Das Geheimnis der Fischerin vom Bodensee. Erich Schütz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erich Schütz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839267066
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Franz-Josef Simon gilt in der Fachwelt als unbestechlich.

      Fischgehegezucht ist nichts Neues, Aquakultur klingt moderner. Die Anfänge der Kescherhaltung geht auf Fischer zurück, die schon immer im Bodensee Netze oder Kescher nutzten, um Fische, die sie unter der Woche gefangen hatten, am Wochenende frisch auf dem Markt anzubieten.

      Positiv für Ellegast ist die Tatsache, dass bei den Gehegen im See die Fütterung, Kontrolle und Ernte leicht zu bewerkstelligen sind und gleichzeitig ein stetiger Austausch mit dem Umgebungswasser stattfindet. »Eine kostenlose Frischwasserzufuhr«, lacht Ellegast.

      Seine Gegner dagegen bemängeln den ungehinderten Stoffwechselaustausch, Futterreste und eventuell verabreichte Medikamente, die direkt in den See geleitet werden. Dabei kommt es ihrer Meinung nach zur Störung des Ökosystems. »Und das im Trinkwasser!«, monieren nicht nur ausgewiesene Umwelt- oder Tierschützer.

      Die von Ellegast neu installierten Netzgehege bestehen aus einem schwimmfähigen Trägersystem und einem Netz, das die Tiere einschließt. Die einzelnen Anlagen kann er leicht in der Größe variieren. Es sind kreisförmige Plastikkonstruktionen mit Netztiefen von 10 bis 40 Metern und einem Volumen von 3.000 bis 30.000 Kubikmetern.

      Ellegast hatte die Ministerien in Stuttgart überzeugt, dass die Felchengehege die Wirtschaft und den Tourismus im Ländle stärken. Selbst kritische Politiker der Grünen Partei hatte er eingefangen. Einige von ihnen hatte er kurzerhand in seinem Privatflugzeug von Friedrichshafen nach Finnland geflogen. Dort betreibt Ellegast große Fischzuchtanlagen. Vor Ort konnten die Damen und Herren auch verschiedene Felchengehege inspizieren.

      Ellegast lacht noch heute: »Ich weiß nicht genau, was sie gesehen haben, aber ich weiß, dass der Fraktionsvorsitzende am nächsten Morgen einen dicken Kopf hatte.« Geschickt hatte er die Kurzvisite geplant und die kleine Gruppe der Politiker sowie eine junge Journalistin des Lokalblattes nach der Landung in Finnland direkt auf sein Gelände gelotst und dort keine Minute aus den Augen gelassen.

      Wie es sich in Finnland gehört, hat Ellegast neben dem Gästehaus auf seiner Fischfarm eine finnische Rauchsauna aufgestellt. Hier servierte er gleich nach der Ankunft am frühen Abend in dem rußigen Holzhaus persönlich das erste Bier und Wodka. Danach bewies er der kleinen Abordnung mit einem Sprung in einen seiner Teiche, wie sauber das Wasser ist.

      Die Krönung hatte er sich für den späteren Abend aufgehoben. Gemeinsam ging er mit den Politikern und der Journalistin an einen großen See auf seinem Gelände. Der Redakteurin hatte er zuvor eine Nikon D7500 in die Hände gedrückt: »Damit Sie scharfe Bilder machen können«, hatte er zu dem jungen Mädchen gesagt und ihr etwas zu lange die Unterarme getätschelt.

      Dann mussten sie alle in ein Boot steigen, in dem mehrere Kescher mit Teleskopstielen lagen. Ellegast steuerte das Boot auf den See. Hier sahen die Gäste große runde Netzbassins schwimmen. Drei Stück hatten einen Durchmesser von mindestens 50 Metern, die Tiefe gab er ihnen mit 30 Metern an. Er selbst steuerte das Boot an den Rand eines der runden Gehege und forderte die Gäste auf, sich jeweils mit ihren Keschern einen Fisch aus dem Wasser zu holen: »Ihr Abendessen!«, lachte er. »Ihre ersten Felchen aus einem Gehege!« Er warf eine Handvoll Fischfutter in das Netzgehege, und schon wimmelte die Wasseroberfläche von tummelnden Felchen. Jeder der Gäste hatte so schnell seinen Fisch im Kescher.

      Gleich danach servierte die Küche den frischen Fang. Es gab Felchen mit Pfifferlingsoße und Fischrogen, Felchen mit Wildkräutern gefüllt und Felchenfilet mit Krebsen. »So gut wie an iserem See, oder?«, fragte Ellegast und schaute in die zufriedenen Gesichter seiner kleinen Ausflugsgruppe.

      Auf dem Rückflug legte er den Reisenden noch eine kleine Ökobilanz vor. »Von Helsinki bis an den Bodensee sind es über 3.500 Kilometer, eine Tonne CO2-Emission kommt so für jeden größeren Transport der Felchen schnell zusammen. Klimafreundlich ist das nicht«, diktierte er der jungen Journalistin in ihren Block, die sich nochmals für die neue Kamera bedankte, während der Grüne Politiker nachdenklich nickte und zustimmte: »Wir sollten alles unternehmen, um den klimaschädlichen Lebensmitteltourismus zu beenden«, ließ der grüne Abgeordnete sich in der Bodenseezeitung zitieren.

