2 Jahre später. Regina Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962556426
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man das Zeug etwa nicht runter?

      »Nicht schlecht.« Arthurs Stimme klang kratzig. »Trinkst du immer so schnell?«

      »Du etwa nicht?« Kai gab sein Möglichstes, um herausfordernd zu schauen, obwohl sein Hals schmerzte, als hätte er einen Wacholderbusch verschluckt.

      »Doch. Klar.« Einen Moment lang schaute Arthur verunsichert und Kai fragte sich, ob er vielleicht auch keine Ahnung hatte, was er tat … Aber das war nur Wunschdenken. Sekunden später war er wieder absolut souverän.

      Arthur setzte das Glas an die vollen Lippen und trank es aus.

      Dann schenkte er ihnen nach.

      Eine Stunde später war es dunkel und sie waren stockbesoffen. Kai war noch nie stockbesoffen gewesen. Er hasste es. Er hasste das Drehen in seinem Kopf, das leise Rauschen, das hinter allem lag und das nicht aus der Poolpumpe kam, und das wattige Gefühl in den Händen und im ganzen Körper. Aber er liebte den Glanz in Arthurs Augen, als der ihm, leicht lallend, etwas erzählte. Waren die schwarz? Leider war ihr Gespräch, ohne dass Kai es gewollt hatte, auf das übelste Thema überhaupt gekommen: Mädchen.

      »Ich hab sie mit in mein Zimmer geschmuggelt, über den Balkon, und dann haben wir es getan. Im Stehen«, behauptete Kai, der nie auch nur jemanden geküsst hatte. Aber vor Arthur konnte er nicht zurückstecken, oder? Der hatte gerade erzählt, wie er seine Lehrerin nachts im Klassenzimmer gepimpert hatte. Wie uncool wäre Kai bitte, wenn er nicht mithalten könnte?

      »Auch von hinten?«, fragte Arthur mit fachmännischem Blick.

      »Klar. Und … und auf der Weide, hinten bei Bauer Schulte.« Angeblich hatte das der Bruder von Tobias mit seiner Freundin gemacht und ganz sicher war Kai da auch nicht. Aber er musste mithalten. Sich konzentrieren. Egal, wie sehr sich der blöde Innenhof drehte.

      »Nicht schlecht.« Schwankend setzte Arthur sich auf und hob sein Glas. Kai stieß mit ihm an, versuchte es zumindest. Irgendwie glitt sein Glas an Arthurs vorbei und er fiel vornüber. Seine Stirn stieß gegen Arthurs. Zum Glück nur leicht und plötzlich füllten dessen Augen sein ganzes Blickfeld aus. Dunkel und traurig, mit tiefschwarzen, riesigen Pupillen. Wunderschön.

      Kai erstarrte. Arthur bewegte sich ebenfalls nicht. Und … etwas Warmes strich über Kais Lippen. Heißer Atem. Köstlich und beißend vom Whisky. Das Summen verstummte, die Poolpumpe verstummte und das Zirpen der Grillen verschwand.

      Mist.

      Er wollte …

      Als ihm klar wurde, was er wollte, schreckte Kai zurück. Eine Gänsehaut überzog seinen ganzen Körper. Seine Hand krampfte sich um das Whiskyglas, die andere, er wusste nicht, welche, in den weichen Stoff der Liege.

      Nein. Scheiße, verdammt, Arthur durfte nichts merken, er war ja … Er war verrückt. Aber es stimmte: Er wollte Arthur küssen.

      Kai traute sich kaum, den Kopf zu heben und Arthur anzusehen. Dessen Augen waren noch dunkler geworden und er schaute Kai an. Öffnete den Mund.

      »Willst du …« Arthur verstummte und riss die Augen auf.

      Er schlug die Hände vor den Mund, aber es nutzte nichts. Ein nasser Strahl drang zwischen seinen Fingern hervor und dann war das Mosaikmuster des Tischs unter einer Kotzlache verschwunden. Er krümmte sich vornüber, die Finger in die Lehne des Stuhls gekrallt und würgte, als wollte er seine Innereien loswerden.

      Kai wusste nicht, was er tun sollte. Vorsichtig stellte er das Glas auf die Liege und hob die Hand, um Arthurs Kopf zu tätscheln. Beim ersten Versuch verfehlte er ihn (blöder Schwindel), aber beim zweiten Mal berührten seine Finger seidig weiche Haare. Andächtig durchkämmte er sie, die Lippen zu einem dämlichen Lächeln verzogen, während Arthur den Tisch voll reiherte. Der Moment erschien ihm vollkommen und absolut magisch. Die schimmernde Mähne zwischen den Fingern, die Wärme von Arthurs Kopfhaut, die Geräusche des Sommers in der Dunkelheit, das trockene Rauschen der Bäume … Einen Augenblick lang mochte er sogar dieses hilflose, besoffen-wattige Gefühl im ganzen Körper.

