„Das will was heißen“, meinte Aeric stirnrunzelnd. „Ciprian ist einer der arrogantesten Menschen, denen ich jemals begegnet bin. Ich benutze den Begriff Menschen hier sehr weitgefasst.“
„Ich denke trotzdem, dass das auf Cassies Vorhersage über Kieran und Kellan zurückgeführt werden kann“, sagte Gabriel und verschränkte die Arme. „Sie hat prophezeit, dass, wenn Pere Mal sie nicht tötet, jemand Größeres und Gefährlicheres nach ihnen suchen würde.“
„Nicht nach uns“, unterbrach ihn Kieran. „Schieb das nicht uns in die Schuhe. Der große böse Wolf soll angeblich eine Schicksalsgefährtin jagen. Einer von uns soll sich angeblich in eine Frau verlieben und sie wird das Ziel sein, nicht wir.“
„Ja, aber wenn der neue Boss ähnlich wie Pere Mal tickt, wird er euch jagen, um sie zu finden“, wandte Gabriel ein.
„Das ist sowieso alles sinnlos, da sich keiner von uns beiden verliebt hat“, sagte Kellan, dann zog er an Kieran gewandt eine Braue hoch. „Außer natürlich, du hast Gefühle für Emma entwickelt?“
Kieran kniff die Augen zusammen.
„Wen?“, fragte er. Die finstere Miene seines Zwillings machte deutlich, dass Emma das Mädchen war, das Kieran Kellan erst in der vergangenen Nacht ausgespannt hatte. „Ah, ja, an dieser Front gibt es nichts zu befürchten.“
„Offensichtlich nicht“, blaffte Kellan.
„Nun, bei dem Theater, das du veranstaltest, denke ich, dass es offenkundig ist, dass du derjenige sein wirst, der die todgeweihte Dame in Nöten als Schicksalsgefährtin bekommt“, stichelte Kieran, der nicht widerstehen konnte, das Messer noch etwas tiefer zu bohren.
Kellans Wangen röteten sich vor Zorn, aber er konnte kein weiteres Wort vorbringen.
„Tut mir ja leid, diese charmante Diskussion zu unterbrechen“, sagte Asher, „aber wir haben größere Sorgen. Pere Mal und der neue Kerl mögen zwar hinter den Kulissen ihre Fäden ziehen, aber wir haben immer noch andere Aufgaben zu erledigen. Und zwar gibt es ein ziemlich aggressives Nest junger Vampire in Treme und die erweisen sich als recht unangenehme Nachbarn.“
„Sie haben sich gestern Nacht ein Kind geholt und gebissen“, seufzte Rhys. „Und das nach einer Reihe anderer Beschwerden. Wir müssen das ganze Nest räumen und das Haus bis auf die Grundmauern niederbrennen, um sicherzustellen, dass sie nicht zurückkommen. Ihr wisst ja, wie territorial Vampire sein können.“
„Worauf warten wir dann noch?“, wollte Kieran wissen. „Lasst sie uns dem Erdboden gleichmachen.“
Kopfschüttelnd folgte Kieran dem Rest der Wächter zu dem wartenden SUV, bereit, Köpfe rollen zu lassen.
„Mannomann“, fluchte Kieran, während er einen Klumpen blutigen Schleims von seiner Schwerthand schüttelte. „Habe ich schon mal erwähnt, dass Vampire ekelhaft sind? Nicht zu vergessen, ihr schrecklicher Geschmack in Sachen Inneneinrichtung. Das ganze Haus befindet sich in einem Zustand irgendwo zwischen Opiumhöhle und etwas aus einem Anne Rice Roman. Es ist äußerst einfallsreich, nicht wahr?“
„Aye, aber wenigstens ist der Job erledigt“, erwiderte Rhys, der den Raum humorlos betrachtete. „Es sieht aus, als hätten wir alle erwischt, was meint ihr?“
Gabriel durchquerte den Raum mit einer Grimasse, wobei er kurz anhielt, um seine Klinge an einem Samtvorhang abzuwischen.
„Von diesem Nest bekomme ich Gänsehaut“, murrte Gabriel. „Ah, gerade zur rechten Zeit, hier kommt der Trupp vom Obergeschoss.“
Aeric kam als Erster die wacklige Treppe hinunter, dann tauchte Asher auf, der Kellan stützte, da dieser ganz eindeutig humpelte.
„Was zum Teufel stimmt mit dir nicht?“, fragte Kieran. Er sprach seine Worte lässig aus, aber das hielt ihn nicht davon ab, durch das Zimmer zu eilen, um nach seinem Bruder zu sehen.
