Bräutigam und Braut. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711472910
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konnte sehr amüsant sein, aber manchmal ward seine Originalität doch etwas schrullenhaft, denn obwohl er bei der Taufe sah, dass alle Anverwandten dem kleinen Liebesgott zum mindesten einen silbernen Löffel in den Kinderwagen legten, — tat er gar nicht desgleichen, sondern schmunzelte nur die Anwesenden an mit der wohl gut gemeinten, aber doch etwas allzu sparsamen Versicherung: „Ich schenke dem Schlingel meine Freundschaft, legt sie ihm man auf Zinsen!! Geld spielt bei mir ja gar keine Rolle — denn ich habe keins.“

      „Schade, schade!“ ironisierte der Rechnungsrat. „Meine kleine Frau überlegt meist erst nach Torschluss! Wenn sie schlau gewesen wäre, hätte sie sich für ihren Amor den Paten auch aus der Mythologie holen sollen, — am besten den leistungsfähigen Pluto als Inhaber aller Stammaktien von Gold-, Silber- und Kohlenbergwerken!!“ — Da lachten alle hell auf, nur der Hauptmann lächelte.

      — — — Wieder sass Gerda in ihrem Stübchen am Schreibtisch und schloss einen Brief. — Ihres Bleibens war nicht länger in ihrem Vaterhause.

      Das Benehmen ihrer Stiefmutter ward von Tag zu Tag beleidigender, und es war nicht das erstemal, als sie ihr heute morgen als Antwort auf die Frage: ob Gerda Mutter und Kind noch nach dem Stadtgarten begleiten solle? — die satirische Bemerkung gab: „Amadeus ist noch zu klein — und ich bin schon zu gross für eine Gouvernante!“ —

      Auch der Rechnungsrat schien von ihr beeinflusst, dass es doch unerträglich für eine selbständige Frau sei, Tag und Nacht beobachtet und gegängelt zu werden, was solch alte Jungfer wie sein Fräulein Tochter wohl als Berufsnotwendigkeit auf dem Seminar mit gelernt habe? — Die Zeit war um. — Gerda musste der neuen Herrin im Hause Platz machen.

      Der Zufall spielte ihr eine Zeitungsannonce in die Hand.

      Eine Holländerin, nahe beim Haag auf dem Lande lebend, geborene Deutsche, suche liebenswürdige, junge Dame aus nur bester Familie zur Gesellschafterin mit Salär. Antritt der sehr angenehmen, familiären Stellung am liebsten sofort.

      Welch ein Glück, wenn sie solch ein anscheinend glänzendes Unterkommen finden könnte.

      Soll sie ihre Photographie mitschicken? Ist das vorteilhaft? — Sie hat so wenig Äusseres, sieht auf allen Bildern so elend und vergrämt aus. Eine Gesellschafterin soll lachen, fröhlich sein! Alle Ängste und Sorgen verscheuchen, nicht aber ihre Stempel auf dem Antlitz ins Haus tragen!

      Und doch! — Es ist so viel ehrlicher, wenn sie sich selber, ihr Äusseres, ihr Wesen und Charakter vorher decouvriert, damit die Leute nicht den Hasen im Sack kaufen. Sie schreibt einen kurzen, sachlichen Brief, legt seufzend ihr Bild ein und trägt das Schreiben, welches für sie ein Spiel um die Zukunft bedeutet, selber zur Post.

      Tage qualvollen Harrens vergehen. Die Zeit scheint stillzustehn, wenn man jede Sekunde zählt.

      Endlich kommt ein dicker Brief, auf steifes, elegantes Büttenpapier mit sehr grossen, etwas eckigen Buchstaben geschrieben. Es ist schon ein gutes Zeichen, wenn überhaupt eine Antwort kommt.

      Und Gerda liest.

      „Mein liebes Fräulein. — Das freut mich und meine Frau, dass Sie kommen wollen. Sie scheinen älter zu sein, nehmen das Leben, wie es ist. — Ernst, sehr ernst. — So kann man sich verstehen ohne grosses Larifari, was nur die Grossstadt hat; — hier auf dem platten Land sind wir alle von unserm Herrgott auf Vorposten gestellt, — jeder tut seine Pflicht. — Auf einliegendem Papier schrieb meine treue Hausfrau Eliza noch Näheres über Gehalt und Beschäftigung von Ihnen, — ist alles nicht schwer. Nur guter, braver Wille. So schreiben Sie, wann Sie abreisen wollen, — deutscher Konsul im Haag ist unser Wohlbekannter, da wenden Sie sich zuerst hin. So grüsse Sie Gott. Wir warten wohl nicht lang. Mit Respekt vermeldet sich

      Willem van de Eskenboom.

      Gerda liest voll atemloser Erregung. Sie faltet die Hände, blickt empor zum Himmel und dankt Gott.

