Dampfer ab Triest. Günter Neuwirth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Neuwirth
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические детективы
Год издания: 0
isbn: 9783839267042
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bin auch glücklich.«

      »Gestern hast du wahrscheinlich wegen des Unfalls unseren Morgenspaziergang ausgelassen«, mutmaßte Friedrich. »Ich habe den ganzen Tag auf dich gewartet, dann endlich hat mich deine Nachricht erreicht.«

      Carolina hielt inne und schaute sich um. Ihre Miene verriet Bestürzung. Friedrich wurde mulmig zumute. »Komm in die Seitengasse.« Carolina zog Friedrich in den Schatten eines Torbogens.

      »Carolina, was ist mit dir? Du zitterst ja förmlich.«

      »Ich konnte dich gestern nicht treffen, weil ich den ganzen Tag geweint habe.«

      »Hat dich der Unfall so mitgenommen?«

      »Schlimmer. Es ist eine Katastrophe!«

      »Was hast du?«

      Sie schnappte nach Luft. »Papa hat Heiratspläne für mich.«

      »Oh nein!«

      »Doch.«

      »Hat er einen Bräutigam ausgesucht?«

      »Ich soll Arthur von Brendelberg heiraten.«

      »Aus dem Hause Brendelberg?«

      »Ja.«

      »Das ist in der Tat eine Katastrophe!«

      »Ich habe Arthur schon vor Jahren kennengelernt, und einmal, oder zweimal im Jahr laufen wir einander über den Weg. Er ist mir absolut zuwider.«

      »Kannst du deinem Vater diese Pläne nicht ausreden?«

      Carolina seufzte bitter. »Wenn sich mein Vater etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist er nicht davon abzubringen. Er ist die Sturheit in Person.«

      »Was sollen wir nur tun?«

      »Lieber stürze ich mich kopfüber vom Schiff ins Meer, als Arthur von Brendelberg zu heiraten.«

      Friedrich umarmte Carolina und drückte sie fest an sich. »Wir stürzen uns gemeinsam ins Meer. Im Reich Poseidons sind wir auf ewig vereint.«

      *

      Das Leben an Bord barg manche Entbehrungen, manchmal war der Alltag eintönig und die Arbeit eine Last, aber wie schon bei den drei vorherigen Fahrten der Thalia spürte er auch diesmal ein wohliges Fieber. Wer würde an Bord kommen? Waren schöne Frauen dabei, die auf hoher See mehr als nur spektakuläre Sonnenuntergänge erleben wollten? Waren Männer dabei, die bei einem guten Blatt auch größere Beträge setzten? Würde es Streit unter den Passagieren geben? Würden die Passagiere sich über das Leben an Bord beklagen? Über die Verpflegung auf den Schiffen des Österreichischen Lloyds hatte es noch nie Beschwerden gegeben. Im Gegenteil, die Norddeutschen, die Engländer, die Holländer und die Schweden konnten es oft gar nicht glauben, dass auf den Schiffen so gut gekocht wurde. Und dass immer erstklassiger Wein serviert wurde.

      Georg Steyrer hatte in seinem Leben manches versucht. Den Beruf des Barbiers hatte er in Wien erlernt, später hatte er als Croupier im Casino gearbeitet, in Klosterneuburg war er Mundschenk bei einem versoffenen Baron und danach war er Buchmacher auf der Trabrennbahn in der Wiener Krieau gewesen. Doch nichts kam bislang gegen das Leben als Steward an. Ferne Länder, die hohe See, der weite Horizont. Seine Heimatstadt Marburg war ihm schon in jungen Jahren zu eng geworden, also war er zur Lehre in die Hauptstadt gegangen. Er hatte sich sofort in Wien verliebt, hatte sich in Spielhöllen, Varietés und Bordellen herumgetrieben, war regelmäßig Gast in Bierhäusern und Heurigen gewesen. Das Leben war ein einziges Spiel gewesen, eine verruchte Affäre und ein bombastischer Rausch. Leider war ihm das Glück nicht dauerhaft hold gewesen, und Pech im Spiel hatte sich hinzugesellt. Schnell hatte er sich bei gewissen Subjekten der Wiener Halbwelt unbeliebt gemacht, sodass er das wunderbare Leben in Wien hatte beenden müssen. Ein halbes Jahr war er von Stadt zu Stadt gezogen, zuerst hatte es ihn nach Budapest, dann nach Brünn, später nach Prag und Linz verschlagen, schließlich war er wieder in Graz gestrandet. In Lumpen gehüllt, ohne Wohnsitz, ohne Geld, ohne Perspektive, aber immer randvoll mit Wein. Er hatte schon befürchtet, dass er vor die Hunde gehen würde.

