2 Jahre später. Regina Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962556426
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Ein Grinsen, das Kais ganzes Blickfeld ausfüllte. Markus stand auf. Kai wich zurück. Er stieß gegen den Einkaufswagen und hätte ihn fast umgeworfen. Höhnisches Lachen schallte über den Parkplatz.

      »Meinst du?«

      »Klar. Soll ich es dir beweisen?«, fragte Markus und Kai wusste endgültig, dass er in Schwierigkeiten war. Hektisch sah er sich um. Niemand. Nur Autos und Asphalt. Hinter dem Transporter stieg eine Rauchwolke auf. Paps konnte ihn nicht sehen.

      Gut. Immerhin.

      »He, Stinker …« Markus kam näher. Schnupperte irritiert. »Alter, das ist ja noch schlimmer, als ich dachte. Du riechst wie ein Mülleimer.«

      »Ich arbeite halt.« Kai ballte die Fäuste. Mit einem von beiden konnte er fertig werden. Eventuell. Schade, dass sie zu zweit waren. »Würd dir auch mal guttun, dann müsstest du nicht auf dem Parkplatz rumlungern …«

      Markus’ Hand schoss vor und packte seine Schulter.

      »Vorsicht, Stinker.« Kai hörte Horsts Lachen. Aber er sah nur die Mitesser auf Markus’ Nase. Furcht krallte sich in seinen Bauch. Wenn das länger ging, würde Paps etwas mitkriegen und …

      »Was wollt ihr? Macht schnell, ich hab nicht ewig Zeit.« Er hob das Kinn.

      »Wir brauchen Geld. Hast du welches?«, fragte Markus und Horst wieherte wieder los.

      »Der? Der hat doch nie was. Guck ihn dir an. Ich wette, sie haben nicht mal ’ne Dusche daheim. Alles, was du von dem kriegst, ist die Krätze.«

      »Hm. Ist da ein Euro drin?« Markus zeigte auf den Einkaufswagen.

      »Parkchip«, brachte Kai hervor. Markus’ Hand auf seiner Schulter wog tausend Kilo. Und Paps konnte jeden Moment hinter dem Transporter hervorkommen …

      »Nehm ich.« Markus zuckte mit den Achseln.

      »Was?« Kai starrte ihn an. »Meinst du das ernst – ah!«

      Markus’ Daumen hatte sich in die weiche Stelle unter dem Schlüsselbein gegraben. Mit Mühe hielt er sich davon ab, laut zu schreien. Stattdessen stierte er geradeaus, mit zusammengebissenen Zähnen.

      »Und, Stinker? Kriegen wir den Parkchip?«

      Markus lächelte. Horst kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen. Und Kai nickte. Je schneller das hier beendet war, desto besser.

      Markus atmete in seinen Nacken, als er den Wagen in die Reihe schob. Kai pulte den Parkchip aus dem Schlitz und reichte ihn Markus. Der schnappte ihn sich. Er hielt das silberne Ding hoch und betrachtete es nachdenklich. Etwas Fieses kroch in seine Augenwinkel.

      »So billig ist der? Ne, dann will ich den nicht«, sagte er und schleuderte ihn Kai ins Gesicht. Markus war stark. Ein heller Schmerz durchzuckte Kais Wange. Aber nicht so schlimm, Hauptsache, Paps bekam nichts mit …

      »Was macht ihr da?«

      Nein. Kai fuhr herum. Paps kam mit geballten Fäusten auf sie zugeschlurft. Er sah zerbrechlich aus, mit dem krummen Rücken und der knittrigen Haut. Als könnte er jeden Moment zu Staub zerbröseln.

      Markus und Horst lachten laut auf. Kai konnte ihre schnellen Schritte hinter sich hören, als sie davonliefen. So ein Scheiß. Er sah den blöden Parkchip in den Gully kullern, wie in Zeitlupe. Seine Wange brannte.

      »Was war da los, Junge?«, fragte Paps mit seiner kraftlosen Altmännerstimme. »Ärgern die beiden dich immer noch? Nach all der …«

      »Halt die Klappe!«, rief Kai und hätte sich gleich darauf am liebsten selbst getreten. Aber er wollte das nicht mehr. Nicht mehr von den beiden genervt werden und nicht die Sorge in Paps’ Augen sehen, der eh schon zu viel am Hals hatte und … er wollte nicht mehr schwach sein. Nie mehr.

      Paps sah ihn an, lange. Bleierne Müdigkeit lag in den hellen Augen.