      Droben leuchtet die Sonne.

      Als Fräulein Freienfeld abreist, ist eigentlich niemand da, von dem sie Abschied nehmen kann, oder der ihr noch einen letzten Gruss nachwinkt.

      Ihre Stiefmutter ist mit dem Kleinen ausgefahren, das Wetter schien ihr unbestimmt, sie musste den günstigen Augenblick benutzen.

      Von dem Kind hätte sie gern noch einen letzten lachenden Blick zur Erinnerung mitgenommen. Amadeus war der einzige, welcher sie freundlich ansah, nach ihrer Hand haschte und sich daran festhielt. Aber die Mutter war eifersüchtig.

      „Es ist nicht praktisch, wenn er sich so sehr an dich gewöhnt, — er muss ja auch später mit mir allein fertig werden!“

      So nahm sie ihr bescheidenes Gepäck und trug es sich selber zur Droschke hinab.

      Ein paar Leute, welche obere Etagen und das Hinterhaus bewohnten, kamen und gingen, schauten gleichgültig über sie hin und schlugen die Haustür schmetternd ins Schloss.

      Da schien es ihr, als wäre sie auf ewige Zeiten für eine Verwaiste geschlossen.

      Was liess sie in der Heimat zurück? — Scherben.

      Zertrümmertes Hoffen, zerschelltes Glück. Ein Jugendtraum ging wohl noch mit ihr, ein bleiches, tränenbetautes Blümlein, in kurzer Ballnacht erblüht, ein kleines Weilchen unter Qual und Herzweh gehegt und gepflegt, bis das Schicksal mit knöcherner Hand die welkenden Myrten von dem Zweig schlug und nur das Bild eines schlanken, eleganten, jungen Offiziers wie aus weiter Ferne ein Lebewohl zu ihr herüberwinkte.

      Dazwischen aber lag ein Grab, — dahinein hatte sie ihre Jugend und Liebe gelegt.

      Nun bahnte sie sich einen neuen Weg; in die Fremde.

      Wird er rauh und steinig sein? Stürmisch und voller Dornen?

      Sie weiss es nicht.

      Wenn er nur nicht so kalt, so lieblos-einsam ist wie derjenige, welchen sie seit Kindesbeinen an wandeln musste, — wenn diesmal wenigstens eine einzige dauernde Blume darauf blühen möchte — diejenige der Vergessenheit.

      „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt!“

      Wie oft hatte sie dieses schöne Zitat von Menschen sagen hören, welche nach genussreichen Reisen oder „Fahrten ins Blaue“ voll köstlicher Erinnerungen und Eindrücke heimkehrten und dem blassen Hausmütterchen Gerda gar nicht genug erzählen konnten, wie schön es da draussen in Wald und Feld oder in den eleganten Sommerfrischen, Grossstädten und auf Sportplätzen sei! — Und nun sass sie selber in der Eisenbahn und sauste vorüber an neuen Wundern, welche wie im Kaleidoskop an ihr vorüberwirbelten. — Zum erstenmal hatte sie keine Sorgen, denn Herr van de Eskenboom hatte ihr im Namen seiner Frau ein sehr generöses Reisegeld geschickt, welches ihr, der so sparsam Beanlagten, sogar ermöglichte, ein paar notwendige Anschaffungen in Wäsche und Kleidung zu machen.

      So war ihr schon das Bittere erspart geblieben, den Eltern noch Kosten zu verursachen, und hätte ihr das etwas missgünstige Forschen der jungen Stiefmutter nicht die Freude vergällt, so wären schon die Vorbereitungen für die Reise ein seltener Genuss für sie gewesen.

      Aber die Stiefmama hatte seit kurzer Zeit ersichtlich schlechte Laune, versicherte ihrem Gatten in recht taktloser Weise, das Geschrei eines kleinen Kindes bei Tag und Nacht sei wahrlich kein Vergnügen, und wenn Gerda ginge, müsste sie unbedingt eine Bonne für den Kleinen haben!

      Ja, sie seufzte ein paarmal recht rücksichtslos auf, dass es doch eine Torheit sei, sich so früh zu binden, und dass sie besser getan hätte, auch erst mal ins Ausland zu gehn, um zu erleben und zu geniessen, sich in moderner Freiheit auszuleben!

      Wenn geheiratet werde, — dann nur eine reiche glänzende Partie, alles andere sei ja doch nur Misere in der Potenz, der leidige Katzenjammer nach kurzer Verblendung!

      Der Rechnungsrat hörte gelassen zu, zuckte ein wenig ironisch die Achseln und sagte nur zum Schluss: „Ganz meine Ansicht, liebes Kind, — und ich hätte doch durch meine Studentenzeit, wo man allerhand Damen kennen lernt, gewarnt sein müssen!“

      Das nahm Geheimrats Töchterlein nun vollends übel, und es deuchte