„Verdammter Vampir hat mir ins Bein gebissen!“, ächzte Kellan. „Ins Bein, gottverdammt. Ich schwöre, ich hatte noch nie so viel Spaß dabei, jemanden zu enthaupten.“
„Hat er es geschafft, dich mit seinem Gift zu infizieren?“, erkundigte sich Rhys, der Kieran gefolgt war, um Kellans Verletzung in Augenschein zu nehmen. „Oh, ja, die Haut um den Biss verdunkelt sich bereits. Ich denke, wir werden dich zur Notaufnahme bringen müssen.“
Kellans Miene verdüsterte sich. „Ich hasse Krankenhäuser.“
Kieran signalisierte Asher, dass er ab jetzt als Stütze für seinen Bruder fungieren würde.
„Benimm dich nicht wie ein Kind“, stichelte Kieran gegen seinen Bruder. Erwartungsgemäß nahm Kellan sofort eine Verteidigungshaltung ein.
„Jeder, der von der Königlichen Gesellschaft gefangen genommen und viviseziert wurde, würde Ärzte hassen. Es hat einen Monat gedauert, bis du bemerkt hast, dass sie mich festhielten!“, protestierte er.
„Das war Anfang des 17. Jahrhunderts. Zu der Zeit gab es nicht einmal ein richtiges Postsystem. Außerdem ist das vier Jahrhunderte her. Meinst du nicht, es ist an der Zeit, dich deinen Ängsten zu stellen, kleiner Bruder?“
„Kleiner Bruder, dass ich nicht lache“, maulte Kellan, während Kieran ihm nach draußen und auf die Rückbank des Wächter SUVs half. „Mutter hat uns nie verraten, wer zuerst geboren wurde. Du hältst dich nur für überlegen. Hauptsächlich, weil du Wahnvorstellungen erlegen bist.“
Aeric und Rhys setzten sich auf die Vordersitze und Aeric fuhr zum Graumarkt.
„Bedenk doch einfach die Beweise“, sagte Kieran, der das Geplänkel zwischen ihnen aufrecht hielt. Kellans Verletzung begann bestimmt schon zu schmerzen. Eine Ablenkung konnte da nicht schaden. Er zählte seine Gedanken an den Fingern ab. „Ich bin ein Prinz des Lichthofes. Ich kann Feenglanz benutzen, um meine Gestalt zu verändern. Ich habe gelernt, meine Gestalt zu wandeln und mein Bär ist umwerfend. Ich kann starke Elementarmagie wirken, ich kann mühelos zwischen den meisten Existenzebenen hin und her springen – “
„Wir sind Zwillinge, du Knallkopf“, erinnerte Kellan ihn mit einem Augenrollen.
„Ich zähle nur die Tatsachen auf. Kein Grund, eingeschnappt zu sein. Oder geht es hier um die alte Licht versus Dunkelheit Debatte? Bist du immer noch böse, dass du die eindeutig weniger mächtige von zwei großartigen Kräften erhalten hast?“ Kieran zog herausfordernd eine Braue hoch, weil er wusste, dass das Kellan noch weiter auf die Palme bringen würde.
„Werdet ihr zwei endlich mal die Klappe halten?“, fluchte Aeric, als er gerade nördlich des French Quarter vor ein verlassenes Haus fuhr. „Man könnte meinen, wir fahren mit zwei Kindern auf dem Rücksitz herum.“
„Ist das das neue Portal zum Sloane Krankenhaus?“, wollte Kieran wissen, der auf das efeubewachsene, heruntergekommene Haus spähte. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit verfügte das Krankenhaus über einen Privateingang, der vom Rest des Graumarktes getrennt war. „Das letzte Mal war es noch drüben in der Holy Cross Nachbarschaft.“
„Zufälligerweise haben die Wächter ihren eigenen Eingang zum Sloane. Tatsächlich sind es sogar mehrere, die in der ganzen Stadt verteilt sind. Wir scheinen die Notfalldienste häufiger in Anspruch nehmen zu müssen als der Durchschnittsbärengestaltwandler“, erklärte Rhys.
„Schnieke“, scherzte Kellan. Ein Blick auf ihn offenbarte, dass er anfing zu schwitzen. Es musste viel passieren, bis einer der Gray Brüder Anzeichen von Unwohlsein zeigte, weshalb Kieran jetzt aus dem Auto stieg und Kellan ebenfalls rauszog.
„Okay, ich denke, diese Geschichte birgt auch einige Möglichkeiten in sich“, erklärte Kieran ihm, während er und Rhys Kellan halfen, die Betonziegeltreppe des Hauses zu erklimmen. Sie traten durch das Portal, fühlten den kurzen Verlust der Schwerkraft