Bräutigam und Braut. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711472910
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In heutiger Zeit findet man wohl kaum ein Pendant zu ihm. Goldehrlich! So treu, so aufrichtig, so angstvoll bemüht, auch nie mit einem Gedanken von dem Pfad der Tugend zu weichen und seiner vergötterten Frau das Gelübde zu halten, welches er ihr getan. Das sind die Grundzüge seines Charakters. Nun hat er sich in den reizenden Humor seines schelmischen Weibchens bis über die Ohren verliebt. — Er weiss es selber, dass nichts eine solche zärtliche Gewalt über ihn hat wie die Fröhlichkeit. Seine Eliza ist für ihn der Inbegriff alles Entzückenden, und er bringt jeder andern Dame, welche es ihm durch ihre Heiterkeit antun könnte, das grösste Misstrauen entgegen. — Gerade Ihr ernstes Wesen hat bei ihm den Ausschlag gegeben, Sie an die Seite seiner Frau zu rufen. Er möchte sich nicht unnötig in Gefahr bringen und den Verkehr mit jedweder andern Dame so ungefährlich für sich und sein Glück gestalten wie möglich! Solche Ansichten sind so edel, dass man sie gar nicht genug bewundern kann! — Also jedes ernste, nicht witzige Wort von Ihnen ist für den wackern Eskenboom ein sanftes Ruhekissen! Das wird auch Ihnen lieb sein!“

      Kapitel 2

      Da Gerda die freundliche Einladung der Frau Konsul von Lehnsdorf angenommen, ein paar Tage bei ihnen auszuruhen, um auf Wunsch des so liebenswürdigen Eskenboomschen Ehepaars Haag kennen zu lernen, so harrten ihrer Genüsse, welche sie daheim sehr selten, fast nie kennen gelernt hatte. Nach der Oper sollte noch ein elegantes Restaurant besucht werden, was für das so sparsam gewöhnte alternde Mädchen ein ganz neuer, reizvoller Eindruck war. Die Anregung dazu hatte ein auf dem Konsulat viel verkehrender Grosskaufmann gegeben, welcher auch in der Loge den Platz neben Frau von Lehnsdorf eingenommen.

      Schon sein Äusseres verriet den Bonvivant und schien das Original, nach welchem verschiedene moderne Lustspieldichter so köstlich kopiert hatten.

      Friedrich Karl Rösing war ein kleiner, sehr beweglicher Herr, trotz seiner Wohlbeleibtheit voll nervösem Temperaments, sehr gern witzig, anspruchsvoll die Unterhaltung führend und sich als massgebend in derselben behauptend.

      Man musste ihm zuhören, zu rechter Zeit lachen oder empört sein über das, was just von dem Sprecher angestrebt ward, denn Widerspruch regte ihn auf, wirkte schädlich auf seinen Appetit und war ihm daher bei den Mahlzeiten ganz besonders verhasst.

      Er ass gern, sehr gut und recht viel und konnte sich zur Raserei erregen, wenn ein Tischgenosse eine Speise, welche er schätzte, gleichgültig oder gar widerwillig ass, — dieselbe zu verweigern, würde einen Riss selbst in die älteste und beste Freundschaft gemacht haben, welcher als Gegenleistung und Schadenersatz selbst durch indische Vogelnester und märchenhafte Kabinettweine nicht wieder gutzumachen war.

      In seinem Freundeskreis behauptete man daher, lediglich diese so stark entwickelte Eigenheit trage die Schuld an seiner Ehelosigkeit, denn noch hätte Herr Friedrich Karl Rösing trotz ungeheurer Anstrengungen seiner- und andererseits noch nicht diejenige gefunden, welche er voll Überzeugungstreue zum Altar führen konnte.

      „Um alles in der Welt, Kinder! keine so lustige, fidele, kleine Schraube, die einen Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen lässt! Fremde Witze sind mir niemals egal, denn in der Regel ärgert es mich, dass ich sie nicht gemacht habe, und wenn ich kribbeliger Kerl auch noch ununterbrochen angeregt werde, gehe ich vollends aus der Tüte! — Also Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Geld, Familie — Äusseres, Alter — das ist mir nun tatsächlich schnuppe, denn dies erachte ich für Nebensache, weil ich darin auch die Hauptsache repräsentieren möchte. Wo nun eine Frau finden, welche trotzdem meinem grossen Haushalt vorstehen und ihn voll guten Verständnisses repräsentieren kann?“

      Ja, da war guter Rat teuer, denn Herr Rösing war eine glänzende Partie, und wie Mückenschwärme wurden ihm die jungen Damen aus aller Herren Länder zur Brautschau zugeführt.

