Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Chefarzt Dr. Norden Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975135
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und Marita waren wieder allein. Um das verlegene Schweigen zu brechen, hielt er die Tüte mit den Croissants hoch, die er vorhin im Café ›Schöne Aussichten‹ erstanden hatte.

      »Es war wohl etwas gedankenlos, mich auf ein Frühstück bei Ihnen einzuladen.«

      »Ja … also … Ich meine … Ich hatte doch erzählt, dass ich eine neue Küche bekomme.« Noch immer kämpfte Marita mit sich. Doch schließlich siegte ihr gesundes Selbstbewusstsein. Sie atmete einmal tief durch, warf die hennaroten Haare in den Nacken und streckte Matthias die Hand hin.

      »Ich bin Marita. Komm rein. In fünf Minuten bin ich ein neuer Mensch«, versprach sie. »Aber du darfst nicht erschrecken. Hier sieht es aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte.«

      Die halbe Nacht hatte Matthias über Fee Nordens Worte nachgedacht und beschlossen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Doch schon als Marita die Tür geöffnet hatte, war ihm klar geworden, welch furchtbaren Fehler er gemacht hatte. Dieses Gefühl wurde noch schlimmer, als er sich in der kleinen Wohnung umsah. Abgesehen von dem Chaos wusste er sofort, dass ihn sein erster Eindruck nicht getäuscht hatte. Marita und er lebten auf zwei verschiedenen Sternen.

      »Lass mich raten!« Die Stimme hinter ihm ließ ihn herumfahren.

      Marita trug jetzt einen bunten Blumenpullover zu einer engen Jeans. Um den Hals hatte sie eine Menge Ketten gehängt und ein Tuch in die roten Haare geschlungen. An ihren Ohren baumelten lange Ohrringe. Matthias hätte nicht zu sagen vermocht, ob sie vorher schlimmer ausgesehen hatte. Zum Glück überstrahlte ihr herzliches Lächeln alles andere.

      »Du fühlst dich gerade, als wärst du mit deiner Raumsonde auf einem falschen Stern gelandet.« Ihre Offenheit war entwaffnend.

      »Bist du mir böse, wenn das stimmt?«

      »Nein, mein Guter. Mir geht es genauso. Hier in meiner Wohnung wirkst du wie ein Marsmensch. Klein und grün und schleimig.«

      Matthias kniff die Augen zusammen. »So schlimm?«

      »Ja! So schlimm.« Sie winkte ihn mit sich und führte ihn durch das Chaos hinüber zum Tisch, wo sich zwischen Geschirr, Töpfen und Lebensmitteln der Wasserkocher versteckte. Sie stellte ihn an, löffelte Kaffeepulver in zwei Tassen und wartete, bis das Wasser kochte. »Warum hast du es dir überhaupt anders überlegt?«, fragte sie, als sie in schönster Eintracht auf zwei umgedrehten Wäschekörben saßen, den heißen Kaffee schlürften und die Croissants aßen.

      Matthias dachte kurz nach.

      »Ich habe einer Freundin von dir erzählt, und sie hat mich oberflächlich genannt. Das will ich auf keinen Fall sein«, erzählte er dann bereitwillig. Sie hatten einander schon genug vorgegaukelt. Jetzt war es an der Zeit, ehrlich zu sein.

      Ohne ihn aus den Augen zu lassen, nippte Marita an ihrem Kaffee.

      »Allein für diesen Satz könnte ich mich in dich verlieben«, seufzte sie. »Aber vermutlich würde es nur für ein Strohfeuer reichen. Und das haben wir beide nicht verdient.«

      »Dann täuscht mich mein Bauchgefühl also nicht?« Matthias steckte das letzte Stück Croissant in den Mund und leerte seine Tasse.

      »Nein.« Entschieden schüttelte Marita den Kopf, dass die Ohrringe leise klimperten. »Du kannst ihm ruhig vertrauen, deinem Bauch.«

      Matthias stand auf. Es wurde Zeit, sich zu verabschieden. Marita brachte ihn zur Tür. Dort angekommen stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn spontan auf die Wange.

      »Du bist echt ein netter Kerl!«

      Schon wieder dieses Wort! Schlagartig wurde seine Miene düster.

      »Warum sagt ihr Frauen so was? Kerl! In meinen Ohren klingt das wie ein Schimpfwort. Ich nenne dich doch auch nicht ›Tussi‹«, entrüstete er sich.

      Einen Moment lang starrte Marita ihn fassungslos an. Dann brach sie in haltloses Lachen aus.