      Irgendwann atmete Arthur nur noch schwer. Der bittere Geruch von Kotze lag in der Luft und seine Wangen glühten.

      »Tut mir leid«, murmelte er. »Tut mir echt leid, ich … Tut mir leid.«

      »Schon gut«, flüsterte Kai. Er sollte wirklich aufhören, Arthurs Kopf zu tätscheln. Ach, nur noch einmal … Arthur sah auf und endlich holte ihn die Realität ein. Halbwegs. Genug, um endlich die Hände von den seidigen Haaren zu lassen und zurück in die Liege zu sinken.

      »Uah.« Arthur sah angewidert auf die nass glänzende Tischplatte. Die leere Whiskyflasche war bis an ihren Rand gespült worden. Er wischte sich die Hände am Hemd ab.

      »Bestimmt hast du was Schlechtes gegessen«, lallte Kai. Ihm war übel.

      »Ne.« Arthur schüttelte den Kopf. Seine Augen glänzten feucht. »Ich bin nur … ich bin …« Er sah zu Boden. »Ich hab noch nie Whisky getrunken. Oder irgendwas. Ich bin so peinlich.«

      Kai blinzelte. Starrte Arthur an, der wie ein Häufchen Elend in der Liege hing.

      »Ich … ich auch nicht«, brachte er hervor. Etwas stieg in seiner Kehle auf. Ein Lachen und … etwas anderes. »Ich hab noch nie ein Mädchen geküsst.«

      »Was?« Jetzt war es an Arthur, ihn anzuschauen, als erblickte er ihn zum ersten Mal. Sein Kopf fiel zur Seite. »Echt?«

      Kai nickte. Der Schwindel wurde immer stärker. Aber ein wunderbares Gefühl dehnte sich in ihm aus, genau gleichzeitig mit dem Lächeln, das sich in Arthurs Gesicht ausbreitete.

      »Ich …« Ein Lachen drang aus Arthurs Kehle. »Ich auch nicht.«

      Sie prusteten beide los. Krümmten sich vor Lachen. Dann kotzte Kai quer über den Boden.

      Aber es war nicht so schlimm. Erstmal war er froh, das widerliche Gesöff loszuwerden. Und dann war da Arthurs Hand, die über seine Kopfhaut fuhr, immer und immer wieder. Irgendwie zärtlich.

      4. Arthur

      Da war etwas Warmes unter seiner Wange. Feucht und warm. Ein vollgesabbertes Shirt. Und darunter ein Brustkorb, der sich hob und senkte und seinen Schädel hob und senkte. Seinen Schädel, der hämmerte wie … ein Hammer? Ein besserer Vergleich fiel ihm nicht ein. Die Schmerzen waren zu groß.

      Arthur öffnete vorsichtig ein Auge und blinzelte in die Morgensonne. Kühle Luft kroch über seine bloßen Arme, die das kurzärmelige Hemd freiließ. Er sah die Lehne des Liegestuhls. Seine eigene Hand. Und das verblichene Grüngrau von Kais Shirt, auf dem er lag.

      Er lag auf Kai. Zumindest mit dem Kopf (der von Minute zu Minute heftiger pochte) und mit einem Arm. Irgendwann in der Nacht hatte er sich an ihn gekuschelt.

      Wie war er hierhergekommen? Warum waren sie nicht ins Bett gegangen? Alle Stellen, die nicht den warmen Leib neben ihm berührten, fröstelten und waren nass vom Morgentau. Aber da, wo er ihn berührte … Er roch Kai, mehr als gestern. Geschnittenes Gras und Motoröl waren noch da, aber darunter lag etwas Wildes, Würziges. Wie ein frisch gezündeter Feuerwerkskörper.

      Über sich hörte er ein leises Murmeln. Dann wieder regelmäßige Atemzüge. Kai schlief. Aber wenn Arthur aufstehen würde, würde er aufwachen, oder? Und er hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde und ob das seine oder Kais Idee gewesen war, dass sie hier lagen, und …

      Ein leichter Wind kam auf und trug einen weiteren Geruch an ihn heran. Igitt. Bitterkeit und Galle. So ähnlich wie der fiese Geschmack in seinem Mund … Ach, Kacke. Er wollte sich vor Scham zusammenkrümmen, als er an gestern Abend dachte. Er hatte … Er hatte sich total zum Trottel gemacht, vor Kai, der … Moment mal, der genau so geschummelt hatte? Richtig, Kai hatte auch noch nie getrunken. Oder geküsst.

      Sie hatten gelacht, zusammen, dann hatte Kai sich auch übergeben und dann hatten sie weitergelacht, die halbe Nacht geredet, über alles und nichts, zumindest wusste er nicht genau, über was. Und dann mussten sie eingeschlafen sein.