Genau diese Verwandlung lege ich auch an diesem Morgen hin. Liege noch mehr oder weniger am Grund des Schlafozeans, als mir plötzlich siedend heiß etwas einfällt. Heute Abend steigt die Party aller Partys bei meiner Mitschülerin Anna Çelik. Annas Partys sind legendär. Ich muss dahin. Erstens sowieso und zweitens wegen Delphine, der französischen Austauschschülerin, die im Moment auf unsere Schule geht. Delphine hat dem Wort süß eine neue Bedeutung verliehen!
Sie ist einfach … eine Sensation. Vielleicht geht da heute Abend etwas?
Dummerweise habe ich aber im Moment Stubenarrest, und zwar noch bis einschließlich Sonntag. Wenn ich auf die Party will, müssen meine Eltern mich also begnadigen. Genau darum darf ich sie auf keinen Fall gegen mich aufbringen. Nicht heute! Muss für gute Stimmung sorgen!
Ich reiße die Augen auf, werfe das nasse Handtuch von mir, springe aus dem Bett, hüpfe in meine Klamotten, putze mir turbomäßig die Zähne, renne die Treppe runter, decke den Tisch, koche Tee und Kaffee, toaste Brotscheiben, stelle Käse, Aufschnitt, Marmelade und meine geliebten Honey Pops auf den Tisch.
Dann flöte ich mit fröhlicher Guten-Morgen-Stimme: »Mo-om! Da-ad! Je-eny! Früh-hü-stück! Wann ko-ommt ihr endlich?! Ich warte auf eu-euch!«
4.
Mom, Dad und Jenny kommen in die Küche. Anstatt sich über den gedeckten Frühstückstisch zu freuen, sehen sie mich misstrauisch an. Sie fragen sich, welcher seltsame Zaubertrick hier am Werke sein könnte. Gerade eben habe ich noch im Bett gelegen und doppelgeschnarcht. Und keine dreißig Sekunden später sitze ich fertig angezogen in der Küche und esse gut gelaunt meine erste Schale Honey Pops.
Alle setzen sich an den Tisch. Dad sagt zu Mom: »Du hast die Wette gewonnen, Schatz. Felix ist tatsächlich vor zehn Uhr morgens aufgestanden. Ich habe nicht daran geglaubt, dass wir das noch einmal erleben.«
Mom zuckt lächelnd mit den Schultern. »Ich kann es selbst kaum glauben. Muss an dem nassen Handtuch liegen. Oder, Felix?«
»Klar, Mom. An dem nassen Handtuch. Und daran, dass ich es eingesehen habe. Ich kann nicht immer zu spät zur Schule kommen. Geht gar nicht. Damit ist es endgültig vorbei. Ab jetzt bin ich immer pünktlich. Schließlich möchte ich gute Noten haben und ein Vorbild für meine Mitschüler sein. Ich möchte ein Sohn sein, auf den seine Eltern stolz sein können!«
Mom und Dad rutschen daraufhin vor Lachen unter den Tisch.
Als sie wieder sitzen, sage ich: »Ich meine es ernst! Außerdem ist doch heute Abend die Party bei Anna! Da muss ich einfach hin! Bitte erlasst mir die letzten Tage Stubenarrest! Biddebiddebidde!«
Meine Eltern werfen sich einen vielsagenden Blick zu, dann sagt Mom: »Tja, Felix, so einfach ist die Sache leider nicht. Schließlich hast du deine Strafe aus gutem Grund bekommen. Du hast das Haus unserer Nachbarn besprüht.«
»Danach sah es besser aus als vorher.«
Dad lacht. »Das finden wirklich alle. Sogar unsere Nachbarn selber!«
Seebacher-Möchels, die nebenan wohnen, hatten ihr Haus in einem strampelanzugmäßigen Babyblau gestrichen. Für meinen besten Freund Musti und mich war das eine Art Einladung. Wir haben unsere Sprayer-Ausrüstung genommen und ihnen eines Nachts eine Palmeninsel, einen Sonnenuntergang und ein paar coole Surfertypen auf die Fassade gesprayt. Blöderweise saß ich am nächsten Morgen mit braunen, grünen und gelben Farbresten an den Fingern am Frühstückstisch. Leugnen war zwecklos. Die Folge: drei Wochen Stubenarrest.
Mom und Dad tuscheln miteinander. Dann nicken sie mir aufmunternd zu. Dad erklärt: »Also gut, Felix. Wir heben den Stubenarrest auf. Allerdings nur zur Bewährung. Das bedeutet, du darfst heute Abend auf die Party gehen. Aber wehe, du stellst wieder etwas an! Dann steckst du doppelt und dreifach in Schwierigkeiten. Haben wir uns verstanden?«
»Klar und deutlich, Sir! Danke, Sir!«
Meine Eltern blicken mich an und der sanfte Zweifel in ihren Gesichtern ist nicht zu übersehen. Sie kennen mich. Genauso wie ich mich selbst kenne.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich doch wieder irgendeinen Unsinn anstelle, liegt bei 99,9 %.
Andererseits bedeutet es, dass es mit 0,1 % Wahrscheinlichkeit gut geht. Das ist doch schon einmal etwas!
5.
Eine halbe Stunde später sause ich auf meinem Mountainbike in Richtung Schule. Der Stubenarrest ist aufgehoben! Bin also nicht länger in Ketten gelegt und darf heute Abend auf Anna Çeliks Party. Zwischen Delphine und mir wird es funken – und zwar so etwas von blitzmäßig, dass man damit ein Gewitter-Kraftwerk betreiben könnte!
Fühle mich so leicht und befreit, als würde ich nicht auf meinem Fahrrad, sondern auf einem Science-Fictionmäßigen Schwebegleiter sitzen. Flitz und Doppelflitz!
6.
Kurz darauf pflüge ich turbomäßig durch das große Schultor. Lege dabei den üblichen Riesenslalom zwischen meinen Mitschülern hin. Schlitter und Doppelschlitter! Kreisch und Doppelkreisch!
Plötzlich schiebt sich ein mächtiges Hindernis in meinen Weg. Es ist ungefähr zwei Meter groß, hat eine Statur wie der unglaubliche Hulk (ist allerdings nicht ganz so grün) und sieht mich drohend an.
Es ist Herr Brüll-Lafer, unser Sportlehrer. Wir nennen ihn immer nur Herrn Brüllaffe. Wir glauben, dass er die Synchronstimme von King Kong war, in der Verfilmung von Peter Jackson. Offenbar hat Brüllaffe heute Morgen Schulhofaufsicht. »Halt, Felix!
Du weißt, dass du auf dem Schulhof nicht Fahrrad fahren daaaaa…« Brüllaffes Drohung geht in einem Gurgeln unter. Kein Wunder! Lege schließlich erst im letzten Moment eine rasante Vollbremsung hin! Quietsch und Doppelquietsch! Mein