Berti wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte nicht zugeben, dass er lieber faul in der Sonne lag, als Ostereier zu bemalen. Das Weinen der Kinder wurde immer lauter: „Warum? Warum?“, schrien sie. Berti hielt sich die Ohren zu. Er wollte nur noch weglaufen, doch er konnte nicht. Seine Beine waren wie festgewachsen.
Erschrocken wachte Berti auf und schaute sich im Schlafsaal um. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. „Dem Himmel sei Dank, es war nur ein Traum“, stellte Berti erleichtert fest. Er legte sich wieder hin, doch er konnte nicht mehr einschlafen. Kaum schloss er seine Augen, sah er das Mädchen vor sich mit ihrem leeren Osternest. Ihr Blick war der traurigste Blick, den Berti je gesehen hatte. Das konnte er nicht ertragen. Berti wälzte sich hin und her. Schließlich stand er auf und schlich leise aus dem Schlafsaal.
Am nächsten Morgen ging es allen Hasen schon viel besser. Die Hausmedizin von Tante Hilde hatte wahre Wunder vollbracht. Noch etwas schwach auf ihren Beinen machten sich die Hasen auf zur Werkstatt. Als sie die Tür öffneten, blieben sie wie angewurzelt stehen. Die Hasen dachten, sie träumen. In der Ecke reihten sich, ordentlich aufgestapelt, Kisten mit vielen bunten Ostereiern. Nur noch zwei Schachteln mit weißen Eiern warteten darauf, bemalt zu werden. Zu ihrer Überraschung lag Berti auf dem Werkstatttisch und schlief. Er war von oben bis unten mit bunter Farbe bespritzt.
„Berti? Das kann doch nicht wahr sein. Hat etwa unser fauler Berti Ostereier bemalt?“, riefen die Hasen.
Berti blinzelte verschlafen auf seine Kameraden. „Ihr seid ja wieder gesund“, freute er sich.
„Ja, Tante Hildes Hausmedizin schmeckt zwar scheußlich, wirkt aber Wunder“, antworteten die Hasen. „Aber sag mal, warst du das? Wie hast du das bloß geschafft?“
Berti hopste vom Tisch und grinste stolz: „Ja, das war ich! Ich habe eine neue Maltechnik erfunden. Damit sind die Eier ruck zuck farbig und es macht viel mehr Spaß. Ich zeige es euch.“ Berti legte eine Reihe weiße Eier nebeneinander auf den Tisch. Dann nahm er den Pinsel, tauchte ihn in blaue Farbe, holte aus und spritzte mit Schwung die Farbe über die Eier. Genauso machte er es mit roter und gelber Farbe. So wurden aus den weißen Eiern im Nu bunt gesprenkelte Ostereier.
Die Hasen jubelten: „Das ist genial! Berti, du bist ja ein Genie. Wir müssen nur noch die letzten Eier bemalen und dann können wir die Ostereier verteilen. Das schaffen wir locker bis morgen.“
Plötzlich stand Tante Hilde in der Werkstatt und fragte staunend: „Was ist denn hier passiert?“
„Du wirst es nicht glauben, Tante Hilde, das alles hat unser fauler Berti gemacht. Er hat Ostern gerettet“, lobten die Hasen. Berti kratzte sich verlegen am Ohr. Sein Gesicht war ganz rot angelaufen.
Tante Hilde freute sich: „Na, da schau her. Nun ist aus unseren faulen Berti doch noch ein Osterhase geworden.“
Michaela Kapsalis, Garching/Alz, schreibt gerne Kurzgeschichten und Lyrik. Sie hat bereits in verschiedenen Anthologien veröffentlicht.
*
Ein Ostermorgen
Ich kleines blaues Glockenblümchen stehe hier vor einem Haus.
Eines Morgens, früh im Frühling, kommen viele Kinder raus.
Denn vor Kurzem hat ein Hase bunte Eier hier versteckt.
Ein kleiner kecker Hase
mit langem Ohr und zuckender Nase.
Tage zuvor hat er sich ins Zeug gelegt.
Eier bunt bemalt, mit Herzen und Sternchen,
und danach den Boden gefegt.
Davor war er bei den Hühnern im Stall.
Dort hat er die Eier her.
Denn die Hühner freuen sich über seinen Besuch immer sehr.
Nun seh’ ich, kleines Glockenblümchen,
Häschens Werk voll Freude zu.