      Dann, eines Tages, hatte er in einer Schenke in einer alten Zeitung einen Artikel gelesen, der sein Leben verändert hatte. Er handelte von den Plänen, den Liniendampfer Thalia in die erste Yacht für Vergnügungsfahrten des Österreichischen Lloyds umzubauen. Sofort war er von Fernweh gepackt. Warum hatte er nicht früher an diese Möglichkeit gedacht? Der große Hafen von Triest war das Tor zur weiten Welt, zahlreiche Schiffe dampften unter der rot-weiß-roten Fahne in den sonnigen Süden. Und der Gedanke, auf einem Schiff zu arbeiten, das gebaut wurde, allein um dem Vergnügen zu dienen, ergriff von ihm Besitz. Was für eine großartige Idee, was für ein famoser Plan!

      Von Bekannten hatte er Geld geliehen. Er hatte die unmäßige Trinkerei bleiben lassen, hatte seine Garderobe aufgebessert und war in den Zug nach Triest gestiegen. Schon während der Fahrt hatte er begonnen, Italienisch zu lernen. In den ersten Wochen in Triest hatte er jede nur erdenkliche Arbeit angenommen, bei der er Italienisch sprechen musste. So hatte er im Fluge so viel erlernt, dass der Alltag in Triest und an Bord eines Schiffes kein Problem mehr darstellte. Daraufhin hatte er sich bei der Direktion des Österreichischen Lloyds um eine Stelle als Steward beworben. Er wurde sofort eingestellt. Ein Steward, der einen Gesellenbrief als Barbier vorweisen konnte, da wurde nicht lange gefackelt. Die Schifffahrtsgesellschaft suchte händeringend nach tüchtigem Personal, das mehrsprachig und herzeigbar war. Das war er! In der Uniform eines Stewards sah er richtig schneidig aus. Und seine Muttersprache war Deutsch, darüber hinaus sprach er recht gut Französisch, ein bisschen Ungarisch und immer besser Italienisch. Zwei Fahrten hatte er auf der Persia gemacht, ehe er im Februar dieses Jahres für die Jungfernfahrt der Thalia als Vergnügungsdampfer das Schiff wechselte. Seitdem gehörte er zum Personal der großen Yacht.

      Das Schiff lag an einem Molo im Lloydarsenal und wurde für die Fahrt beladen. Georg zählte die Weinkisten und machte auf seiner Liste entsprechende Vermerke. Laufend schoben Hafenarbeiter ihre Karren die Gangway hoch. Fleisch, Wurst, Kartoffeln, allerlei Gemüse, Vorrat für über hundertsechzig Passagiere und die Besatzung. Der Schiffskommissär und der Küchenchef kontrollierten die Warenlieferungen.

      Paolo Glustich, der Schiffskommissär, rief Georg zu sich. Glustich zog die Nähe zu Männern derjenigen zu Frauen vor, das war Georg beim ersten Blickkontakt klar geworden. Die beiden Männer waren schnell gute Freunde geworden, nachdem Glustich verstanden hatte, dass Georg zwar kein Interesse an intimen Kontakten hatte, aber Homosexuellen diskret, tolerant und ohne jede Herablassung gegenübertrat.

      »Georg, bitte bringe die Liste mit den Fahrgästen dem Ersten Offizier auf die Brücke«, sagte Glustich und reichte Georg einen Umschlag.

      »Ist die Liste jetzt vollständig?«

      »Ja. Wir haben alle Namen.«

      »Wird gemacht«, sagte Georg, klemmte die Mappe unter die Achsel und stieg die Treppe zum Brückendeck hoch. Als er das Bootsdeck erreicht hatte, siegte die Neugier. Wer würde sich in zwei Tagen einschiffen? Waren vielleicht berühmte Persönlichkeiten dabei? Schauspieler? Sänger? Adelige? Er stellte sich hinter eines der Rettungsboote und blätterte den Umschlag auf. Unverkennbar, der Schiffskommissär hatte die Namensliste persönlich geschrieben. Georg kannte keinen Mann, der über eine so ausgesucht schöne Handschrift wie Glustich verfügte. Georg überflog die Namen. Wer hatte die vier Luxuskabinen reserviert?

      Georg erschrak. Für eine Weile hielt er die Luft an. Dann starrte er hinaus auf das offene Meer. Was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sich verhalten? Würde die Situation eskalieren? Hatte er sich geirrt? Er las den Namen erneut. Kein Zweifel. Die Namen waren deutlich zu lesen. Eine der Luxuskabinen auf dem Promenadendeck war reserviert für Maximilian Eugen Graf von Urbanau, die gegenüberliegende Kabine für die Komtess Carolina Sylvia von Urbanau.

      Georg klappte den Umschlag zu. Innerlich war er aufgewühlt, aber seine Miene verriet nichts. Echte Spieler durften sich niemals etwas anmerken lassen.

      *

      Der Abend war über die Stadt gesunken, und mit dem Sonnenuntergang hatte der kühle Wind aufgefrischt. Dennoch war Bruno warm, er öffnete die Knöpfe