      »Leider sieht man einigen Felchen ihre äußerlichen Verletzungen an«, reißt Doktor Simon Ellegast aus seinen Erinnerungen. »schon bei Jungfischen zeigen sich dunkle Hautflecken und Rötungen bei den Flossenansätzen.«

      »So lange es keine signifikanten Häufungen sind, sollten wir die Sachlage erst einmal unter uns hier klären«, versucht Ellegast zu beschwichtigen, »wir stehen am Anfang unseres Testlaufs, das bekommen wir alles schnell in den Griff. Für die Tiere ist das auch alles neu, das heißt viel Stress für sie, und zu allem hin ist es Sommer, wir haben gerade hohe Wassertemperaturen, das spielt uns nicht in die Karten.«

      »Ja,« stimmt ihm Doktor Simon zu, nervös streift er eine graue Locke von seiner Goldrandbrille, sein Gesicht ist blass, seine hellblauen Augen flackern unruhig, »wir sind eben nicht in Finnland, der Bodensee wird jährlich wärmer, es weiß kein Mensch, wie die Felchen auch in freier Wildbahn darauf in Zukunft reagieren.«

      »Wir müssen die Gehege einfach tiefer fahren, jeder Meter tiefer bringt uns kältere Wassertemperaturen«, winkt Ellegast ab, »das ist der Vorteil unserer Anlage, wir können den Felchenschwarm dorthin im See steuern, wo er sich am wohlsten fühlt.«

      Im Gegensatz zu Doktor Simon sprüht Ellegast vor Zuversicht. Wobei gerade im Sommer, bei erhöhten Wassertemperaturen und Sauerstoffmangel, auch die Forellenzüchter im Schwarzwald das Problem der Furunkulose kennen. Die Veränderungen auf der Fischhaut werden dem erhöhten Stress der Tiere in zu warnem Wasser zugeschrieben. Letztendlich ist es eine bakterielle Infektionskrankheit, die sich im Fischschwarm bei enger Haltung durch Kot und Urin infizierter Fische verbreitet.

      »Stellen Sie sich nicht so an, Herr Doktor«, schmunzelt Martin Ellegast, »noch nie ein Furunkel am Arsch gehabt?« Er nimmt den toten Fisch und seine Innereien und wirft alles zusammen in einen Plastikeimer neben dem Seziertisch. »Wir werden uns die Mühe machen müssen und jedes Fischchen liebevoll mit einer kleinen Spritze stärken.«

      »Ich werde eine bakteriologische Diagnose erstellen, nach der wir ein wirksames Antibiotikum zusammenbauen«, gibt sich Doktor Simon geschlagen und spritzt mit einem Wasserschlauch das Blut des toten Felchen von der Tischwanne. Über ein leichtes Gefälle verschwinden die letzten Spuren der verletzten Innereien im Abfluss.

      Martin Ellegast hatte schon in seinem Betriebswirtschaftsstudium erkannt, dass günstige Angebote immer der Erfolg rationeller Produktion sind. Auto, Fernsehen oder Handy eroberten nur als Massenprodukt den Markt. Dies gilt für ihn auch für Lebensmittel. Fleisch und Fisch liebten die Menschen schon immer, aber nicht immer konnten sie sich die Edelprodukte leisten. Natürlich erkannte auch er die Werbewirksamkeit der Auszeichnung »Wildfisch geangelt«. Doch Insider können darüber nur lachen. Was müsste ein Fisch kosten, wenn ein Angler früh am Morgen auf dem See seine Rute auswirft und am Mittag mit nur einem oder auch zwei Felchen nach Hause kommt. Der Schlüssel zum Erfolg heißt Arbeitsteilung und in seiner Branche Massenaufzucht und Fließbandschlachtung. In seinem Gehege zählt nicht der einzelne Fisch, sondern die Tonnen an Felchen, die er täglich am Fließband zerlegt, filetiert und als Convenience an seine Großkunden liefern will.

      »Wir müssen unseren Berufsstand schützen!«, ruft Gerdi Ellegast in den Saal des Nebenzimmers im Gasthaus »Grüner Baum« in Moos. »Wir Berufsfischer sterben aus!« Tatsächlich werden es jedes Jahr weniger, mit den jährlich sinkenden Fangquoten sinkt auch die Zahl der Berufsfischer. Jedes Jahr melden sie neue Minusrekorde. Immer mehr Stichlinge und Quagga-Muscheln finden sich in dem ständig wärmer werdenden Seewasser und immer weniger Felchen. Da hängt so mancher Berufsfischer genervt seine Netze an den Nagel.

      Deshalb hat der Wirt Hubert Neidhart zusammen mit Gerdi Ellegast alle noch registrierten Berufsbodenseefischer eingeladen. »Es geht um unseren Beruf, unsere Zukunft und auch um iseren See!«, appelliert Gerdi. Fast alle Berufsfischer, auch aus Bayern, Vorarlberg und der Schweiz, sind gekommen. Sie wollen von den Höri-Bauern lernen, wie man ein Lebensmittel mit einem amtlichen Patent schützen kann, wie dies die Höri-Bauern mit ihrer Bülle geschafft haben.

      Die Höri-Bülle ist eigentlich nur eine