Der Generaldirektor überlegte angestrengt: »Dr. Ott, mein persönlicher Referent.«
»Beide verläßlich?« fragte ich.
»Fräulein Hübner ist schon seit einundzwanzig Jahren bei uns«, erwiderte der Generaldirektor gereizt.
»Und Dr. Ott?«
»Ein erster Mann«, entgegnete Frommleben. »Ich habe ihn selbst von der Universität geholt. Sein einziges Laster ist der Ehrgeiz.« Überzeugt setzte er hinzu: »Für beide würde ich meine Hände ins Feuer legen.«
Es war zum Glück nur eine Redensart; der ferwag-Chairman hätte sich die gepflegten Hände gerantiert verbrannt. Ich schaltete das Radio etwas leiser und entnahm meiner Aktentasche ein Mini-Tonbandgerät. Ich hatte es etwas ungenau zurückgespult, aber deutlich sagte eine blecherne Stimme: » … direktor will sich heute mit ihm in Verbindung setzen … Heute vormittag noch.«
Ich brauchte Frommleben nur anzusehen: Zuerst drohten die Augen aus seinem Kopf zu quellen, dabei stieg sichtbar sein Blutdruck.
»Aber das ist doch … das ist …«
»Ihr famoser Herr Dr. Ott«, erwiderte ich: »Vermute ich richtig?«
Er schwieg betroffen.
»Trau schau wem«, setzte ich hinzu.
Dann sprach ich mit dem ersten Mann des Misch-Konzerns ab, wie wir die Laus im eigenen Pelz imschädlich machen könnten.
Wir bauten eine erstklassige Falle auf. Geld spielte keine Rolle. Ich schöpfte aus dem vollen. Zugleich setzte Kriminalkommissar Niebler, nach Überwindung ersten Mißtrauens, seine besten Leute auf Dr. Heinrich Ott an. Schon bald wußten wir, daß der Ungetreue außer seinem Ehrgeiz doch ein zweites Laster hatte: Es hieß Leila, war 27 Jahre alt, Tochter eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter, im Libanon aufgewachsen.
Überraschend trommelte Frommleben die Herren seines Vorstandes zusammen. Außer den leitenden ferwag-Direktoren waren nur sein persönlicher Referent und ich anwesend.
»Meine Herren«, begann der Gastgeber, »zunächst einmal darf ich Ihnen Herrn Fabian vorstellen, den ich für uns verpflichten konnte. Er ist ein bekannter Experte in der Abwehr von Industriespionage. Und ich bitte Sie alle, ihn nach Kräften zu unterstützen.«
Ich verbeugte mich knapp.
Der Spitzenmanager fuhr fort: »Wir wollen keine Zeit verlieren. Wir werden jetzt sofort die SL-Verträge mit den Engländern, Italienern und Franzosen unter Dach und Fach bringen. Um kein Aufsehen zu erregen: in Rom. Ich brauche nicht zu betonen, daß Ort und Termin streng vertraulich sind.« Der Industrieboß war ein besserer Schauspieler, als ich es erwartet hatte.
Dr. Heinrich Ott saß mit ausdruckslosem Gesicht in der Runde. Er brauchte Geld, viel Geld für die anspruchsvolle Leila. Und so würde er die Geheiminformationen unverzüglich verraten und unsere Gegenspieler im Dunkel würden alles auf eine Karte setzen, um die SL-Pläne in letzter Sekunde noch in die Hand zu bekommen.
Dabei bot ich mich als Zielscheibe an.
Vorsorglich hatte ich sämtliche Plätze des LH-Fluges 121 Köln-Rom aufgekauft. Wer an diesem Tag mit der Maschine von Köln nach Rom fliegen wollte, kam unweigerlich auf die Warteliste, und diese Namen sah ich mir natürlich genau an.
Die meisten Interessenten wichen auf einen anderen Flug aus. Nur ein Bewerber blieb hartnäkkig: Aldo Färber. Er bot dem Angestellten eines Reisebüros für drei Tickets zunächst 100, später 300 Mark Trinkgeld.
Dem Manne konnte geholfen werden – und wir wußten nunmehr, daß unsere Gegenspieler ihren Anschlag auf die ferwag-Erfindung während des Flugs inszenieren würden. Vermutlich sollte nach berüchtigtem Beispiel die Maschine auf eine Wüstenpiste im Nahen Orient entführt werden.
