»Tut mir leid, Sie müssen den Wagen woanders parken.«
»Aber ...«
»Fahren Sie ihn weg oder ich werde Ihnen einen Strafzettel ausstellen.«
»Okay«, gebe ich nach, und er nickt einmal, ehe er zu seinem Fahrzeug zurückkehrt und einsteigt.
Mein Herz beginnt, wie wild zu hämmern, als mir nach einigen Momenten klar wird, dass er darauf wartet, dass ich Braxtons Wagen wegbewege. Da ich keine andere Wahl habe, schiebe ich den Sitz nach vorn, sodass ich Gaspedal und Bremse erreichen kann, und starte den Motor. Mit angehaltenem Atem betätige ich den Blinker und fädle mich in den Verkehr ein. Am nächsten Stoppzeichen biege ich rechts ab und fluche, da die nächste Straße gesperrt ist.
Erst nach einem erheblichen Umweg kann ich mich wieder in Richtung Restaurant einordnen. Wie eine alte Oma biege ich schließlich in die Straße ein, wo mein Ziel liegt, um ein paar Momente später das leuchtend gelbe Vordach von Number 1 Chinese, aber auch den noch immer am Straßenrand parkenden Polizeiwagen zu erblicken. Braxton hat inzwischen die Restauranttheke erreicht, was mich veranlasst, wieder an der gleichen Stelle zu halten. Gerade als ich dabei bin, zurück auf den Beifahrersitz zu klettern, lässt der Polizist sein rotblaues Signallicht aufleuchten, um mir zu signalisieren, dass ich besser weiterfahre.
Verdammt.
Ich stoße ein paar wenig damenhafte Flüche aus und drehe eine weitere Runde um den Block, wohlwissend, dass Braxton denken wird, ich hätte sein Auto entwendet. Ich habe keine Möglichkeit, ihn zu informieren, dass ich ihm nur einen Gefallen tue. Als ich erneut im Schneckentempo die Straße entlangrolle, in der das Restaurant liegt, sehe ich Braxton an der Kante des Bürgersteigs stehen. In der einen Hand hat er eine Tüte voll chinesischem Essen, in der anderen sein Handy, das er angestrengt fixiert. Auf mein Hupen hin hebt er den Kopf, bevor ich die Scheibe auf der Beifahrerseite herunterlasse. »Ein Cop hat mich angewiesen, das Auto wegzufahren. Er hat damit gedroht, einen Strafzettel auszustellen.«
»Ich habe angenommen, du hättest meinen Wagen gestohlen«, sagt er halb ernst, halb amüsiert. Er tritt auf die Straße, öffnet die Beifahrertür und macht es sich neben mir bequem.
Meine Augen weiten sich. »Möchtest du nicht wieder übernehmen?«
»Wir müssen in etwa zwei Minuten wieder in zweiter Reihe halten. Es ist also besser, wenn du einfach dort sitzenbleibst«, erklärt er, als wäre das selbstredend, und schnallt sich an.
»Ich bezweifle, dass das klug ist. Ich hatte eben beinah einen Herzinfarkt, als ich zweimal um den Block fahren musste«, gestehe ich ehrlich.
Braxton sieht mich an. »Ich vertraue dir.«
»Du vertraust mir, hast aber eben gedacht, ich hätte dein Auto entwendet?« Ich schüttle den Kopf. »Das ergibt nicht wirklich Sinn.«
»Du hast es ja nicht gestohlen, sondern bist aus einem triftigen Grund weggefahren.«
»Ich fange an, zu glauben, dass du ein wenig irre bist.« Ich halte zwei meiner Finger ein Stückchen auseinander, um das Ausmaß zu verdeutlichen.
Sein dunkler Blick heftet sich auf meine Hand. »Kann sein, aber ist das nicht jeder von uns?«
»Vielleicht«, stimme ich zu. »Wohin soll ich uns fahren?«
»Zum Kiosk am Ende des nächsten Blocks.«
Okay. Ich fahre uns zu erwähntem Laden. Braxton steigt aus, nur um eine Minute später mit einer braunen Papiertüte zurückzukommen. Er öffnet die Fahrertür und löst meinen Anschnallgurt. »Ich übernehme ab hier wieder.«
Gott sei Dank, denke ich, auch wenn ich die Worte nicht ausspreche. Er muss die Erleichterung an meinem Gesichtsausdruck ablesen, denn er schmunzelt, als er mich um den Wagen zur Beifahrerseite bringt.
»Wohin fahren wir?«, frage ich, als er aufs Gaspedal tritt.