      Aber wer so viel begehrt ist, wird mit der Zeit misstrauisch, und kam nun eine Heiratsaspirantin, auf deren vorzügliche passende Eigenschaften er von vornherein aufmerksam gemacht wurde, so war dies verfehlt. — Lachte und scherzte sie, so wandte sich Friedrich Karl indigniert ab, und war sie grüblerisch, sinnend, jeder Zoll Tragödie oder Charakterrolle, so fuchtelte der Vielbegehrte nur mit hellem Gelächter beide Hände durch die Luft und wehrte jeden weiteren Ansturm mit der Versicherung ab: „Euch Gauner durchschaue ich! Nichts wie Bluff!! War wohl ein sauer Stück Arbeit, die allerliebsten Mädels auf den Mann zu dressieren?! Nee, nee, auf den Leim krieche ich nicht! Und ausserdem — alle viel zu hübsch! viel zu jung! — Geht mir zu sehr auf die Nerven! Besten Dank für weitere Bemühungen — ich wachse mich täglich mehr zum Erbonkel aus!!“

      Da musste man es eben dem guten Zufall anheimgeben, dem scharmanten Sonderling freizustellen, ob ihm das Glück auch einmal ein wattiertes Pantöffelchen in den Schoss warf!

      Heute nun hatte er in der Theaterloge neben Frau von Lehnsdorf gesessen um durch sein Monokel die neue Erscheinung Gerda in ihrem sehr schlichten dunkelblauen Reisekleid mit der wohl modernen, aber doch recht anspruchslosen Frisur anzustarren. So viel Resignation im Äusseren und Wesen hatte er lange nicht gesehen.

      Das wirkt verblüffend.

      „Wie heisst die Dame neben ihren, Gatten, gnädige Frau?“

      „Fräulein Gerda Freienfeld!“

      „Also schwarz-weiss-rot — obwohl sie blau aussieht?“

      „Stimmt; vom Scheitel bis zur Sohle deutsch.“

      „Hm. Eltern in Öl?“

      „Schämen Sie sich! — Halbwaise.“

      „Geld?“

      „Vakat. Gesellschafterin bei Eskenbooms.“

      „Alle Donner! — — Familie?“

      „Ausgezeichnet. Vater Rechnungsrat.“

      „So—so! Noch viel Anhang?“

      „Ach nein, sie steht wohl ganz allein im Leben, da die junge Stiefmutter den Platz im Hause für sich allein beansprucht.“

      „Also Frau Rechnungsrat!! Hat sie auch noch weitere Stiefkinder zu berechnen?“

      Selbstredend pruschtete die Frau Konsul vor Lachen über die drastischen Bemerkungen, was Herrn Rösing herzlich freute.

      „Nein, sie ist einzig in ihrer Art!“

      „Uff! Das wäre die erste! Sonst doch immer im Dutzend billiger!! Na — und ist sie immer so stillvergnügt wie heute?“

      „Ob vergnügt, weiss ich nicht, still allem Anschein nach sehr!“

      „Sie scheint sich königlich zu amüsieren! Hat glührote Wangen vor Entzücken über den Schnädderedeng da unten, — aber sie belästigt niemand damit! Neulich war ich Zeuge, wie so ein hysterischer Backfisch beinah den Veitstanz vor Fröhlichkeit bekam und den Vater jeden Bühnenwitz noch einmal extra in die Ohren krisch, dieweil sie der schwergeprüften Mutter die Ärmel dabei vom Leibe riss! — Grässlich! Ich sage Ihnen — grässlich! Ebenso nachher bei Tisch — das Kapitol mit sämtlichen Alarmgänsen muss die Insel der Vergessenheit dagegen gewesen sein!“

      „Sollten Sie nicht ein klein wenig übertreiben, bester Herr Rösing?“

      „I wo! Ich passte auf! Der kleine Lork sollte ja zur Attacke auf mich gehetzt werden! Übrigens — wie alt ist denn die Germania da neben Ihrem Gatten?“

      „Ich taxiere auf Mitte der Dreissiger!“

      „Also doch! Glaubte, sie sähe nur so ein bisschen verhungert aus.“

      „Das wird sich bei Eskenbooms wohl bald begeben!“

      „Will sie denn lange da im Haus bleiben? Man bloss nicht so ein Dauer- und Trauergelöbnis mit bindender Haft!“ — Herr Friedrich Karl hatte das Augenglas eifrig mit dem eleganten Battisttuch poliert, klemmte es wieder ein und starrte mit dem andern unbehinderten Auge ungeniert auf Gerda hin, welche ihn vollkommen ignorierte und in selig verklärter Ruhe die wonnigen Melodien auf sich wirken liess.

      „Ich finde, Musik macht hungrig!“ fuhr Rösing nachdenklich fort. „Mir ist’s, als haute mich der Kerl