»Nanu, du siehst ja so zufrieden aus«, sagte er ihm auf den Kopf zu.
»Ich habe auch allen Grund dazu.« Matthias dachte nicht daran, ein Geheimnis aus seinen Neuigkeiten zu machen. »Sarina Staller hat sich für meine Therapie entschieden. Ich habe ihr vor etwas mehr als einer Stunde die erste Injektion verabreicht.«
Daniel zog eine Augenbraue hoch.
»War das nicht ein bisschen vorschnell?«
»Warum denn? Es war ihr eigener Wunsch. Worauf sollte ich noch warten?«
»Nun gut.« Daniel Norden sah auf die Uhr. In einer halben Stunde stand ein weiterer Termin an, auf den er sich noch vorbereiten wollte. »Hauptsache, Danny ist informiert.« Er machte Anstalten, weiterzugehen, als Matthias Weigand ihm folgte.
»Ehrlich gesagt hatte ich noch keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Das kann ich ja später auch noch machen, wenn ich erste Erfolge vorweisen kann.«
Daniel Norden dachte kurz nach, beschloss dann aber, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Vielleicht hatte Weigand recht, und es war wichtiger, zunächst die Patientin zu behandeln.
»Dann halte mich bitte auf dem Laufenden«, bat er den jungen Kollegen und machte sich endgültig auf den Weg in sein Büro.
Matthias Weigand sah ihm erleichtert nach. Er war guter Dinge, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Daniel dagegen änderte seinen Plan und bog bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ab, um sich selbst von Sarina Stallers Zustand zu überzeugen. Als er vor der Tür stand, hörte er Stimmen. Wurde er Zeuge eines Streits?
Er wollte schon umkehren, beschloss dann aber, doch zu klopfen. Schlagartig verstummten die Stimmen. Angespannte Mienen empfingen ihn.
»Hallo, Frau Saller«, begrüßte er die Patientin, ehe er dem jungen Mann an ihrem Bett die Hand reichte. »Dr. Daniel Norden«, stellte er sich vor.
»Jannis Peters.« Jannis schlug ein.
Um ein Haar hätte Daniel vor Schmerz aufgeschrien.
»Alle Achtung, Sie haben ja einen saftigen Händedruck.« Er hielt sich das Handgelenk und spreizte die schmerzenden Finger.
Jannis lachte, und Sarina sah ihn verliebt an.
»Jannis kommt gerade aus dem Fitness-Studio. Da ist er immer ein bisschen grob.«
»Tut mir leid. Ich vergesse öfter mal, wie viel Kraft ich habe.«
»Schon gut.« Lächelnd wandte sich Daniel an Sarina. »Ich will nicht lange stören. Wie fühlen Sie sich nach der ersten Injektion?«
»Sehr gut.« Zum Beweis schlug sie die Bettdecke zurück und hob ein Bein nach dem anderen. Auch wenn es nur wenige Zentimeter waren, freute sie sich sichtlich. »Sehen Sie selbst! Das wäre vor ein paar Stunden noch undenkbar gewesen.« Sie legte die Beine zurück und deckte sich wieder zu. »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich viel früher in die Klinik gekommen.«
Doch Daniel Norden gemahnte zur Vorsicht. Er griff nach den Unterlagen und studierte sie eingehend.
»Nicht, dass ich den Erfolg kleinreden will. Aber es könnte auch sein, dass Sie noch unter dem Einfluss von Schmerzmitteln stehen.« Er legte das Krankenblatt zurück. »Ein so schneller Erfolg wäre mehr als ungewöhnlich. Deshalb schlage ich vor, dass wir zunächst die Nacht abwarten. Wenn Sie sich dann immer noch so gut fühlen, spricht nichts dagegen, die Therapie fortzusetzen.« Er nickte dem Paar zu, ehe er sich verabschiedete und sich diesmal ohne Umwege in sein Büro begab.
Die Tür hatte sich kaum hinter dem Arzt geschlossen, als auch Jannis Anstalten machte, nach Hause zu gehen. Sarina bemerkte es und sah ihn aus großen Augen an.
»Du willst schon gehen?«
Er schulterte die Sporttasche und beugte sich über sie, um sie zu küssen.
