Wo komme ich in Flow, vergesse die Zeit, komme mit mehr Energie raus?
Wieviel inhaltliche Abstriche kann und will ich machen, um vielleicht so im Beruf wieder glücklich zu werden?
Wieviel materielle Abstriche kann und will ich machen, zum Beispiel um dennoch mich und meine Familie weiterhin gut zu versorgen?
Wie stelle ich mir einen erfüllten, einen erfüllenden Arbeitstag vor?
Welchen Anteil von meiner gesamten wachen Zeit sollte bezahlte Arbeit haben?
Welcher Anteil meiner Arbeitswoche ist für unbezahlte, gemeinnützige Arbeit reserviert?
Wieviel Zeit möchte ich für Familie und Freunde, wieviel für mich selbst?
Was bedeutet Arbeit für mich? Zum Beispiel Energiequelle, materielle Sicherheit, Business Opportunity oder Berufung? Oder etwas ganz anderes?
Wieviel Zeit bin ich idealerweise bereit, in den täglichen Arbeitsweg zu investieren?
Wie lege ich diesen Arbeitsweg zurück?
Was braucht es, damit ich meiner Familie oder meinen Freunden stolz von meiner Arbeit erzählen kann?
Die Liste lässt sich noch deutlich erweitern. Im beruflichen Alltag stellen wir uns diese Fragen nur selten. Wir sind in der Regel »too busy«, zu sehr »im Stress«, zu sehr »unter Wasser«. Es kann aber gut sein, dass es noch andere Gründe gibt, weshalb wir uns diesen Themen nicht stellen: Wir empfinden das Nachdenken darüber als unangenehm und haben Angst vor den Antworten. Wir erleben eine Dissonanz: Unser derzeitiges Leben passt nicht zu unserem Denken und Fühlen. Und wir fühlen uns etwas hilf- und machtlos, wenn wir das erleben. Es fühlt sich nicht gut an, und die nächste Serie auf Netflix oder ein schönes Abendessen ist kurzfristig immer attraktiver.
Jetzt aktiv werden: Eine Frage an Dich
Im weiteren Verlauf dieses Buches wirst Du – wie eben schon angesprochen – immer wieder kleine praktische Übungen finden. Die kannst Du überspringen oder als kleine Mini-Auszeit sehen, um zu reflektieren oder mit anderen darüber ins Gespräch zu kommen.
Nimm Dir für diese Aktivitäts-Übung etwas Zeit und suche dir einen Ort, an dem Du ungestört bist. Jetzt gehst du die Fragen oben für dich durch. Schreibe die für dich wichtigsten auf ein Blatt Papier, gerne auch nur als Stichpunkt. Dann lass Deinen Gedanken freien Lauf. Was fällt Dir dazu ein? Du kannst Listen schreiben, Cluster bilden, eine Mindmap machen, was immer Dir liegt. Ich arbeite für mich selbst gerne mit Mindmaps und auch Symbolen und grafischer Darstellung. Das kann dann in etwa so aussehen, wie in Abbildung 4.1.
Abb. 4.1: Mindmap »Was motiviert mich?«
Keine Angst, das ist kein Test, es dauert nur so lange Du willst, und niemand braucht die Ergebnisse zu sehen. Du machst das nur für Dich! Taste Dich langsam heran, Du musst nicht alle Probleme lösen, sondern nur Deine Ideen zu deiner Motivation zu Papier bringen. Es geht nicht um sofortige Veränderung, nicht um messbare Resultate. Es geht vielmehr darum, einen Prozess anzustoßen. Den Prozess, sich selbst und seine Motive und Antreiber besser zu verstehen.
5 Spielbrett für Spurwechsler
Karrieren in der Wirtschaft wie im öffentlichen Bereich entwickeln sich in aller Regel in zwei Richtungen:
Entweder über Branchengrenzen hinweg entlang eines Fachbereiches, also zum Beispiel wird der Vertriebsleiter einer Niederlassung zum Gebietsleiter Vertrieb, zuständig für mehrere Niederlassungen, bei einer anderen Firma.
Oder innerhalb eines Unternehmens, wenn der Marketingleiter im gleichen Haus die Bereiche Vertrieb, Marketing und Kundenservice übernimmt.
