„In diesem Laden gibt es haufenweise heiße Kith-Krankenschwestern. Du könntest ein wenig Pflege gebrauchen, Bruder. Und wahrscheinlich auch, flachgelegt zu werden – “
„Hey, hi“, rief Aeric der Triage-Krankenschwester zu, die hinter dem Anmeldetresen hochsah. „Alpha Wächter. Dieser hier hat einen fiesen Vampirbiss, hohe Giftdosis. Muss zu einem Arzt, sofort.“
„Oh!“, sagte die zierliche, blonde Krankenschwester und sprang auf. „Kommen Sie zum ersten Untersuchungszimmer, okay?“
Sie führte sie zu einem kleinen Raum, in dem ein Untersuchungstisch und zwei Stühle standen. Sich zu den Wächtern drehend, schürzte sie die Lippen.
„Können Sie Dr. Khouri herholen, falls sie hier ist? Wir haben bereits mehrmals mit ihr zusammengearbeitet“, bat Aeric die Krankenschwester.
„Dr. Khouri ist immer hier“, antwortete die Krankenschwester leicht schmunzelnd. „Ich werde mich darum kümmern und sie zu Ihnen schicken.“
Sie bedeutete Kellan, sich auf den Untersuchungstisch zu setzen.
„Versuchen Sie, sich zu entspannen“, erklärte sie ihm. „Wurden Sie schon mal von Dr. Khouri untersucht?“
„Nein, sie kümmert sich um einige der Gefährtinnen der Wächter“, mischte sich Kieran ein.
„Ich verstehe. Nun, ich werde sie jetzt holen. Es kann allerdings nur einer von Ihnen bei ihm bleiben“, informierte sie sie mit entschuldigender Miene. „Die anderen zwei müssen uns etwas Platz zum Arbeiten machen.“
Aeric und Rhys verließen den Raum ohne weitere Aufforderung und nahmen auf Stühlen direkt vor dem Zimmer Platz. Wenn sie sich umdrehten, konnten sie immer noch durch die Glasscheibe schauen, also war das kein sehr großes Opfer. Sich selbst überlassen, tauschten Kieran und Kellan einen Blick aus.
Kellan öffnete den Mund und setzte an, Kieran blöd anzumachen. Dann erstarrte er und runzelte die Stirn. Kieran drehte sich um, weil er sich fragte, was seinen Zwillingsbruder so schnell zum Verstummen gebracht hatte.
Vor dem Zimmer stand eine umwerfende Frau in einem weißen Arztkittel. Sie war zierlich, aber kurvig, ihre sexy Figur war trotz der Arztkleider und des Kittels zu erkennen. Sie hatte eine karamellfarbene Haut und einen langen Vorhang rabenschwarzer Haare. Einen Stapel Patientenakten umklammernd, blickte sie nicht einmal auf, als sie auf Kieran und Kellan zulief.
Kierans Herz und Magen machten einen Satz. Die Wucht des Gefühls zwang ihn beinahe in die Knie.
Mein!, brüllte seine Seele.
Und dann, einen Moment später, Gefährtin.
Sein Herz hämmerte in seiner Brust, seine Hände zitterten, das Verlangen, sie zu berühren, war beinahe unerträglich. Es passierte, genau wie Cassie es vorhergesagt hatte. Kieran hatte zuvor an ihr gezweifelt, aber jetzt war es so, so offensichtlich.
„Ich habe meine – “, hob er zu sprechen an, dann stoppte er und sein Blick schnellte zu seinem Bruder. Kellan hatte gesprochen und er wollte verdammt sein, wenn es sich nicht so angehört hatte, als hätte er gerade gesagt…
„Schicksalsgefährtin gefunden“, beendete Kellan seinen Satz.
Kieran konnte spüren, dass er seinen Bruder wie ein Idiot anglotzte, und sah den gleichen verblüfften Ausdruck im Gesicht seines Zwillingsbruders.
„Oh zur Hölle, nein“, zischte Kieran und bleckte die Zähne.
Kellan konnte alles andere auf dieser Welt haben, alles. Kieran würde, ohne zu zögern, sein Leben für Kellan lassen.
Aber dieses Mädchen… diese Frau… sie war sein.
2
Ich muss eine der unglücklichsten Personen auf diesem Planeten sein, dachte sie sich. Ganz einfach.
Dr. Serafina Khouri biss auf ihre Lippe, während sie einen Stapel Patientenakten balancierte, der sich anfühlte, als würde er sich bis zur Decke türmen.