      »Das männliche Pendant zu ›Tussi‹ ist ›Macker‹. Wenn ich einen Mann ›Kerl‹ nenne, dann ist das ein Kompliment.«

      Sofort musste Matthias an Sandra Neubeck denken. Vor Schreck schnappte er nach Luft. »Sehen das andere Frauen auch so?«

      »Ich denke schon.«

      Schritte und Stimmen hallten im Treppenflur. Die Handwerker kehrten zurück. Frank Maschke bog um die Ecke. Beim Anblick von Marita blieb er wie elektrisiert stehen. Wie gebannt starrte sie zurück.

      Matthias sah von einem zum anderen. »Ich glaube, ich gehe jetzt«, erklärte er.

      Marita konnte kaum den Blick von Frank lösen. Die offene Bewunderung in seinem Gesicht war überwältigend.

      »Ich schreib dir!«, versprach sie Matthias und öffnete weit die Tür, um ihn hinaus und die Handwerker hereinzulassen.

      Matthias dagegen konnte es kaum erwarten, in die Klinik zu fahren. Auf eine Art hatte Felicitas Norden doch recht behalten: Er warf die Flinte vorschnell ins Korn. Nun galt es, das Missverständnis so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Er konnte nur hoffen, dass es noch nicht zu spät dazu war.

      *

      Bevor Dr. Daniel Norden an diesem Morgen zu seinem Patienten ging, begleitete er seine Frau auf die Kinderstation. Auch Fees erste Sorge galt dem transplantierten Jungen.

      »Wie geht es Leo Quadt?«, erkundigte sie sich bei Schwester Kathrin, die die Nachtschicht übernommen hatte. »Gab es Probleme?«

      »Er hat geschlafen wie ein Engel«, lautete die erleichternde Antwort. »Keine Anzeichen einer Abstoßungsreaktion, kein Hinweis auf eine Infektion. Heute früh war er kurz wach, aber jetzt schläft er wieder.«

      Damit war Fee zufrieden.

      »Gesundschlafen ist das Beste, was er tun kann.«

      »Ach, übrigens … Die Mutter ist schon sehr früh heute Morgen gekommen. Sie möchte mit Ihnen sprechen.«

      »Natürlich.« Fee wandte sich an Daniel. »Die Arbeit ruft. Du hast es selbst gehört.« Mit einem Kuss verabschiedete sie sich von ihrem Mann, um sich im nächsten Moment ganz auf die neuen Herausforderungen zu konzentrieren.

      Daniel tat es ihr nach und machte sich auf den Weg zu Bertram Quadt. Seine Frau Nicole war bei ihm. Sie saß am Bett und hielt seine Hand. Als er eintrat, wollte sie aufstehen. Doch Daniel bedeutete ihr, sitzen zu bleiben.

      »Sie sehen ja schon wieder recht munter aus«, wandte er sich an Bertram.

      Der lag in seinem Bett und hatte das Kopfteil ein wenig hochgestellt.

      »Kein Wunder bei der guten Pflege.« Bertram Quadt drückte die Hand seiner Frau.

      »Haben Sie Schmerzen?«

      »Heute Nacht war es irgendwann ziemlich übel«, gestand Bertram und sah Dr. Norden dabei zu, wie er nach seinem Handgelenk griff. Die Augen auf die Armbanduhr gerichtet, zählte Daniel den Puls. Bertram wartete geduldig, bis er fertig war. »Zum Glück hat mir die Schwester ein anständiges Schmerzmittel gegeben. Seitdem ist es besser.«

      Daniel notierte den Wert im Krankenblatt und nickte bedauernd.

      »Es ist leider völlig normal, dass im Bereich des Operationsgebietes und der Nähte recht starke Schmerzen auftreten. Die verschwinden allerdings im Zuge des Heilungsprozesses«, erklärte er, um seinen Patienten zu beruhigen. »In fünf bis sieben Tagen sind Sie wieder so weit hergestellt, dass Sie die Klinik verlassen dürfen.«

      Doch Bertram brannte ein ganz anderes Anliegen auf der Seele.

      »Ich halte alles aus, wenn nur Leo wieder gesund wird«, gestand er und maß den Klinikchef mit forschendem Blick. Auch Nicoles Augen klebten förmlich an dem Klinikchef.

      »Die Zeichen stehen gut.« Daniel freute sich über das Strahlen in den Augen seines Patienten. Einen kleinen Wermutstropfen gab es jedoch. »Leider dürfen Sie ihn im Augenblick noch nicht sehen. In den kommenden zwei Tagen müssen Sie strikte Bettruhe einhalten.«