Osterläuten. Friederike Schmöe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friederike Schmöe
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839267783
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      »Ihr Vorgänger, der den Fall damals bearbeitete …«, begann sie.

      »Pius Geuter?«

      »Ja. Er ist nicht mehr im Dienst?«

      »Er ist fast 70. Nein, nicht mehr im Dienst.« Die Kommissarin lächelte. Im scharfen Licht der Lampe und nur halb zu sehen, wirkte ihr Gesicht düster und streng.

Dienstag der Karwoche

      6.

      Der Hang war steil. Mia begann zu schwitzen. Der Tag hatte verregnet begonnen, doch nun schien seit einer Stunde die Sonne und brachte die feuchten Äste und Zweige zum Glitzern. Es roch nach vermoderndem Laub. Hinter ihr keuchte André. Er war nie sehr sportlich gewesen, eher die typische Couchkartoffel. Vor Mia bahnten sich die langen Beine eines Polizisten den Weg, der sich als Chef der Mordkommission Harald Eyrich vorgestellt hatte. Ein groß gewachsener, drahtiger Mann mit kurzen blonden Haaren, aber auffallend langen Koteletten. Ganz am Ende ging Hanne Schuster. Auf der Fahrt durch das Ellertal hatte Mia die meiste Zeit geschwiegen und mit verhangenem Blick aus dem Beifahrerfenster geblickt.

      »Hier wurden Fichten gefällt, die durch die Trockenheit der letzten beiden Sommer abgestorben sind.« Eyrich blieb stehen und deutete in den Wald hinein, wo vereinzelt Baumstümpfe zu sehen waren. ».Dabei haben die Waldarbeiter den Schädel gefunden.«

      Weder Mia noch André hatten zu fragen gewagt, es war auch so klar genug: Eyrichs Anwesenheit in diesem Wald bedeutete, dass Monika Böhmes Fall von der Vermisstenabteilung zur Mordkommission gewechselt hatte. Jemand hatte Monika ermordet. Mia biss sich auf die Lippen. Jetzt war es amtlich.

      In diesem Wald? Was hatte Monika hier gesucht? Sie war ganz bestimmt kein Mensch gewesen, der freiwillig mit Rucksack und Wanderschuhen durch das Gestrüpp gestreift wäre. Monika war der Typ, der es sich im Café gemütlich machte, um Zeitung zu lesen oder einfach Löcher in die Luft zu gucken.

      »Dass es keine anderen menschlichen Überreste in dem Gebiet gibt, muss zunächst einmal nichts heißen. Ihre Frau«, Eyrich sah André offen an, »starb vor elf Jahren. Tierverbiss ist bereits in einem kürzeren Zeitraum ein Thema.«

      Obwohl ihr Eyrichs Direktheit einen Schauder über den Rücken jagte, war Mia dankbar, dass er nicht groß um das Furchtbare herumredete.

      »Ist es noch weit?«, ächzte André.

      »Nur ein paar Minuten.« Eyrich marschierte weiter.

      Der dicht bewaldete Hang links fiel steil ab. Felsbrocken lagen im Laub, Totholz hatte sich daran verkeilt. Ein Eichhörnchen flitzte vorbei, Mia verlor es rasch aus den Augen. An manchen Stellen wagten sich Schneeglöckchen und Märzveilchen ans Tageslicht. Rechts neben dem Fußweg erkannte Mia die Spuren eines schweren Fahrzeugs. Wahrscheinlich der Traktor der Waldarbeiter. Regenwasser hatte sich in den Furchen gesammelt. Mia zog die Jacke aus und lockerte ihren Schal. Wartete auf André, der zurückgefallen war. Er warf ihr einen dankbaren Blick zu.

      »Bist du okay?«, fragte sie halblaut.

      Er zuckte die Achseln.

      »Und du?«

      »Geht schon.«

      Sie stapften weiter. Wenig später sah Mia das rot-weiße Absperrband.

      »Das Gebiet ist gestern weiträumig abgesucht worden«, erläuterte Eyrich, während er das Band anhob und die anderen hindurchschlüpfen ließ. »Außer dem Schädel gab es keine brauchbaren Spuren.«

      »Ist sie hier umgebracht worden?« Außer Atem sah André sich um. Sie hatten eine Art Plateau erreicht, der Hang zur Linken fiel nun fast senkrecht ab. Ein paar Sträucher krallten sich daran fest.

      »Um das mit Sicherheit sagen zu können, ist zu viel Zeit vergangen.« Eyrich streckte den Arm aus. »Bitte, nur noch ein paar Schritte.«

      Eine Markierung steckte im Boden.

