Vae Victis - Band II. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448267
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Offenbarung ansah — dies war Graf Nicodemo.

      Ein syrischer Wolf! —

      Eine jener kometenartigen Erscheinungen, von denen niemand recht weiss, woher sie kommen und wohin sie gehen — von denen man dies und jenes Geheimnisvolle munkelt, wie der Goldstreif, welcher hinter ihnen herrauscht, erworben ist, wie dies oder jenes Kapitel aus ihrem Vorleben so dunkel ist — wie sensible Seelen bei dem Anblick der langen, schmalen Hände mit den wohlgepflegten Krallennägeln den Atem so ängstlich anhalten, als fühlten sie diese Hände plötzlich würgend an ihrem Halse. —

      Wo seine Familie herstammte?

      Man wusste es nicht und fragte nicht danach.

      Wo sein Wohnsitz war? — Ob er überhaupt ein home hatte oder nur ruhelos die Welt auf seinem wundervollen Auto durchraste? —

      „Nie sollst du mich befragen!“ stand es voll drohender Abwehr in den finsteren Augen.

      Ein syrischer Wolf!

      Die Wüste ist so gross, es versteckt sich so viel Raubzeug darin — wer spürt ihm nach!

      Den Hof machte Graf Nicodemo nicht.

      Er beugte den erzenen Nacken vor keinem Weib, auch vor dem schönsten nicht.

      Er befahl, und sie lag zu seinen Füssen und gehorchte. — Wie eine zwingende, unheimliche Gewalt lag es in seinem Blick, und wehe der verwöhnten, kleinen Mädchenhand, welche in koketter Laune mit diesem wilden Feuer spielen will — es verzehrt sie selbst.

      Man erzählt sich, dass der Graf den vergangenen Winter in Kairo verlebte.

      Eine sehr hübsche, anspruchsvolle Dollarprinzessin, die Witwe eines Amerikaners, kaprizierte sich darauf, den „syrischen Wolf“ zu zähmen und ihn mit den Rosenketten der Liebe zu binden!

      Und dieweil sie sich einbildete, den Stolzen mit tausend feinen Maschen der Koketterie zu umstricken, war sie es selber, die sich unrettbar in diesen Fädchen fing, die selber in wahnwitziger, unheimlicher Leidenschaft erglühte, so dass sie das Leben ohne ihn nicht mehr ertrug.

      An dem Morgen, wo der Unbesiegbare mit seinem regungslosen Bronzegesicht unverlobt abgereist war, hatte sich die arme Missis in ihrem Zimmer vergiftet, und ein kleiner, festverschlossener Koffer, an welchem sie noch die Adresse des Grafen befestigt, brachte diesem ihren letzten Abschiedsgruss — all ihren immens wertvollen Schmuck und ein grosses Kapital, welches sie bereits flüssig gemacht hatte, um eine Herrschaft mit herrlichem Schloss in der Nähe von Paris zu kaufen. Dort wollte die verblendete Frau die Flitterwochen mit dem geliebten Mann verleben, wie sie selber einer Freundin anvertraut.

      Aber der Unbesiegbare schied, ohne sie erhört zu haben, und die verschmähte Millionärin rächte sich dafür so edel, wie es ihrer grossen Liebe würdig war — sie schenkte ihm als Andenken den Besitz, woselbst sie in seinen Armen ein seliges Liebesglück erträumen wollte. —

      Wie interessant solch ein Sieg über Weiberherzen doch einen Mann macht!

      Ellinor war begeistert.

      „Ich verstehe, dass sie ihn liebte — dass sie ihn aber so ohne weiteren Kampf freigab, begreife ich nicht!“ rief sie sehr lebhaft; „der Tropfen höhlt den Stein, und wenn es ein Weib nur richtig anfängt, so muss sie schliesslich den Sieg behalten und den Begehrten dennoch zu ihren Füssen sehen!“

      Bonaventura hatte es längst aufgegeben, seiner Gemahlin auch nur im geringsten zu widersprechen! — Warum das? Er liebte keine bissigen Bemerkungen und fand es viel zu gleichgültig, wie und was die Baronin Völkern gut fand und behauptete!

