1. Senator.
Es kan nicht seyn, es ist ganz und gar nicht glaublich. Es ist ein blosser Kunstgriff, unsre Augen von der Seite abzuhalten, wo die Gefahr würklich ist. Wenn wir bedenken, wie wichtig Cypern den Türken ist – – wie viel gelegner es ihnen ist als Rhodis – – und daß sie die Eroberung desselben weit eher hoffen können, da es weniger befestigt, und in allen Absichten in schwächerm Vertheidigungs-Stand ist – – Wenn wir dieses in gehörige Betrachtung ziehen, so werden wir uns schwerlich einbilden können, daß der Türk so unbesonnen seyn werde, eine reiche und leicht zu gewinnende Beute fahren zu lassen, um sich an eine gefährliche und wenig vortheilhafte Unternehmung zu wagen, von der er sich mit keiner Wahrscheinlichkeit einen guten Erfolg versprechen kan.
Herzog.
In der That, allen Umständen nach ist es nicht auf Rhodis abgezielt.
Officiers.
Hier kommt wieder eine Zeitung.
Ein Expresser tritt auf.
Expresser.
Erlauchte und Gnädige Herren, die Ottomannen, die in geradem Lauf gegen die Insel Rhodis gesegelt hatten, haben sich dort mit einem kleinern Geschwader vereinbart – –
1. Senator.
Das dacht' ich ja; wie stark haltet ihr sie?
Expresser.
Dreyßig Segel; und nun steuern sie ihren Lauf, ohne ihre wahre Absichten länger zu verheelen, nach Cypern. Signor Montano, euer getreuer und tapfrer Befehlshaber auf dieser Insel, erstattet Euch, unter Versicherung seiner pflichtvollen Ergebenheit, diesen Bericht, und bittet ihm vollen Glauben beyzumessen.
Herzog.
Wir sind also nun gewiß, daß es um Cypern zu thun ist; ist Marcus Luccicos nicht in der Stadt?
1. Senator.
Er ist würklich in Florenz.
Herzog.
Schreibet unverzüglich in unserm Namen an ihn, daß er sich mit der äussersten Eilfertigkeit hieher begebe.
1. Senator.
Hier kommt Brabantio und der tapfre Mohr.
Englisch
ACHTE SCENE
Brabantio, Othello, Cassio, Jago, Rodrigo und Officiers, zu den Vorigen.
Herzog.
Tapfrer Othello, wir sind im Begriff Eurer gegen unsern allgemeinen Feind Ottoman vonnöthen zu haben. (Zu Brabantio.) Ich sah euch nicht gleich; willkommen, werther Signor; wir mangelten euern Rath und eure Hülfe diese Nacht.
Brabantio.
Und ich die eurige; vergebet mir, Durchlauchtigster; weder mein Plaz, noch was mir von einem vorschwebenden Staats-Geschäfte gesagt wurde, hat mich aus meinem Bette aufgewekt; das gemeine Wesen ficht mich izt wenig an; mein Privat-Schmerz ist von einer so wüthenden und ungestümen Art, daß er alle andre Sorgen verschlingt, und mich nichts anders fühlen läßt.
Herzog.
Wie? Was kan die Ursach seyn?
Brabantio.
Meine Tochter! O! meine Tochter! – –
Senator.
Gestorben?
Brabantio.
Für mich wenigstens; sie ist verführt, von mir weggestohlen, mißbraucht worden, durch Zauber-Mittel und Liebes-Tränke, den Kram von Markt-Schreyern, zu Grunde gerichtet worden – – Denn auf eine so widernatürliche Art konnte die Natur (da sie weder dumm, noch blind, noch schwach von Sinnen ist,) nicht ausschweiffen – – Zauberey allein konnte sie dahin bringen – –
Herzog.
Wer der auch seyn mag, der durch so schändliche Mittel eure Tochter, sich selbst, und euch entführt hat, dessen Urtheil sollt ihr selbst in dem blutigen Gesez-Buch lesen, und selbst der Ausleger des strengen Buchstabens seyn; ja, und wenn unser eigner Sohn der Thäter wäre.
