Bloomwell - ein recht beschaulicher Ort. Sandra Busch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Busch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894063
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an. Er wirkt eher wie jemand, der gerne in aller Stille Kreuzworträtsel löst. Ich trete einen Schritt näher an die gerahmten Bilder heran. Auf jedem trägt Welsham eine Brille, beim Lesen genau wie beim Grillen. Okay, unter dem Imkerhut lässt es sich bloß vermuten. Es handelt sich genau um die Brille, die ich im Büro gefunden und die der stinkende Bones Welshams Familie zugeschickt hat. Ich fotografiere das Bild mit dem Grill ab und werfe gleich darauf links einen Blick durch die Tür. Dort liegt die Küche, ganz in Weiß gehalten. Es riecht unangenehm. Naserümpfend gehe ich hinein und öffne ahnungsvoll den Kühlschrank. Er ist vollgestellt, allerdings gammelt dort so einiges vor sich hin. Niemand hat sich die Mühe gemacht, ihn nach Welshams Tod auszuräumen. Ich halte den Zustand in einem weiteren Foto fest, bevor ich den Kühlschrank wieder schließe. Einer Eingebung folgend klappe ich danach den Backofen auf. In einer Auflaufform lacht mir etwas Verschimmeltes entgegen. Es erweckt in mir den Eindruck, als hätte ein Abendessen auf Welsham gewartet. Schade! Da ist der arme Kerl obendrein mit leerem Magen gestorben. Es folgt ein weiteres „Knips!“, bevor ich die Backofentür zuschlage. Nun begebe ich mich in den Raum des Todes: das Wohnzimmer. Wie in meinem Haus liegen die Deckenbalken offen und haben es Welsham damit ermöglicht, sich an einem von ihnen aufzuhängen. Die kleinen Schildchen mit den Ziffern der Spurensicherung befinden sich weiterhin vor Ort. Mit anderen Worten: Die Tatortreinigung war bisher nicht dagewesen.

      Bloody hell!

      Wie lange will die Polizei und Bloomwell das Haus als Tatort belassen? Allein das ist ungewöhnlich genug. Wie wild fotografiere ich drauflos: die Rolle Seil, von der sich Welsham ein passendes Stück abgeschnitten hat, und das Messer, das er dafür verwendete. Den Stuhl, auf den er gestiegen ist, und der umgefallen am Boden liegt. Am Deckenbalken sind leichte Scheuerspuren des Seils zu erkennen. Bestimmt hat die Spurensicherung dort Fasern gefunden und sie mit der Rolle und dem Stück um Welshams Hals verglichen. Eigentlich eine überflüssige Arbeit, doch es gilt ganz klar zu dokumentieren, dass Seilrolle und Mordwerkzeug zusammengehören.

      Hmpf.

      Ich stelle den umgeworfenen Stuhl auf und steige hinauf. Welshams Haus hat deutlich höhere Wände als mein eigenes und wirkt damit wesentlich freundlicher und heller. Ich bin kein Winzling, muss allerdings den Arm komplett ausstrecken, um die Handfläche auf den Deckenbalken legen zu können. Nachdenklich springe ich vom Stuhl herab und sehe mich weiter um. Keine Leiter. Okay, die habe ich nicht wirklich erwartet. Dafür entdecke ich eine Kommodenschublade, die ein wenig vorsteht. Jemand hat sie nicht richtig zugeschoben. Darum stöbere ich als Nächstes darin herum. Ich finde zwei dünne Bücher über Pflanzen und Insekten am Wegesrand, in einem Etui eine Sonnenbrille, mehrere Kugelschreiber und einem Block Briefpapier, der mit Welshams Initialen bedruckt ist. Dazwischen liegt die Fernbedienung des Fernsehers. Ich setze mir die Sonnenbrille auf. Sofort verschwimmt mein Sichtfeld und ich erkenne beinahe überhaupt nichts mehr. Damit steht für mich fest, dass Welsham auf seine Brille angewiesen war. Seltsam finde ich es nur, dass in der Schublade genauso ein Chaos herrscht, wie ich es im Büro vorgefunden habe. In den Kommoden und der Anrichte sieht es ähnlich aus, wie ich schnell feststelle. Entweder war mein Vorgänger ein recht schlampiger Mensch oder in den Möbeln wurde herumgekramt.

      Ich verlasse die Wohnstube und schaue lediglich kurz ins Bad und ins Schlafzimmer. Die Matratze ist leicht verschoben und das Bettzeug zerwühlt. Und es ist deutlich, dass auch hier in den Schränken etwas gesucht wurde. Der Stapel mit den Hemden droht zu kippen, die Unterwäsche ist völlig in Unordnung geraten und die Tasche einer Anzugshose sogar auf Links gedreht worden. Jemand hat das Haus durchwühlt. Und das in einem Ort, in dem man getrost die Türen offenstehen lassen kann. Wer’s glaubt, wird selig. Bloomwells Scheinheiligkeit stinkt wie der Bürgermeister zum Himmel.