»Zum Freeway Park. Der ist nicht weit von hier entfernt.«
»Nun, das schreit geradezu nach Horrorfilm«, murmle ich kaum hörbar und lächle beim Klang seines vollen Lachens in mich hinein.
Als wir den Park erreichen, hält Braxton am Straßenrand. Er holt die Sachen von der Rückbank, die er besorgt hat. Die Tüte mit dem Essen in der einen Hand, nimmt er mit der anderen meine Hand. Ich bin erstaunt, wie wohl ich mich dabei fühle.
»Warst du hier schon mal?«, will er wissen.
»Nein, aber es ist hinreißend.« Ehrfürchtig nehme ich die Schönheit um uns herum in mich auf. Mit der Sonne, die langsam untergeht und die Gebäude um den Park herum anstrahlt, sieht es aus wie ein Postkartenmotiv.
»Warte nur, bis ich dir das Labyrinth gezeigt habe.« Er führt mich einen von Bäumen gesäumten Weg entlang zu einem von runden Bänken umgebenen großen Brunnen und bedeutet mir, mich auf eine davon zu setzen.
Ich folge seiner Aufforderung und er packt das mitgebrachte Essen aus. Ich tausche meine Gabel gegen ein Paar Stäbchen ein und öffne meinen Essensbehälter. Da ich kurz vor dem Verhungern bin, schaufle ich mir genüsslich meine Nudeln in den Mund. »Danke für das hier«, flüstere ich, als er neben mir Platz nimmt und seine Box aufklappt.
»Wofür?«, möchte er wissen, während ich an meinen Stäbchen herumspiele.
»Es war eine lange Woche.« Ich atme durch. »Ich habe das gebraucht, ein einfaches Essen an einem ruhigen Ort.«
»Was ist diese Woche passiert?«, erkundigt er interessiert, ehe er einen Happen seiner Nudeln nimmt.
»Ich habe eine neue Stelle angetreten.« Ich drehe mich ihm zu. »Bevor ich hierhergezogen bin, habe ich bei einem kleinen Nachrichtensender gearbeitet. Diese Tage habe ich bei IMG angefangen und fühle mich ein wenig, als wäre das Ganze eine Nummer zu groß für mich.« Ich bemerke ein leichtes Aufblitzen in seinen Augen, frage jedoch nicht nach, was es damit auf sich hat. »Die letzte Woche hat einfach viele Veränderungen für mich gebracht. Vermutlich benötige ich einfach noch etwas Zeit, um mich in alles hineinzufinden.«
»Magst du deinen neuen Job?«
»Ja, er ist viel intensiver, als ich es gewohnt bin, aber ich mag meine Chefin und das Team, in dem ich arbeite. Alle scheinen sehr nett zu sein. Es ist einfach nur anders.«
»Manchmal ist anders gut«, sagt er sanft. »Mit der Zeit wirst du dich eingewöhnen. Sie hätten dich nicht eingestellt, wenn sie nicht davon überzeugt wären, dass du die nötigen Fähigkeiten mitbringst.«
»Du hast recht«, stimme ich zu. Katy, meine Chefin, hat mir etwas Ähnliches gesagt, nachdem ich das erste Mal auf Sendung war.
»Ich habe immer recht.« Braxton zwinkert mir zu, und ich kann nicht anders, als zu lachen. Er betrachtet mich für einen Moment, schüttelt dann aber den Kopf und stellt sein Essen beiseite, um sich die Papiertüte zu schnappen, mit der er aus dem Laden gekommen ist. Daraus zieht er einen Pappkarton und zwei rote Plastikbecher hervor. »Um beim Thema zu bleiben.« Er reicht mir einen der Becher. »Wein im Getränkekarton.«
Schmunzelnd halte ich ihm den Becher hin, damit er mir einschenken kann. »Du kennst den Weg zu meinem Herzen.«
»Ich bin nicht traurig darüber, dass du so einfach zufriedenzustellen bist«, erwidert er amüsiert.
»Ich mag billiges Essen und günstigen Wein, aber freu dich nicht zu früh, ich bin definitiv nicht einfach.«
»Ist notiert.« Er hebt den Becher, und ich tue es ihm gleich. »Auf positive Veränderungen und eine erfolgreiche Eingewöhnung.«
»Cheers.« Ich stoße mit meinem Becher gegen seinen, trinke einen Schluck und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie eklig der Wein ist.
»Wow, das schmeckt wirklich so, als hätte ich ihn für vier Dollar am Kiosk gekauft«, sagt er