      So nickte er auch jetzt nur und beschränkte sich, im höflichen Konversationston hinzuzufügen: „Die Damen sind so grundverschieden beanlagt! Ich hörte, dass reifere Frauen wie fasziniert von dem eigenartigen Mann sind, junge, kindlich reine Mädchen aber seine Nähe meistens fliehen, wie das Küchlein den Habicht!“

      „Damit urteilst du selbst über die naiven Gänschen, welche sich instinktiv vor einer Gefahr fürchten, welche die betörende Eigenart dieses Mannes für ihre keusche Jungfräulichkeit bildet! — Ich für meine Person kenne keinen höheren Genuss, als mit diesem geistvollsten aller Männer zu plaudern!“

      Auch jetzt, als man auf der Terrasse sass und den Mokka schlürfte, wartete Ellinor voll fast nervöser Unruhe auf den Grafen, welcher einen Jagdausflug von mehreren Tagen machte und heute abend zurückkehren wollte. Als er ging, hatte er ihr nicht, wie sie es von allen gewöhnt war, galant die Hand geküsst, sondern sie nur mit dem scharfen, blitzenden Blick angeschaut.

      „Sie fürchten für mich, Baronin?“ lachte er, indem er nur die Lippe ein wenig über die grellen Zähne emporzog, „ich habe schon manchem Raubtier furchtlos gegenübergestanden!“

      „Und es stets besiegt?“

      „Stets. Mit der Waffe und der Faust.“ Er zog mit geschmeidiger Bewegung das lange Dolchmesser, welches sich an dem Jagdgurt schaukelte, aus der Scheide und hob den sehnigen Arm. — Er schien aus Eisen.

      „Auf diese gute Klinge vertraue ich oft noch mehr, als auf die Büchse — sie liess mich noch nie im Stich und trank sich oft satt an königlichem Blut!“

      „Königlichem Blut?!“

      Seine Zähne schienen zu phosphoreszieren: „Warum erschrecken Sie? Ist der Löwe nicht der Tiere König?“ —

      „Gewiss, gewiss .. und wenn es auch nicht nur einer Wüstenmajestät gegolten ... je nun .. wir verstehen uns ja!“

      Welch wunderlicher Ausdruck in seinen harten, grausamen Zügen. „Ja, wir verstehen uns. Alles und jedes ist für uns ein Feind und jagdbares Wild, was sich uns entgegenstellt und es auf den Kampf ankommen lässt, wer da ducken soll! —“ Er stiess den Dolch in die Scheide zurück und reichte ihr die Hand. „Leben Sie wohl, Baronin! Ich bedarf Ihrer Wünsche nicht; — es gilt stets das Recht des Stärkeren, und ich glaube, der werde ich immer sein — auch auf dem Gebiet, wo sonst das Weib seine Triumphe über den Mann feiert!“ — — Er drückte ihre mageren, schmalen Finger, dass sie vor Schmerz hätte aufschreien mögen — und ging, ohne sich nur einmal umzuwenden, nach dem Nildampfer hinab, auf welchem seine, meist eingeborene, Dienerschaft ihn erwartete. Ja, sein Händedruck tat weh — er war ein rüder Gruss für solch ein verwöhntes Händchen; aber Ellinor fühlte, wie ihr Herz in heissem Entzücken tobte.

      Der Riese, der gewaltige, unbeugsame stolze Übermensch, vor welchem alles — auch sie in den Staub muss! —

      Endlich! — Endlich hat sie ihn gefunden!

      Nun sitzt sie auf der Terrasse und erwartet ihn voll fiebrischer Ungeduld.

      Je tiefer die Schatten sinken, je voller und zauberhafter der Mond aufsteigt und alle elektrischen Flammen glühen, desto erregter wird sie und desto unliebenswürdiger zeigt sie sich gegen ihre Umgebung.

      Rolf-Valerian ist vor acht Tagen eingetroffen; selbstredend lernte er Graf Cassarate auch kennen.

      Mit seinen langsam müden Schritten kam er aus dem Hotel und liess sich leise ächzend neben Ellinor in einen Sessel niederfallen.

      Ein schneller Blick huschte nach Bonaventura hinüber, welcher an der Brüstung stand und auf das Leben und Treiben des Nils herniederschaute.

      „Hör mal, Schwesterchen —“ flüsterte Herr von Heym, sich näher neigend, „ich habe eine Bitte!“

      Ellinor rührte sich nicht.

      „Was soll’s?“ —

      „Ich habe gestern abend mit Nicodemo Cassarate in einem Kreise exquisiter Lebemänner gezecht. Es ging etwas wüst her — natürlich wurde auch gespielt.“

      „Natürlich?“

      „Natürlich; wie hätte dieses Laster bei so vielen andern fehlen dürfen? — Ich habe mich verausgabt.“

      „Hm ... persönliches Pech. Freut mich für Cassarate.“

      „Kannst du mir aushelfen?“