      ###

      Zurück im Büro, trinke ich Tee und esse die Sandwiches. Dabei tippe ich meine Aufzeichnungen vom Vorabend ab, überspiele die Fotos vom Handy auf den Rechner und speichere die Dateien auf der Festplatte. Eine Kopie ziehe ich auf den USB-Stick, den ich gestern privat gekauft habe, und verwahre ihn in die Innentasche des Jacketts. Vielleicht bin ich ein bisschen paranoid, aber ich werde den Stick entweder bei mir tragen oder zu Hause sicher verstecken. Mir geistern nämlich nach wie vor Nathans SIE durch den Sinn. Es ist zum Mäusemelken, dass er mir nichts Genaueres mitteilen will. Sein mangelndes Vertrauen ist verständlich, trotzdem tut es weh.

      Hör schon auf, sage ich zu mir. Nur weil sich zwei Schwule rein zufällig irgendwo treffen, bedeutet das nicht, dass sie zwangsläufig etwas miteinander anfangen müssen oder sich sogleich auf einer Wellenlänge befinden.

      Wenn Nathan bloß nicht so attraktiv wäre. Und genau das ist er, trotz zerschrammter Finger.

      Boah, Alastair! Du bist wirklich ein Snob.

      Das Telefon klingelt. Völlig überrascht starre ich es an. Es läutet und läutet, ich habe es mir also nicht eingebildet. Aufgeregt schnappe ich mir den Hörer.

      „Exeter CID, Zweigstelle Bloomwell. Sie sprechen mit DI Culpepper.“

      Es ist George, der mir mitteilt, dass er einen Teil der angeforderten Unterlagen bereits zusammengetragen und zu einem Paket verschnürt hat. Er will es mir vorbeibringen, damit ich die Dokumente heute noch studieren kann. Obwohl ich richtig wild auf das Päckchen bin, bitte ich ihn, es möglichst unauffällig per Post zu schicken. Erneut habe ich Nathans Warnung im Ohr. Außerdem möchte ich keine blöde Ausrede für meinen Vorgesetzten erfinden müssen, wenn er nachfragt, in welcher Angelegenheit mir George Aufzeichnungen eines abgeschlossenen Todesfalles bringen soll. Denn natürlich würde eine Dienstfahrt nach Bloomwell eher Aufsehen erregen, als wenn George kurz bei der Post vorbeimarschiert. Und ich will ehrlich sein: Ein konkreter Beweis liegt mir nicht vor. Ich kratze gerade an der Oberfläche einiger seltsamen Ungereimtheiten herum. George erklärt sich mit der ungewöhnlichen Vorgehensweise einverstanden und verabschiedet sich.

      Fantastisch! Es geht voran.

      Genüsslich schlürfe ich den Rest Tee und entscheide mich zu einem weiteren Rundgang durchs Dorf. Immerhin hat es zu regnen aufgehört.

      ###

      „Hey! Was machen Sie da?“ Neben meinem Dienstwagen kniet ein Kerl im schmutzigen Overall und fummelt an den Reifen herum. Als ich ihn anschreie, springt er sofort auf. In seiner Hand hält er einen Radkreuzschlüssel.

      „Nun mal langsam“, brummt der Fremde, in dessen Mundwinkel ein Zigarettenstummel wippt.

      „Wer sind Sie?“, frage ich und deute auf den BMW. „Und warum machen Sie sich an meinem Wagen zu schaffen?“

      „Ich ziehe die Radmuttern nach.“ Er präsentiert mir das Werkzeug „Das macht man üblicherweise, nachdem man neue Reifen aufgezogen und das Auto ein Stück bewegt wurde. Ich dachte, ich komme Ihnen entgegen, indem ich das hier vor Ort erledige, statt Sie in die Werkstatt zu beordern.“

      „Oh. Also sind Sie Larry Coleman von der Tankstelle?“ Der ölig glänzende Scheitel des schmierig wirkenden Kerls lässt diese Schlussfolgerung zu.

      „Richtig, Sir. Ich dachte, Sie hätten mich wiedererkannt.“

      „Ich wüsste nicht, dass wir uns schon begegnet sind.“

      „In der Nacht, in der Sie angekommen sind, habe ich am Brunnen gesessen.“ Coleman deutet in die Richtung, aus der leise Wasser plätschert.

      „Ach, das waren Sie.“

      Er nickt.

      „Dann nichts für ungut. Sind die Radmuttern fest?“

      „Und wie.“ Er grinst. „In meiner Werkstatt erhalten Sie nur Qualitätsarbeit.“

      Na klar. Perfektes Bloomwell, perfekte Läden und perfekte Menschen. Allmählich geht mir die Selbstbeweihräucherung auf den Geist.

      „Kannten Sie eigentlich Mr. Welsham?“

      „Klar. War ein ziemlich gestörter Typ.“ Coleman zieht an seiner Zigarette.

      „Inwiefern?“ Trotz meiner spontanen Abneigung trete ich einen Schritt näher.

      Der Automechaniker zuckt mit den Schultern. „Welsham musste