Okay, okay. So schlecht ist mein Leben auch wieder nicht. Ich habe einen Job, ich habe ein Zuhause. Ich sollte nicht so viel jammern. Aber trotzdem…
Bis jetzt meinte es ihre Schicht in der Notaufnahme des Sloane Krankenhauses an diesem Dienstagmorgen nicht gerade gut mit ihr. Nachdem sie um vier Uhr fünfundvierzig am Morgen hier angekommen war, fünfzehn Minuten bevor ihre Schicht eigentlich begann, war sie von einer scheinbar nie endenden Welle an Fällen überschwemmt worden.
Ein Feuer in einem beliebten Vampirclub hatte die Notaufnahme mit Kith-Patienten gefüllt, die sich mit kleineren Verbrennungen und Rauchvergiftungen herumplagten. Auf einer Motorrad-Clubrally war ein Kampf zwischen einigen Wolfgestaltwandlern ausgebrochen, was bedeutete, dass Sera gebrochene Nasen, fiese Bisswunden und einige Gehirnerschütterungen behandeln hatte müssen. Mitten in all diesem Chaos hatten auch noch bei einem Bejahhb Dämon im Wartezimmer die Wehen eingesetzt und die Geburt von sechs sich windenden und mit Tentakeln ausgestatteten Babydämonen hatte Sera beinahe an den Rand eines Zusammenbruchs gebracht.
Sera hatte zwei Schalen Operationswerkzeuge fallen lassen, den Boden ihrer Arzthose ausgerissen und sich die empfindliche Haut an ihrem Innenarm mit der säurehaltigen Nachgeburt der Bejahhb Mutter verätzt. All das war während der ersten sechs Stunden ihrer Schicht passiert. Den Rest ihrer Schicht hatte sie zum Glück mit weniger Vorfällen hinter sich gebracht. Nun, es hatte keine Vorfälle mit Patienten mehr gegeben.
Das Personal war nochmal eine andere Sache. Obwohl Sera bereits etwas über ein Jahr im Sloane Krankenhaus arbeitete, war sie beim restlichen Personal nicht gerade beliebt. Insbesondere nicht bei Dr. Gregor Day und all den Krankenschwestern und Ärzten, die an seinen Lippen hingen. Der gut aussehende französische Gargoyle hatte Sera bereits an ihrem ersten Tag im Sloane ins Auge gefasst und sie nur wenige Minuten, nachdem er sie kennengelernt hatte, um ein Date gebeten.
Date war nicht einmal das richtige Wort für das, was er vorgeschlagen hatte. Er hatte sie gefragt, ob sie auf eine Flasche Wein zu seinem Apartment kommen wollte, „und vielleicht einen Film… falls wir so weit kommen“. Das war mit einem Augenbrauenwackeln einhergegangen, womit er angedeutet hatte, dass sie zu beschäftigt sein würden, schweißtreibenden Sex zu haben, um einen Film zu schauen.
Sera war errötet und hatte ihm einen Korb gegeben, beleidigt von seinen amourösen Annahmen. Damit hatte sich Sera unwissentlich für einen besonders steinigen Weg für den Rest ihrer Anstellung im Sloane Krankenhaus entschieden.
Dass sie Dr. Days Avancen abgelehnt hatte, schien Gregor schockiert zu haben und hatte für ordentlich Gesprächsstoff unter dem Krankenhauspersonal gesorgt. Wie konnte es Sera wagen, den großen, dunklen und gut aussehenden Arzt, nach dem sich jede heimlich verzehrte, abblitzen zu lassen? Sera hielt sich jedoch nicht nur an ihre strenge Regel, keine Arbeitskollegen zu daten, sondern sie fand Gregor auch zu aufdringlich und egoistisch.
Außerdem hatte Dr. Day einen eindeutig unfairen Vorteil Sera gegenüber, obgleich sie eine Weile gebraucht hatte, diesen Fakt aufzudecken. Durch die Adern von Gargoyles floss eine Menge natürliche Heilmagie, was bedeutete, dass Gregor einfach in einen Raum marschieren und beinahe jedes Leiden kurieren konnte. Die Leichtigkeit, mit der er seiner Arbeit nachging, ließ Sera grün vor Neid werden.
Ihre Adoptiveltern waren eine Kräuterhexe und ein Falkengestaltwandler, aber Seras eigene Kith-Kräfte blieben ein Rätsel. Von Zeit zu Zeit konnte sie etwas Heilmagie ausüben, aber den Großteil der Zeit musste sie sich den Arsch aufreißen, um sich um ihre Patienten zu kümmern. Ihre Sturheit war das Einzige, das Seras medizinische Karriere so weit vorangetrieben hatte, das und eine Menge langer Nächte. Sie wollte verdammt sein, wenn sie sich von dem Riesenego eines Mannes alles zunichtemachen lassen würde, wofür sie gearbeitet hatte.
Sie seufzte, als sie ein