Brabantio.
Ich danke Eu. Durchlaucht unterthänig. Hier ist der Mann, dieser Mohr, den nun eben, wie es scheint, euer Befehl, in Geschäften des Staats hieher gebracht hat.
Alle. Das thut uns herzlich leid.
Herzog (zu Othello.)
Und was könnt ihr, eurer Seits, hierauf antworten?
Brabantio.
Nichts, als daß es so ist.
Othello.
Erlauchte und Großmächtigste Herren, meine sehr edle, geliebte und gnädige Gebieter; daß ich dieses alten Mannes Tochter entführt habe, ist wahr; und wahr ist's, daß ich mit ihr vermählt bin – – So weit erstrekt sich die äusserste Linie meines Verbrechens, und weiter nicht – – Ich bin kein Redner, und wenig geübt in der friedsamen Kunst, die Zuhörer durch Worte zu gewinnen – – Seitdem diese meine Arme siebenjähriges Mark hatten, bis izt, die leztverfloßnen neun oder zehen Monate ausgenommen, sind die Arbeiten des Kriegs meine einzige Beschäftigung gewesen – – in diesen Kreis ist alle meine Wissenschaft eingeschlossen, und das ist alles, wovon ich reden kan. Ich werde also, indem ich für mich selbst rede, meiner Sache wenig Vortheil verschaffen. Und doch will ich, mit eurer Erlaubniß, eine aufrichtige ungeschminkte Erzählung von dem ganzen Hergang meiner Liebes-Geschichte machen; damit ihr sehet, durch was für Tränke, Zauber-Formeln, Beschwörungen und übernatürliche Künste, (weil ich doch solche Mittel gebraucht zu haben beschuldiget werde,) ich seine Tochter gewonnen habe.
Brabantio.
Ein unschuldiges junges Mädchen, die immer das zärtlichste, schüchternste Kind von der Welt war; eine so sanfte und ruhige Seele, das jede ihrer Bewegungen über sich selbst zu erröthen schien – – und sie sollte, troz Natur, Jugend, Geburt, Ehre, allem in der Welt, in einen Mann verliebt werden, den sie zu furchtsam war nur anzusehen – – Was für eine Art zu schliessen muß der haben, der sich vorstellen kan, daß die Natur so weit von ihren eignen Gesezen abweichen sollte – – Es ist unmöglich; aus der Hölle mußten die verdammten Künste hergeholt werden, die das zuwegebringen konnten. Ich behaupte also noch einmal, daß er sie durch Tränke, die das Blut in gewaltsame Unordnung sezen, oder durch irgend ein andres übernatürliches Mittel mißbraucht und zu Falle gebracht habe.
Herzog.
Behaupten ist nicht Beweisen – – es gehören stärkere Beweisthümer hiezu als die blossen nakten Vermuthungen, die ihr, in ein dünnes Gewand einer schaalen Wahrscheinlichkeit gekleidet, gegen ihn aufzustellen vermeynt.
1. Senator.
Redet dann, Othello; brauchtet ihr krumme und gewaltsame Kunstmittel, die Neigungen dieser jungen Tochter zu erzwingen; oder erhieltet ihr sie durch Bitten, und auf diejenige Weise, wie eine Seele die andre anzuziehen pflegt?
Othello.
Ich bitte euch, laßt die junge Dame aus dem Schüzen herholen, und sich selbst in Gegenwart ihres Vaters erklären; findet ihr, daß ihre Erzählung seine Anklage rechtfertiget, so entsezet mich nicht nur aller Ehren und Würden, die ich von euch empfangen habe, sondern laßt mein Leben selbst der strengen Gerechtigkeit verfallen seyn.
Herzog.
Holet Desdemona hieher.
(Zween oder drey gehen ab.)
Othello (zu Jago.)
Fähndrich, weiset ihnen den Weg, ihr kennt den Ort am besten – – (Jago geht ab.) – – Und indessen bis sie kommt, will ich, so aufrichtig