Die Polizei war alarmiert, interpol eingeschaltet. Mein Plan rollte exakt, bis auf eine Einschränkung: Generaldirektor Frommleben ließ sich nicht vom Mitfliegen abhalten. Schließlich gab ich nach, denn dadurch saß auch Dr. Ott gleich in der Falle.
Es war ein prächtiger Tag, zumindest meteorologisch. Eine Schönwetter-Brücke wölbte sich von Nord nach Süd.
Ich hatte, unauffällig, jedoch schwer bewacht, falsche SL-Pläne bei der Bank abgeholt und war auf dem Weg zum Flughafen Köln-Wahn absichtlich Umwege gefahren.
Auf meine Veranlassung wurde unser Gepäck sorgfältig geröntgt. Auch wenn Färber und Dr. Ott nicht danach aussahen, könnten sich Fanatiker doch mit uns in die Luft sprengen. Vor anderen Waffen, die sie vermutlich mit ihrem Handgepäck einschmuggelten, hatten wir keine Angst.
Als ersten sah ich Kriminalkommissar Niebler. Ihn erwartete der erste Flug seines Lebens, und Angst stand in seinem Gesicht. Eine unfreiwillige Tarnung? Ihm folgte ein ganzer Pulk sorgfältig ausgewählter Kriminalbeamter, ausnahmslos Freiwillige.
Die erste Überraschung erlebte ich an der Landetreppe: Sie war angenehm, rotblond, und hieß Miriam.
Es war Zufall, daß uns die befreundete Stewardeß während des Fluges begleitete, und man soll Zufälle feiern, wie sie fallen – wenn ich das auch erst nach der Arbeit, in Rom vorhatte.
Sorgfältig abgeschirmt stieg der Generaldirektor, begleitet von Sekretärin und persönlichem Referenten, in den bauchigen Rumpf der 737. Dr. Ott hatte keine Farbe im Gesicht. Er war zerstreut. Seine Augen stahlen sich immer wieder zu einem Liebespaar, das nicht von der Polizei gestellt worden war. Unschwer zu erraten, daß das rassige Mädchen, eng an einen großen stämmigen Burschen mit bräunlicher Hautfarbe gelehnt, Leila sein mußte.
Schaukelnd rollte der Riesenvogel über die Piste und wartete auf die Starterlaubnis aus dem Flugturm. Wir legten die Anschnallgurte um und ließen uns von Miriam Zeitungen und Bonbons anbieten.
»Bist du privat oder dienstlich unterwegs?« fragte sie mich.
»Privat, natürlich«, antwortete ich.
»Das trifft sich gut«, versetzte die Bordfee lächelnd. »Ich habe in Rom einen freien Tag.«
»Gekauft«, erwiderte ich lachend.
Wir drückten die Zigaretten aus. Dann donnerte die Boeing über die Piste und bohrte ihre Schnauze in den Himmel. Ich saß Schulter an Schulter mit Leila. Unauffällige Regie von beiden Seiten.
Sie turtelte mit ihrem Begleiter.
Die Kriminalbeamten lasen Zeitung.
Dr. Heinrich Ott ging auf die Toilette, aber sie war versperrt, denn hier hielt sich während des ganzen Fluges ein Kriminalbeamter versteckt.
Wir hatten den Überfall ein dutzendmal im Sandkasten geprobt. Nichts konnte schiefgehen – falls er stattfand.
Das kriminelle Kleeblatt ließ sich jedenfalls Zeit. Wir überflogen den Alpenkamm. Die Sonne vergoldete die Grate und Zacken.
Ich nahm Miriam beiseite.
»Ich muß dir etwas gestehen«, begann ich vorsichtig.
»Liebst du mich?« fragte sie.
»Das auch«, antwortete ich. »Aber ich bin doch nicht so privat hier, wie du denkst.«
»Das habe ich auch nicht anders erwartet«, erwiderte sie mißtrauisch und setzte hinzu: »Aber bei unserer Verabredung in Rom bleibt es doch?«
»Ganz bestimmt«, versprach ich, »vorausgesetzt, daß du mir einen Wunsch erfüllst, ohne viel zu fragen.«
»Bitte!«
»Sag deinem Captain, daß er die nächsten zwanzig Minuten die Cockpittür von innen verriegeln soll.«
»Warum das? Erwartest du einen …«
»Genau das«, unterbrach ich Miriam. »Aber das soll unter uns bleiben. Sei unbesorgt, die Passagiere sind fast alles Kriminalbeamte.«
Sie