»Ich komme direkt vom Sport und muss jetzt unbedingt unter die Dusche.«
»Apropos Sport!« Diese Bemerkung erinnerte Sarina an die Diskussion, die Dr. Norden unterbrochen hatte. »Warst du jetzt mit Jochen trainieren oder nicht?«
Abrupt richtete sich Jannis auf und verdrehte die Augen.
»Muss ich vorher um Erlaubnis fragen, wenn ich mit einem Freund trainieren gehe?«
»Jochen ist der größte Weiberheld in der ganzen Stadt. Das hast du selbst gesagt.«
»Ja und? Soweit ich weiß, bin ich kein Mädchen«, witzelte Jannis.
Vor Zorn wäre Sarina am liebsten aus dem Bett gesprungen.
»Warum nimmst du mich eigentlich nie ernst?«, fauchte sie.
»Weil das lächerlich ist.« Allmählich verging auch dem Sportler das Lachen wieder. »Deine ständige Eifersucht macht mich echt krank.«
»Ach ja? Ich habe eher das Gefühl, dass du froh bist, dass ich hier in der Klinik bin.« Sie atmete heftig und fasste sich an die Brust. »Dann kannst du endlich machen, was du willst«, fuhr sie trotzdem fort.
»Hör endlich auf, dich und mich verrückt zu machen!«
»Ach, so ist das?« Die Schmerzen wurden immer heftiger. Sarina bekam kaum mehr Luft. Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Doch dieses Thema war wichtiger als alles andere. »Ich mache dich verrückt? Oder eher die Mädchen, die dir scharenweise nachsteigen?«
»O Mann! Ich kann’s nicht mehr hören!« Wütend wandte sich Jannis ab und stürmte zur Tür.
Sarina dagegen krümmte sich im Bett zusammen. Ihr Schmerzensschrei ließ ihn innehalten. Ihr Anblick erschreckte ihn so sehr, dass ihm die Sporttasche aus der Hand fiel. Achtlos ließ er sie liegen und kehrte zum Bett zurück.
»Ganz ruhig. Hab keine Angst«, redete er auf sie ein. »Ich hole einen Arzt.«
Doch das war nicht nötig. Sarinas Schreie hatten schon die Schwester alarmiert, die an diesem späten Nachmittag Dienst hatte. Mit wenigen Schritten war sie am Krankenbett und streichelte ihr über die kalte Stirn.
»Dr. Weigand ist jeden Augenblick bei Ihnen«, versprach sie. Mehr konnte sie in diesem Moment nicht für Sarina Staller tun.
*
Das Treffen mit Dr. Daniel Norden hatte das schlechte Gewissen in Matthias Weigand geweckt. Danny Norden war einer seiner Freunde. Diese Freundschaft wollte er nicht wegen einer Meinungsverschiedenheit aufs Spiel setzen.
Danny dagegen dachte in diesem Augenblick weder an Sarina Staller noch an seinen Ärger in der Klinik. Er saß vielmehr am Schreibtisch und wartete gespannt darauf, dass Wendy ihn endlich rufen würde. Sein Magen knurrte laut, als wollte er sich ebenfalls zu Wort melden.
»Den ganzen Tag habe ich auf die Torte gewartet. Wenn ich daran denke, dass Wendy und Janine darüber hergefallen sind, während ich hungern musste …« Noch immer konnte Danny nur den Kopf schütteln über diese Ungeheuerlichkeit. Er hätte niemals zugegeben, dass er sie nur allzu gut verstand, ja, sogar Sympathie für diese kleine Schwäche hegte. Um Tatjanas Köstlichkeiten zu widerstehen, musste man entweder Kostverächter oder der Gleichmut in Person sein. Er war keines von beidem. Und es erleichterte ihn, dass seine Assistentinnen genauso menschlich waren wie er.
In seine Überlegungen hinein klingelte das Telefon. Als er Matthias‘ Stimme hörte, verwandelte sich sein Hunger schlagartig in Ärger.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er kühl und lehnte sich zurück.
»Mensch, Danny, jetzt hab dich mal nicht so!«, eröffnete Dr. Weigand das Gespräch offensiv. »Es tut mir ja leid, wie das alles gelaufen ist. Aber es war ganz bestimmt nicht böse gemeint. Ich habe einfach nicht daran gedacht, mich vorher mit dir abzusprechen. Sarina ist in die Klinik gekommen, war verzweifelt und hatte Angst vor einer OP. Da kam mir die Idee mit der Biointervention. Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie gleich deine Kompetenz in Frage stellt.«
»In