      »Das wird schon wieder«, sagte er leise. »Mach dir keinen Kopf, Junge. Irgendwann haben sie keine Lust mehr und geben auf.«

      Kai nickte. Dabei wusste er genau, dass sie das nicht würden. Seit der dummen Läusegeschichte hatte Markus einen Hass auf ihn. Na, kein Wunder. Nach der Infoveranstaltung damals hatten alle Kinder Markus Läusequelle genannt. Weil Kai ihn so genannt hatte und das blöde Wort war irgendwie hängengeblieben.

      Sie hatten ihm das nachgerufen, bis Markus auf dem Schulhof angefangen hatte zu heulen. Kai hatte ihn danach nie wieder weinen gesehen und davor nur einmal, im Kindergarten. Es hatte ihm entsetzlich leidgetan. Aber davon war Markus’ Blamage auch nicht besser geworden.

      Um allen zu zeigen, was passierte, wenn man ihn lächerlich machte, hatte Markus begonnen, ihn zu piesacken. Sieben Jahre lang büßte Kai nun schon für die Läusegeschichte, für die eigentlich niemand etwas gekonnt hatte. Na ja. Was sollte er machen? Seit er ins Gymnasium ging und Markus auf die Realschule, hatte er meistens seine Ruhe. Nur abends im Dorf war er nie ganz sicher, ob Markus nicht aus irgendeiner Ecke springen würde, um ihn weiter zu nerven. Richtig verprügelt hatte er ihn nie. Nur verhöhnt und mit Kleinigkeiten beworfen. Steine. Erdnüsse. Parkchips.

      »Können wir heimfahren?«, fragte er müde. »Ich muss duschen.«

      Paps nickte. Er schien erleichtert, dass Kai nicht darüber reden wollte.

      6. Arthur

      Die Uhr in der Eingangshalle tickte. Arthur saß auf den Treppenstufen, hielt ein Buch in den Händen und wartete. Manchmal schaffte er es, sich darin zu verlieren. Dann wieder war er unruhig, sprang auf, tigerte die Stufen hoch und runter, durchstreifte das ganze Haus und umrundete den Innenhof. Viel weiter wagte er sich nicht.

      Vor der Villa verlief die Straße. Sonst gab es nur den Wald. Und in den traute er sich immer noch nicht. Sobald er ein paar Schritte gegangen war, fühlte er sich verloren in der Düsternis, der Stille, die böse zu flimmern schien. Die Bäume, die dunkel über ihm aufragten, und der bewölkte Himmel kamen ihm vor wie ein schlechtes Omen. Verdammt, warum war er so ein Feigling?

      Als er zum dritten Mal in die kühle Luft der Eingangshalle zurückkehrte, brummte sein Handy. Erleichtert über die Ablenkung fummelte er es aus der Hosentasche. Vielleicht Kai, obwohl, der hatte die Nummer gar nicht …

      Es war seine Mutter.

      »Arthur, Schätzchen! Wie geht es dir? Nein, Moment, ich muss kurz … Arti, bleib kurz dran, ja? Da ruft mich wer an.«

      »Mach ich«, sagte er, aber sie war schon weg. Er seufzte. Unschlüssig sah er sich in der Eingangshalle um. Schaute auf seine Schuhspitzen. Braunschwarzer Dreck und Blattfetzen klebten daran. Andenken an den ergebnislosen Ausflug an den Waldrand. Man konnte den Matsch sogar riechen, erdig und schwer.

      Er wartete auf das helle Tuten. Wartete lange. Das Handy am Ohr wurde schwitzig-feucht, bis seine Mutter endlich zurückkehrte.

      »Tut mir echt leid, Schätzchen. Das war wichtig. Also, wie geht es dir? Ich hoffe, du isst nicht so viel.«

      »Nein, nein.« Beschämt dachte er an die vier Butterbrote, die er gefrühstückt hatte. »Mir geht’s super. Wie ist es bei euch?«

      »Oh, gut. Die Chevaliers haben uns eingeladen, ein paar Tage auf ihrer Jacht zu verbringen und wir sind gerade dahin unterwegs. Du kommst so lange allein zurecht, oder? Bist ja ein großer Junge.«

      »Ja, klar.« Er versuchte, besonders männlich zu klingen. Klappte so halbwegs. »Aber ihr kommt noch, oder?«

      »Natürlich kommen wir! Wir wollen doch unseren Lieblingssohn … Oh, Moment. Bin gleich wieder da.«

      Tuten. Arthur wartete eine Viertelstunde lang, dann beendete er den Anruf. Sie rief nicht zurück.

      Er seufzte schwer. So waren sie, seine Eltern. Vor zwei Jahren waren sie in Nepal gewandert und plötzlich hatten sie kein Netz mehr gehabt. Es waren die glücklichsten Stunden gewesen, die Arthur je mit seinen Eltern verbracht hatte. Sie hatten sich Wanderlieder ausgedacht und, obwohl sie ihn beide getadelt hatten,