dass ich zum Verloben absolut noch keine Musse habe!“

      „Natürlich! Jetzt bist du ja noch mit deinem Pinsel verlobt!“

      „Ja du mei!“ schrie Herr Alois entsetzt. „Mit an’ Pinsel hat sich die Gnädige verlobt?“

      „Nichts für ungut, bester Sturmlechner, dieser minderwertige Liebhaber besteht aus Dachshaaren und Schweinsborsten. Mein Pflegetöchterchen hier ist Malerin, bester Herr, und so völlig der Kunst verschworen, dass bisher alle andern Interessen zurücktreten mussten.“

      „Na — dann schnauf’ ich wieder! Mit solchem Rivalen, den man noch beliebig aus der Hand werfen kann, nimmt es hoffentlich bald ein schneidiger Kavalier auf.“

      Lobelia lachte. „Ich bezweifle, dass es mit Erfolg geschieht.“

      Höher und höher steigen die drei Wanderer empor.

      Eine ganz andere Luft strich schon hier um die Stirnen.

      Von Zeit zu Zeit blieb das Trio stehn und schaute auf den Weg zurück.

      Welch ein Ausblick auf die Alpen, — welch ein Panorama, das sich im Tal drunten entrollte!

      Da jauchzt das Herz bei so viel Kraft, Gewalt und Schönheitswundern.

      Lobelia atmete tief auf.

      Sie war leichtfüssig vorangeeilt, die nächste Wegbiegung zu erreichen, die den Ifinger in neuen, grotesken Formen zeigte.

      Sie stand und schaute verklärten Blicks ringsum.

      Die Herren blieben nach schnellen Schritten an ihrer Seite. Verstohlen beobachteten sie das reizende Mädchen.

      Fräulein von Welten galt nicht nur für sehr hübsch, sie war es auch.

      Eine mittelgrosse Gestalt, schlank und doch von weicher, üppiger Fülle, eine vollendete schöne Figur — wie jeder Kenner zugeben musste —, stand sie inmitten des hellen Sonnenlichts wie die verkörperte Jugend und Schönheit. Das reizend Oval ihres Gesichtchens mit der sammetweichen Haut, so auffallend in frischen und doch zarten Farben, hatten Herrn Sturmlechner zuerst geradezu bezaubert, und wenn er dann gar in die grossen, weit offenen Augen von goldigem Braun schaute, die von dunkeln Brauen überwölbt und beinah schwarzen Wimpern beschattet wurden, so konnte er gar wohl den stürmischen Löselbuben begreifen, der solch herziges Madel im Triumph auf die Arme hob. Das Haar, in der Farbe der Augen, lag in duftigen Wellen um Stirn und Schläfen, ein Rahmen, wie ihn keine Menschenhand um ein Porträt legen kann.

      Klug und lebhaft war der Ausdruck des Gesichts, am anziehendsten, wenn das freundlich schelmische Lächeln die roten Lippen schürzte und die Zähne, gesund und weiss, dahinter blitzten. Wenn Herr Alois nicht immer noch mit allen Fasern seines Herzens seinem flachshaarigen Nannerl mit den blauen Vergissmeinnichtsguckerln nachgetrauert und nicht schon allzu graumeliertes Gelock gehabt hätte, so würde er sich fraglos bis über die Ohren in das reizende Fräulein Lobelia verliebt haben. —

      Und immer weiter führte der Weg in die köstliche Alpwildnis hinein.

      Die Umgegend war so recht nach dem Herzen einer Malerin!

      Schade, dass man sich nicht auf einen dieser dichtbemoosten Felssteine niedersetzen und sein Skizzenbuch zur Hand nehmen konnte.

      Jedes Bild ein Meisterstück!

      Diese wundervollen uralten Tannen, über deren Häupter gar viele Jahrhunderte schon hingezogen waren, breiteten die tief dunkelgrünen Nadelarme weit über Weg und Halde hinaus.

      Sonnenlichter stiegen flimmernd an den borkigen Stämmen empor, ein fast berauschender Duft strömte von den Latschen herab, und die ersten Fliegen, Käfer und Schmetterlinge blitzten wie kleine Geheimnisse, wohl geschaut, aber viel zu schnell, um erforscht zu werden, um das sprossende und knospende Grün.

      An den Südhängen war die Vegetation schon ziemlich vorgeschritten, während an den tief schattenden Nordseiten der Schnee noch in letzten schmalen Streifen lag.

      Von droben grüssen die majestätischen Häupter der Bergweltkaiser.

      Sie tragen urewige Kronen, und die Reiche der Welt liegen bezwungen zu ihren Füssen, weit hingestreckt, wie der Körper eines Besiegten.

      Droben in blauer Luft, am Saum des Himmels, zieht ein Adler seine stolzen Kreise.

      Man steht und schaut empor in die leuchtende Bläue.

      „Welch eine Staffage für diese wunderbar schöne Landschaft! — Hier sieht man erst, wie hoch und schlüftig die Alpen sind. Ist nicht dort in der breiten Rinne eine Lawine herniedergegangen? Man sieht am Rand der Schlucht noch die Eisblöcke lagern.“

      „Ganz recht! Wir haben die kleinen Schneerutsche viel in den Alptälern. Auch die Wasser reissen zur Schmelze ungeheure Mengen an Geröll und Gesperr mit in den Grund. Da schauens hier zur Seite die Prachttannen! Die grossen haben getrotzt, aber die kleinen