»Fürchtet ihr den bösen Mann?« erwiderte sie, und ich sah ihr nach, als sie mit lässigen Schritten auf das Taxi zuging.
Kurze Zeit später kam die nächste Überraschung: Ein Kriminalbeamter, der öfter mit mir zusammengearbeitet hatte, teilte mir mit, daß mein Telefon von einem gewissen Färber angezapft worden sei.
»Kennen Sie den Mann?« fragte er.
»Nein.«
»Wir stellen gerade fest, wer er ist«, entgegnete der Beamte.
Ich hatte eine Vorahnung, daß diesmal nicht der Fall auf mich, sondern ich auf den nächsten Fall zukommen würde …
II
Eigentlich ging mich die Sache nichts an, aber wie immer stellte mir die Neugier ein Bein, und so stolperte ich bereitwillig in meinen nächsten Fall. Abenteuer ist mein täglich Brot, aber selbst in meiner Branche war diese Geschichte einmalig.
Die Polizei lieferte mir frei Haus einen Täter, aber ich wußte nicht, welches Delikt er plante. Irgendwo gab es eine Firma, die mich dringend brauchte, aber ihr Hilferuf mußte versickert sein.
Ich war meinen Gegenspielern vom Start weg um einen Zug voraus und tappte dabei noch völlig im dunkeln.
»Färber heißt der Mann, der Ihr Telefon angezapft hat«, sagte Kriminalkommissar Niebler und setzte in seinem typischen Telegrammstil hinzu: »Also Färber, achtundzwanzig, gelernter Elektrotechniker, arbeitet nicht. Hat aber Geld. Jedenfalls gibt er an wie drei Hochstapler zusammen.« Der Kriminalbeamte war untersetzt, korpulent. Man sah ihm die Wendigkeit nicht an, die sein Handwerkszeug war.
»Und wie haben Sie diesen Burschen so schnell gefunden?« fragte ich.
»Na ja«, gestand er mit einer Spur Widerwillen. »Eigentlich durch einen Zufall. Ein Postbeamter hatte ein schlechtes Gewissen und vertraute sich seinem Abteilungsleiter an – der Rest war reine Routine.«
Also Färber hatte sich in einer Kneipe mit einem Bauarbeiter der Bundespost angefreundet und ihn überredet – angeblich einer Wette wegen –, ihm kurzfristig Uniform und Dienstwagen zu überlassen. Meine neue Haushälterin – sie war noch nicht eingearbeitet – hatte ihn für einen Beamten des Störungsdienstes gehalten und bereitwillig in mein Haus am Starnberger See eingelassen. So einfach sind mitunter Dinge, die man sich nicht erklären kann.
»Weitere Informationen über diesen Färber?« fragte ich.
»Soviel Sie wollen«, erwiderte Niebler. »Der Mann war früher in der Entwicklungshilfe tätig.«
»Wo?«
»Irgendwo im Nahen Osten. Nähere Einzelheiten folgen. Dann lebte er eine Weile in Frankfurt. Vor einer Woche ist er nach München gezogen, hält sich in einer Schwabinger Pension auf, lebt von Frauen oder von Verbrechen. Oder von beidem.« Der Kommissar entnahm seiner Brieftasche ein Foto, reichte es mir. Er hatte überlange Arme, so daß seine Hände wie verkümmert wirkten. Aber dieser Eindruck war trügerisch. Der Mann war gewohnt, beidhändig zuzugreifen.
Das Foto zeigte ein hübsches leeres Gesicht, leicht blasiert und schon ein wenig verlebt.
»Sein Revier ist das Dachschwimmbad im Hotel Bayerischer Hof«, fuhr der Beamte fort. »Da finden Sie ihn fast jeden Nachmittag. Mädchen sind ihm lieber als Frauen, aber er nimmt, was er bekommt. Liebt feines Essen. Trägt Maßanzüge und ist passionierter Pfeifenraucher.« Niebler steckte das Foto wieder ein. »Sie können sich vorstellen, daß ich mir diesen Burschen gern vorknöpfen würde. Aber wie ich Sie kenne, stellen Sie wieder keinen Strafantrag.«
»So ist es«, erwiderte ich.
»Aber der Mann wollte doch schließlich nicht nur Ihr Liebesleben belauschen«, entgegnete Niebler gereizt.
»Liebesleben ist gut«, antwortete ich, »aber Weihnachten ist öfter.«
Wir hatten schon oft und nicht erfolglos zusammengearbeitet, wiewohl seine Prinzipien mit meinen Praktiken haderten.
