„Ich bin das Christkind“, erklärte das Mädchen und Lena traute sich nicht, sich zu bewegen.
„Es ... es tut mir leid, dass ich nicht im Bett liegen geblieben bin“, stotterte Lena.
„Du hättest nicht ins Wohnzimmer gehen dürfen, das ist richtig. Aber nun ist es so und wir müssen das Beste daraus machen.“ Das Christkind lächelte sie an. „Weißt du, Lena, es ist gut, dass Kinder neugierig sind. So entdecken sie allerhand neue Dinge und machen ihre eigenen Erfahrungen. Aber es gibt eben auch Dinge, die Kinder nichts angehen. Deshalb solltest du in Zukunft auf deine Eltern hören.“
Lena nickte heftig mit dem Kopf. „Das verspreche ich und ich erzähle auch niemandem, dass ich euch gesehen habe.“
„Aber kannst du mir auch versprechen, dass unser heutiges Treffen eine Ausnahme bleibt?“
„Ja, ich bleibe jetzt immer im Bett liegen.“
„Das ist schön“, sagte das Christkind. „Und was das Lügen angeht: Es ist ehrenhaft, dass du meinem kleinen Engel helfen wolltest. Aber Lügen ist keine schöne Angewohnheit und kann schnell für viel Ärger sorgen.“
„Es tut mir leid.“
„Lass dir die heutige Nacht eine Lektion gewesen sein und bleib weiterhin brav und ehrlich.“
„Das werde ich.“
„Ich wünsche dir ein schönes Weihnachtsfest, Lena.“
Lena lächelte, drehte sich um und lief durch den dunklen Flur zurück in ihr Zimmer. Als sie an ihrem Zimmer angekommen war und zurücksah, war das Licht im Wohnzimmer erloschen. Schnell ging sie ins Bett und kuschelte sich in ihre Decke, da war sie auch schon eingeschlafen.
Christina Emmerling wurde 1992 in Würzburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Neben Kurzgeschichten schreibt sie Fantasyromane und arbeitet derzeit an einer Trilogie. Ihre erste Kurzgeschichte wurde 2013 in einer Anthologie veröffentlicht.
*
Winterwonderland
Das ist jetzt nicht der Elfenernst. Die Weihnachtspoststation ist überfüllt mit Weihnachtswünschen von Kindern. Einige Elfen haben wohl ihren Job vergessen. Hier sieht es einsam und verlassen aus. Aber Arbeit wäre da. Alles nur wegen der blöden Elfen-WM. Ich finde es nicht okay. Dem Weihnachtsmann ist es offensichtlich egal. Tja, und jetzt haben wir das Problem, weil sich keiner hier um irgendetwas kümmert. So wie es aussieht, bin ich der Einzige, der den Heiligen Abend retten will, damit Kinder schöne Weihnachten haben. Ich heiße Billy und bin ein Weihnachtself. Ich muss das Fest retten.
Im Postraum hat sich einiges gestapelt. Hier herrscht völliges Chaos. Postelf Emil hat wohl vergessen, dass er hier gebraucht wird. Als Kapitän des Icehockey-Teams hat er natürlich gerade jetzt sehr viel zu tun. Die Poststation ist nicht unser einziges Problem, das wir haben, denn die Rentiere sind die Taxis. Ich habe keine Ahnung, ob der Weihnachtsmann es weiß, aber es kann sein, dass er keine Schlittentiere zum Heiligen Abend hat, denn die sind ja ausgebucht.
Ich muss also Weihnachten retten und mache mich auf dem Weg zum Santa. Irgendjemand muss mit ihm reden. Schließlich bin ich hier ja der Oberelf. Lilli, die Weihnachtsmannhauselfin, kommt mir entgegen. Ich frag sie gleich, ob der Weihnachtsmann gerade Zeit hat.
Sie antwortet mir: „Nein, der hat gerade sehr viel zu tun.“
Mist. Was soll ich jetzt machen? Da fällt mir etwas ein. Hatte nicht erst jüngst der Osterhase unsere Elfen ausgeliehen, weil er mega Stress vor Ostern hatte und seine Hasen mit dem Bemalen der Ostereier total überfordert waren? Denn das Osterfest fand schon im März statt. Die Weihnachtselfen halfen im Easterrabbitland aus. Also finde ich es nur fair, wenn uns die Osterhasen auch helfen. Schließlich ist Weihnachten genauso wichtig wie Ostern. Das werde ich ihm so erklären.