Denn die Kinder finden vor dem Finden keine Ruh.
Zora, 14 Jahre aus Tübingen, Deutschland.
*
Die Versammlung der Osterhasen
A
Heute.
Nicht irgendwo, sondern in unserer Nähe! Das gibt es! Kein Zweifel! Wir Menschen wissen ja alle gar nicht so richtig, was es auf der Welt gibt. Vieles bekommen wir eh nicht mit, weil die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen eingeschränkt ist. Auf die Intelligenz eines Menschen sollte man sich auch nichts einbilden.
Jeder Einzelne lebt innerhalb von Grenzen, die selten oder gar nicht überschritten werden können. Er huldigt gern der Vorstellung von seiner Freiheit, aber oft bleibt es nur eine Vorstellung!
B
Vorabend des Karfreitag. Ostern stand vor der Tür! Das war die ureigenste Zeit für die Osterhasen in Deutschland. Sie versammelten sich alle hier, vor Ort!
„Nichts ist unmöglich, es kommt auch immer wieder dazu!“, riefen einige von ihnen. Sie hatten Schlappohren und hoppelten über das niedrige Gras, was vor Tagen noch gemäht worden war. Dies hier war ein öffentliches Gelände – bestens geeignet für Versammlungen. Beauftragte Menschen, normale Bürger, waren für die Pflege des Geländes zuständig. Sie waren zuverlässig. Ihnen konnten die Osterhasen jederzeit vertrauen – dafür wurden diese Bürger allerdings auch gut bezahlt. Eine begehrte Berufstätigkeit … in der Welt der Menschen zählte das Geld noch am meisten.
Darauf hatten sich die Osterhasen eingestellt. Eben dies war für sie am wichtigsten: sich auf die Menschen, ihre Bedeutung für die Welt, ständig neu einzustellen. Das geschah für die Augen und Ohren der meisten Menschen jedoch unauffällig – fast unsichtbar. Wenn es gesehen und gehört wurde, so wurde es nicht erkannt, zumindest falsch interpretiert. Die Menschen waren begrenzt!
C
Heute Abend hatten sich alle Osterhasen auf diesem wunderschön weitläufigen Wiesenplateau versammelt. Das Wetter war regnerisch. Es war aber nicht besonders kühl. Man würde sich wohlfühlen können. An zwei Imbissständen, die am Rande des Plateaus standen, konnte sich stärken, wer es wollte. Die Häuser der Bürger waren eher weit entfernt. Man sah hier nur ganz selten einmal einen Bürger spazieren. Der Coronavirus, das große Menschheitsproblem seit dem letzten Jahr, war allerdings nicht mehr ganz so präsent unter den Menschen.
Die Bürger hatten sich vom Plateau und den unmittelbar angrenzenden Flächen ringsherum schon vor Jahren verabschiedet, sodass sich die Osterhasen an den Osterfeiertagen frei fühlten, um zu tun, was unbedingt zu tun war. Sie trugen viel Verantwortung. Sie waren des Denkens fähig – und ihr Handeln war ohne innere Hemmungen. Denn sie wussten ja genau, warum sie hier waren und wo die erreichbaren Ziele lagen! Um es einmal abstrakt zu formulieren.
In der Tat, es ging um die Eier. Immer ging es um sie – für die Menschen in rauen Mengen. Die Eier hatte jeder der versammelten Osterhasen dabei. Die Körbe waren voll mit Eiern jeder Couleur. Viele waren gar kunstvoll bemalt worden. Einige trugen bunte Aufkleber mit Symbolen und Logos. Es war schön anzusehen. Die Osterhasen waren auf diese Eier sehr stolz, unterhielten sich angeregt über das Thema Verteilung und Verstecken der Ostereier im Rahmen der Osterfeiertage in Deutschland und Europa!. Jeder dieser besonderen Tiere, da allein für diese Feiertage ausgebildet und berufen, wusste viel zu diesem Thema, hatte alles dazu völlig verinnerlicht und sprach stets aus vollster Überzeugung. Es herrschte freie Meinungsäußerung.
Menschen waren Menschen. Osterhasen waren Osterhasen. Jede Art war für sich selbst interessant und wichtig, es gab zwischen ihnen aber offensichtliche Unterschiede.
Menschen bauten Häuser, arbeiteten meistens, hatten Familien und all das. Sie begründeten