      »Hier lag der Schädel.«

      Mia biss sich auf die Lippen. Es klang so normal. Da liegt ein Schädel. Na gut, kann passieren. Doch statt schockiert und traurig fühlte sie sich einfach nur wütend.

      »Wenn wir nur wüssten, was genau passiert ist«, flüsterte sie.

      »Das wird Gegenstand der Ermittlungen sein«, erwiderte Hanne Schuster. Ihre Stimme klang weich und rauchig. »Wir tun unser Möglichstes.«

      »Elf Jahre … mein Gott, Monika!« André verbarg sein Gesicht in den Händen.

      Mia machte einen Schritt auf ihn zu.

      »Ich bin da«, sagte sie leise.

      Er mochte es nicht, berührt zu werden, wenn er ex­trem aufgewühlt war. Aber der Klang ihrer Stimme drang zu ihm durch.

      »Danke«, wisperte er.

      7.

      »André braucht noch ein bisschen Zeit.« Mia rutschte unruhig auf dem Stuhl vor Kommissar Eyrichs Schreibtisch herum. Dort stand der gleiche Teller mit Ostereiern wie auf Hanne Schusters Fensterbank. Allerdings gab es hier keine Kräuter.

      »Das ist mehr als verständlich. Wenn Sie nichts dagegen haben, stelle ich Ihnen ein paar Fragen zum Tag von Monika Böhmes Verschwinden.«

      Also begann es von vorn. Mia unterdrückte ein Stöhnen. Die Polizei hatte alles in den Akten, was ihr Gedächtnis damals hergegeben hatte. Mehr war da nicht.

      »Ich bin mir bewusst, dass elf Jahre eine lange Zeit sind«, fuhr Eyrich fort.

      Mia meinte, so etwas wie Mitgefühl in seinen Augen zu sehen.

      »Allerdings spielt die Zeit einem Ermittler manchmal in die Hände. Menschen sehen Dinge anders, gewichten sie differenzierter als zu dem Zeitpunkt, an dem das Verbrechen geschah.«

      »Ich mache mir Sorgen!«, platzte Mia heraus. »Wurde sie am Tag ihres Verschwindens umgebracht? Oder hat jemand sie über längere Zeit festgehalten? Solche Sachen gibt es doch, oder?«

      »Der pathologische Befund sagt uns, dass sie bereits seit mehr als zehn Jahren tot sein muss. Natürlich kann man nichts ausschließen. Bisher allerdings gibt es keine Anhaltspunkte, dass jemand sie gefangen gehalten hat. Wir müssen ganz von vorn anfangen.« Eyrich legte die Hand auf einen Stapel Papiere. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ein Durchbruch wäre am wahrschein­lichsten, wenn wir einen neuen Zeugen oder neue Beweise gegen eine bestimmte Person auftreiben könnten.«

      »Aber niemand stand damals wirklich unter Verdacht!«

      »Sie waren 18 und wohnten mit Ihren Eltern in unmittelbarer Nachbarschaft der Böhmes?« Eyrich schlug eine Akte auf.

      »Ja. Ich stand kurz vor dem Abitur.«

      »Ihre Eltern, Simone und Carsten Wagner, waren mit den Böhmes befreundet?«

      »Schon lange. Schon bevor Monika und André ins Nachbarhaus zogen.«

      Eyrich machte sich einen Vermerk.

      »Welchen Eindruck hatten Sie damals von der Ehe der Böhmes?«

      Mia strich sich das Haar aus der Stirn. Du liebe Zeit, jetzt ging das wieder los. Die Ermittlungen hatten sich festgefahren. André hatte als Hauptverdächtiger gegolten, allerdings war diese Spur bald fallen gelassen worden. Tatsächlich schien nichts absurder als der Gedanke, dass André seine Frau umgebracht haben könnte.

      »Sie waren ein Herz und eine Seele.«

      »André Böhme gab seinerzeit zu Protokoll, dass er seine Frau selten sah. Aus beruflichen Gründen.«

      »Er hatte ein Restaurant übernommen und arbeitete bis in den späten Abend, und Monika als Architektin hatte tagsüber zu tun und musste früh raus.«

      »Das muss frustrierend gewesen sein.«

      Mia dachte an Andrés Gewissensbisse. Die heute so harsch schienen wie damals: »Ich hatte keine Zeit mehr für Monika. Wir haben uns praktisch nicht mehr gesehen.«

      »Monika