Von Gottes Gnaden - Band I. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711469972
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einfach, aber sehr chic und modern, umschmiegte die graziösen Glieder, ein gesticktes Schürzchen schützte es vor etwaigen Flecken und die Frisur des blondlockigen Köpfchens zeigte, dass Fräulein Erika ihre Toilettenkünste an dem Geschmack der Grossstadt herangebildet.

      Dennoch lag über der ganzen Erscheinung des jungen Mädchens etwas durchaus Frisches, harmlos Natürliches; ihr Aussehen verriet weder Koketterie noch Eitelkeit, sie kleidete sich gut und elegant, weil es ihrem Schönheitssinn zuwider war, etwas Unschönes oder Geschmackloses im Spiegel zu sehen.

      Auf silberblitzendem Brett klirrten die Kaffeetassen in ihrer Hand und dieweil Liesing mit Kanne und Sahngiesser folgte, trällerte ihre junge Herrin, gleichsam als einladenden Zuruf für die Eltern: „Kaffeechen, Kaffeechen, du himmlischer Trank!“

      Des Obersten Gesicht verklärte sich. „Komm, Alte!“ nickte er und folgte dem Töchterchen in das Nebenzimmer, wo der Kaffeetisch, so sauber und appetitlich wie ein Stillleben im Goldrahmen, zum Niedersitzen einlud. Der grosse, selbstgebackene Kuchen, in dessen Mitte ein Strauss Immergrün prangte, war ein Meisterstück der Modder Dörten; das Spiritusflämmchen unter dem silbernen Theekessel züngelte in bläulichem Licht, und mild verschleiert schwebte die elegante Broncelampe über der kleinen Tafel, das sturmumbrauste Zimmer des Heidehauses ebenso festlich zu erleuchten, wie ehemals den Speisesaal in der Residenz.

      „Soll ich einschenken, Väterchen, oder warten wir auf Wigand?“

      „Einschenken, kleiner Affe. „Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss nehmen was übrig bleibt!“ Wo steckt denn der Monsieur mal wieder?!“

      „Er scheint in den Ställen aufgehalten zu sein!“ Die weissen Händchen füllten sehr gelassen die Tasse des Obersten und die Grübchen in den Wangen vertieften sich unter fröhlichem Lachen. „Ich hoffe wenigstens nicht, dass ihn der Sturm fortgeblasen oder dass er im Schnee stecken geblieben ist! Seine Stiefeln sind doch massiv genug, um beides zu verhindern!“

      „Was hast du nur immer mit seinen Stiefeln?“ ärgerte sich der alte Herr, „ein Landwirt kann doch bei seinen Promenaden durch Stall und Sturzacker keine welschhahnenledernen Stiefelettchen tragen wie du!“

      „Weiss ja, Väterchen, weiss ja! Die viereckigen Nägelungeheuer sehen nur so drollig aus, und geben dem guten Wigand eine ebenso absonderliche Façon wie seine Düffeljacke à la Onkel Bräsig!“

      „Albernheit! eine famose, praktische, dauerhafte Joppe! Schaffe mir auch so eine an.“

      Erika biss lachend in ihr Stück Kuchen. „Dann verklage ich dich, Papa! Die Aussicht auf zwei solche Exemplare würde eine Männerfeindin aus mir machen.“

      „Weiss der Teufel, wie ihr Frauenzimmer an so ein bisschen Kleiderplunder hängt! Den Rock, an dem guckt ihr euch die Augen blind, aber was darunter steckt, ist Nebensache!“

      „Hm ... beinahe hast du recht! Kleider machen Leute!“

      „Machen Fatzken und Gigerln!“

      „Machen Onkel Bräsigs und Kavaliere!“

      „Gelbschnabel!“

      „Schnäbelchen, wenn ich bitten darf.“

      „Jettchen, schämst du dich nicht deiner Erziehungsresultate?“

      „Das überlasse ich dir, Väterchen!“

      „Willst du etwa auch gegen den Wigand zu Felde ziehen?“

      „Auch? Kein Mensch steht in Waffen.“

      „Du spottest über den braven Kerl!“

      „Verlangst du etwa, dass ich für seine Stiefeln schwärmen soll?“

      Koltitz rührte etwas verlegen in seiner Tasse. — „Hm ... es wäre mir schon lieber.“

      Erika lehnte sich im Stuhl zurück und lachte schallend auf: „Mütterchen, was muss doch ein Mann für ungeheuerliche Vorstellungen von den Idealen eines Mägdleins haben!“

      „Albernes Ding! .. ich habe auch Commissstieweln schief gelaufen und verkörperte trotzdem das Ideal deiner Mutter! Aber das kam daher, weil sie ein vernünftiges Mädel war, weil sie nicht auf mein Rindsleder, sondern auf meine vorzüglichen Eigenschaften sah, weil sie nicht sitzen bleiben wollte und dachte: Wie er aussieht, ist Wurscht — ich angle mir meinen Fritze —“