Färbers sportive Nachmittagsbeschäftigung war eine erstklassige Gelegenheit, ihn unauffällig kennenzulernen. Vielleicht sollte auch ich einmal wieder schwimmen, ohne dabei baden zu gehen.
Er vollbrachte gerade einen mustergültigen Kopfsprung – ich erkannte ihn sofort; er war der Typ, der auf alles flog, was sich bewegte. Hübsche Badenixen führten ihre Reize vor, und die Herren in den Jahren, die man die besten nennt, weil die besseren vorbei sind, zogen den Bauch ein und sahen verdrossen zu Aldo Färber, der ihnen den Flirt stahl.
Vielleicht hatte man diesem Kopfspringer auch mein Foto gezeigt, deshalb wollte ich mich nicht über Gebühr sehen lassen, aber Färber hatte nur Augen für die Mädchen, und das zu Recht:
Ein Rudel gut gewachsener Nixen lächelte und plätscherte, zeigte viel Haut und wenig schlechte Laune. Kein Wunder, daß nicht nur das Wasser hohe Wellen schlug.
Ich versteckte meinen Kopf hinter einer Zeitung und merkte, daß die Bikini-Mädchen meine Gedanken durcheinanderbrachten, weil sie mich an Versäumnisse erinnerten.
Natürlich hatte ich gelegentlich einen Anlauf in das Privatleben unternommen, doch fast immer versperrte mir ein neuer Fall den Reiseweg. Von einem Drei-Wochen-Urlaub auf den Bermudas konnte ich allenfalls träumen wie ein Lottospieler vom Hauptgewinn.
Einen Auftrag hatte ich gerade mit Glück und Erfolg erledigt, einen zweiten als zu undurchsichtig abgelehnt. Ein dritter war geplatzt, bevor ich mich überhaupt mit ihm befassen konnte: Ein kleines, aber erstklassiges Kamerawerk hatte eine neue Kunststoff-Linse erfunden, ein Weltpatent beantragt und alles auf diese Trumpfkarte gesetzt.
Bevor das Patent noch erteilt werden konnte, war die Erfindung, wie auch immer, in falsche Hände gekommen, und Kameras mit Kunststofflinsen aus Billigst-Ländern überschwemmten den Markt.
Das Kamerawerk war in den Konkurs gegangen, sein Inhaber hatte sich erschossen – und auf einmal haderte ich nicht mehr mit einem Beruf, der mir keine Zeit ließ, die Honorare, die er mir reichlich schenkte, auch auszugeben.
Aldo Färber stieg aus dem Bassin, schüttelte sich und schlüpfte in einen flauschigen Bademantel. Er ging auf seinen Platz zu und griff sich aus einem hübschen Etui eine Tabakspfeife – und auf einmal wußte ich, wie ich ihm Gleiches mit Gleichem vergelten konnte.
Er hatte seine Pfeifensammlung in einem prächtigen Futteral untergebracht, weiches Leder, innen gefüttert, offensichtlich sein ständiger Begleiter, wie auch Status-Symbol.
Ich wartete, bis der Mann wieder mit den Mädchen schäkerte. Dann schob ich mich unauffällig auf seinen Platz vor.
Mit ein paar Handgriffen hatte ich ein Mini-Mikrofon – letzter Schrei aus Japan, bezogen über Amerika – in seiner Pfeifentasche eingebaut. Dieser fast unsichtbare Spion, eine sogenannte Wanze, war nicht ungefährlich: Wenn man ihn im Privatleben verwendete, würde es bald kein Privatleben mehr geben – aber ich hatte keine Bedenken, etwas Verbotenes zu tun, schließlich war es auch nicht erlaubt gewesen, in mein Haus einzudringen, um eine Abhörvorrichtung an meinem Telefon zu installieren.
Gerade wollte ich mich wieder unauffällig wegschieben, als ich mit Namen angerufen wurde.
»Tag, Mike« lächelte mir eine rotblonde Attraktion zu. »Das ist eine Überraschung!«
»Weiß Gott«, erwiderte ich, hakte Miriam unter, zog sie weg und erinnerte mich, daß ich mich in einem Vertragshotel mehrerer Luftfahrtlinien befand.
»Wir haben uns ja mindestens zwei Monate nicht gesehen«, begrüßte ich die Stewardeß.
»Zweieinhalb«, verbesserte sie. »Spendierst du mir einen Drink?«
Wir zogen uns an und gingen an die Bar. Miriam kehrte in Rekordzeit zurück. Ich will nicht behaupten, daß sie angezogen noch hübscher war, aber jedenfalls konnte sie sich auch in Kleidern sehen lassen, zumal in ihrer fliegerblauen Uniform mit dem schrägen Käppi, unter dem eine Flut