Ich nehme auch schon ein Fluggerät und flieg ins Easterrabbitland. Hoffentlich ist der Osterhasenchef wach, sonst habe ich ein Problem. Zur Not muss ich mir irgendetwas anderes einfallen lassen.
Ich steh nun vor dem Büro des Osterhasen. Ein Zettel hängt an der Türe:
Bin, nur in dringenden Fällen erreichbar.
Dein Osterhase.
Hm, okay. Weihnachten zu retten, ist für mich dringend. Also klingle ich auch schon an der Tür.
Der Osterhasenchef ist nicht begeistert, als er mich sieht. „Ist was passiert?“, will er nun von mir wissen.
„Nein, ich bin nur so hier. Weihnachten ist in Gefahr“, sag ich zu ihm.
Der Osterhase runzelt seine Löffel und meint: „Ach, du meinst, ich soll dir meine Hasen leihen?“
„Äh, ja, das wollt ich eigentlich fragen.“
Er könne mir schon seine Hasen leihen, aber er müsse zuerst in seinem Kalender nachsehen, wann nächstes Jahr Ostern ist, erklärt er mir.
Ostern ist, wie du ja weißt, liebe Leseratte, nicht immer am selben Tag. Das ist der feine und große Unterschied zwischen Ostern und Weihnachten. Weihnachten findet immer am 24. und am 25. Dezember statt, das wird sich nie ändern.
Jetzt kommt der Osterhase zurück und sagt: „Ja ich kann dir die Hasen leihen, aber die müssen Anfang Februar, nein, um genauer zu sein, ich möchte, dass sie Ende Jänner wieder da sind. Das heißt einsatzfähig am 1. Februar. Wehe dir, es ist nicht so.“
Da hat der Osterhase schon Angst um Ostern. Versteh ich das richtig? Er trommelt schließlich doch all seine Hasen zusammen und drei Stunden später hoppeln schon 100 Hasen zu mir. Das sind die Osterhasenlehrlinge und die kommen jetzt mit mir mit.
Back im Winterwonderland. Das Erste, was ich höre, ist: „Brr mir ist kalt, ich mag wieder ins Easterrabbitland. Weil es hier im Winterwonderland beim Weihnachtsmann so schrecklich ist.“
Lilli, die Weihnachtsmannhauselfin, kommt zu mir und schreit: „Sag mal, bist du wahnsinnig. Du kannst doch nicht so einfach die Hasen herholen, die erfrieren uns ja noch. Du Schlauberger, Billy.“ Lilli ist wirklich wütend.
Da kommt auch schon der Weihnachtsmann, der fragt mich genau dasselbe. Meine Antwort ist: „Ja, hätte ich die Hasen nicht geholt, würde es dank der Elfen-WM blöd aussehen mit Weihnachten. Ich sag nur: Überfüllung der Poststation.“
Der Weihnachtsmann schreit: „Emil, komm sofort her.“
Es dauert eine Weile, bis er kommt. „Ja, Weihnachtsmann, was gibt es?“
„Wo sind deine Postelfen? Warum ist keiner in der Poststation? Warum liegen so viele ungelesene Briefe in der Poststation?“, will der Weihnachtsmann nun wissen.
Und Emil sagt: „Weil wir eben alle bei der Elfen-WM eingeteilt sind.“
Lilli hat auch schon eine Lösung. „Billy hat bestimmt die Hasen nicht umsonst hierhergeholt, ich finde, die sollen sich in der Poststation umsehen und in der Spielzeugwerkstatt arbeiten und an Robotern bauen, dann ist ihnen nicht kalt, weil sie ja in der Wärme sind. Und Weihnachten ist gerettet.“
Das sei ein guter Vorschlag von Lilli, findet der Weihnachtsmann. Wir haben noch zehn Tage Zeit bis Weihnachten. Das ist nicht mehr lange. Aber warum Roboter gebaut werden sollen, das versteht keiner. Hm, vielleicht hat es was mit den Rentieren zu tun? Die wahrscheinlich nicht einsatzfähig sind am Heiligabend.
„Roboter bauen? Für was genau?“, will ich jetzt wissen.
„Na, nur in dem Fall, dass die Rentiere keine Zeit an Heiligabend haben“, antwortet mir Lilli.
Der Hase Lumpo hat dafür schon eine andere Idee. „Wir könnten ja den Schlitten des Weihnachtsmanns etwas umbauen, dann braucht man keine Rentiere.“ Das ist auch eine gute Idee.