      „Aber Maus, sei doch nicht so niedlich!“

      Erika lachte immer ausgelassener. „Heiliger Sissifax, die Sache wird immer hübscher! Nun soll ich wohl gar nach Wigand angeln?!“

      Jähe Stille. Das Ehepaar Koltitz wechselte einen hastigen Blick, der Oberst paffte ein paar kurze Dampfwolken und zog die Stirn in unheimliche Falten, Erika aber schnitt sich äusserst harmlos noch ein Stück Kuchen ab und fuhr ungeniert fort: „Na, Gott sei Dank, dass keine Menschenseele auf solch einen verrückten Gedanken kommt! Das ist das allerhübscheste an Ellerndörp, dass es keine Damenkaffees gibt, in welchen ganz unschuldige Menschen nolens volens zusammen verheiratet werden. Wigand ist ein lieber, braver Mensch, der beste und treuste Freund, den man haben kann, und seine schönste Eigenschaft ist die, dass er absolut kein Heiratskandidat ist. Wigand als Liebhaber ist eine unendlich komische Vorstellung. Kannst du dir diesen Mann von Stahl, Eisen, Rindsleder und Düffel wohl lyrisch denken, Mama?“ und sie prustete abermals laut auf vor Lachen.

      Gleicherzeit dröhnte ein mächtiges Bellen im Hausflur. „Marsch in die Küche, Wodan!“ befahl eine tiefe, sehr ruhige Männerstimme und dann stampften wuchtige Schritte herzu.

      „Guten Abend! Bitte sehr um Verzeihung, dass ich unpünktlich war, Freese kam aus der Stadt zurück und bat mich, sogleich abrechnen zu dürfen.“

      Lupus in fabula stand an der Thüre. Eine hohe, reckenhafte Gestalt, breitschultrig und massiv. Das Gesicht war nicht hübsch zu nennen, aber frisch, gesund und beseelt von zwei so grundehrlichen, treuherzigen Augen, dass sie an die eines Kindes gemahnt hätten, wenn sie nicht allzu ernst, beinahe resignirt in die Welt geschaut hätten.

      Die angefeindeten Stiefeln gaben dem Bein und Fuss allerdings ein auffallend klobiges Aussehen, ebenso ungeschickt wie die Jagdjoppe, welche ohne jede Spur von Eitelkeit, lediglich von ihrem Besitzer getragen wurde, weil sie billig, warm und bequem war. Ihr Schnitt war ungeschickt und verunstaltete die stattliche Figur des jungen Mannes, ebenso wie der blonde Vollbart etwas ungepflegt in den Tag hineinwuchs. Wigand hatte nicht viel Zeit für Toilette übrig. Allmorgendlich ein Bad in kaltem Wasser, dass das ganze Zimmer überschwemmt war, bildete den Hauptbestand seiner Körperpflege. Die Haare waren des kürzeren Verfahrens wegen geschoren und schnell mit der Bürste bearbeitet, und weil das Rasieren allzu lange aufhielt, liess der niemals unthätige Landmann den goldblonden Bart wachsen, wie es ihm just beliebte.

      Seltsamerweise legte Herr von Landen umsomehr Wert auf das Aussehen seiner schönen Hand und seiner Zähne. Er pflegte beide in einer Weise, welche gegen seine sonstige Gleichgültigkeit wider seinen äusseren Menschen um so greller abstach. Nie sah man ihn ohne Handschuhe im Freien, nie benutzte der sonst eifrige Raucher die landesübliche, von allen Landwirten sonst so geliebte Pfeife.

      Darum war seine Hand, trotz aller Arbeit und trotz alles persönlichen Zugreifens, weiss und tadellos bis zur Nagelspitze und seine Zähne so leuchtend weiss, dass der eitelste Indier ihn darum hätte beneiden können.

      Was aber besagten diese einzigen Vorzüge bei der sonst so wenig repräsentablen Erscheinung?

      Erika sah nur die rindsledernen Stiefeln und die ungeheuerliche Joppe mit den imitirten Hirschhornknöpfen, und weil sie absolut nach keinen Vorzügen an Wigands Erscheinung suchte, so übersah sie dieselben als etwas Selbstverständliches.

      In seiner ruhigen, etwas ungelenken Weise trat er zum Kaffeetisch und nahm Platz.

      Der Oberst hatte ihm mit schier zärtlichem Nicken die Hand entgegengestreckt: „Du weisst, mein braver Junge, dass der Dienst immer entschuldigt!“ und Erika lachte ihm fröhlich zu: „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!“ — schenkte ihm Kaffee ein und legte ihm den Kuchen vor. —

      Er