Typischerweise ist beides verbunden mit einem Zuwachs an Status, Budget, Gehalt, Mitarbeitern oder regionalem Verantwortungsbereich. Das sind die Karrierewege, die Headhunter und Personalleiter bisher gerne gesehen haben. Sie sind in ihren Augen »folgerichtig und schlüssig«, passen ins gängige Schema und sind sowohl der Unternehmensführung als auch dem Mitarbeiter leicht vermittelbar.
Meine Gesprächspartner – die Spurwechsler – ticken da anders. Sie verlassen die Fahrrinnen der traditionellen Denkmuster unseres Wirtschaftssystems, und suchen Neuland. Auch wenn sie einiges aus ihrem bisherigen Karrierepfad nutzen können, zum Beispiel was Marketing oder Betriebswirtschaft anbelangt, helfen ihnen die bisher gemachten Erfahrungen nur bedingt. Manchmal sind diese sogar kontraproduktiv, etwa was die relativ gering geforderte Selbstverantwortung im Konzern anbelangt. Spurwechsler springen also gewissermaßen über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg. Grafisch dargestellt, sieht das so aus wie in Abbildung 5.1.
Abb. 5.1: Spielbrett für Spurwechsler
Dass Spurwechsler diesen Schritt machen, kommt meist nicht von ungefähr, auch wenn es Aha-Erlebnisse und spontane Eingebungen oder Bekanntschaften gibt, die dieses »Window of Opportunites« eröffnen. Doch in den meisten Fällen braucht es einen regelrechten Arschtritt.
6 Arschtritte ins Abenteuer
Die meisten meiner Gesprächspartner spürten seit Jahren, manche gar seit Jahrzehnten, dass sie das bisherige Leben so nicht weiterführen wollten. Eine latente Unzufriedenheit, ein zunehmender Widerwille, die alten Routinen zu bedienen, machte sich breit. Die eigenen Werte und Grundeinstellungen änderten sich: Was früher erstrebenswert war, fühlte sich jetzt schal an. Körperliche und psychische Probleme wie Schlaflosigkeit, Rückenschmerzen, latente Aggressivität oder gar Depression häuften sich. Und dennoch ist es so schwer, den Absprung zu schaffen. Zu groß sind die Annehmlichkeiten der Führungsposition: der Dienstwagen, das regelmäßige Gehalt, die Sozialleistungen, das gewohnte Umfeld, der Status als Kollege und Vorgesetzter. Deshalb braucht es etwas wie einen sehr starken Impuls, um wirklich die Spur zu wechseln. Ich nenne das einen »Arschtritt ins Abenteuer«. Dieser Arschtritt ist in der Regel ein Bruch im Berufs- oder Privatleben. Gerne auch eine Kombination beider.
Auslöser für einen Spurwechsel
Zu den privaten Gründen zählen das Ausziehen der Kinder in der Lebensmitte, Krankheit, Trennung oder Scheidung, aber auch die Begegnung mit einem besonderen Menschen und späteren Geschäftspartner. Im beruflichen Kontext ist es oftmals die wachsende Unzufriedenheit mit dem Job oder dem Vorgesetzten, aber auch eine Restrukturierung, eine Standortschließung oder ein Abfindungsprogramm. Solche Einschnitte im Leben sind Gelegenheiten, das schon länger virulente Thema »Spurwechsel« anzugehen. Neben den genannten externen Gründen im Berufs- und Privatleben sind es Wechsel in der inneren Einstellung. Was von vielen als »Midlife-crisis« bezeichnet wird, ist genau das: Meine Einstellungen und Werte haben sich geändert, ich hinterfrage vieles und ich frage mich nach der Sinnhaftigkeit meines Tuns. Und stelle infrage, ob ich so weitermachen will. Manche drehen dann erst richtig auf in der alten Spur, tauschen den SUV gegen einen Sportwagen und die Ehefrau gegen eine deutlich jüngere Freundin. Andere treten eine Reise nach Innen an, besuchen Seminare und Workshops zur Persönlichkeitsentwicklung oder engagieren sich ehrenamtlich.