Der Raubgraf. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183517
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wenn Ihr des Teufels Gesandter wäret –! Doch was streit' ich mich mit Euch?« sprach der Graf verächtlich. »Wie der Herr so's Gescherr! Ah da kommt sie ja!«

      Der Graf stand mit dem Abgesandten des Bischofs auf dem oberen Burghof vor dem Palas, als Siegfried und Oda angeritten kamen, gefolgt von einem Falkonier, der einen verkappten Habicht auf der Faust trug und einen getöteten Entvogel am Sattel hängen hatte. Als sie vom Rose gestiegen herzu traten, sprach der Graf: »Ich bitte Euch, Gräfin Oda, sagt dem Ritter Rudolf von Dorstadt, ob Ihr hier als Gefangene gehalten werdet, oder ob Ihr mein gern hier weilender Gast seid.«

      Oda blickte verwundert erst den Grafen und dann den Ritter an und sagte darauf: »Ich genieße mit allem Dank die sorgliche Gastfreundschaft des Herrn Grafen.«

      »Schreibt's Euch auf, Herr, wenn Ihr schreiben könnt!« spottete der Graf.

      Aber Dorstadt sprach in einem sehr bestimmten Ton zu Oda: »Der hochwürdige Bischof von Halberstadt fordert Eure Entfernung vom Regenstein, gnädiges Fräulein, oder den Herrn Grafen trifft der Bann.«

      »Der Bann?!« rief Oda erschrocken, »um meinetwillen? Großer Gott! Dann muss ich fort, dann lasst mich fort, Herr Graf! gleich morgen, nein heute, heute noch!«

      »Nein! nein!« rief Siegfried schnell.

      Albrecht winkte ihm schweigen. »Darum doch nicht?« sprach er finster. »Jetzt will ich's, dass Ihr bleibt, Gräfin Oda!«

      »Und ich weiß, was ich von den Worten des Grafen von Regenstein zu halten habe«, sagte Ritter Dorstadt höhnisch.

      Graf Albrecht fuhr mit der Hand nach dem Dolch an seinem Gürtel, bezwang sich aber und sprach mit schallender Stimme und einem furchtbar drohenden Blick: »Verwegener! Lasst mich schleunig den Schweif Eures Rosses sehen, oder Ihr kommt nicht lebendig über die Zugbrücke!«

      Der Ritter wandte sich und bestieg sein Pferd. »Das will ich dir gedenken!« knurrte er, als er von dannen ritt.

      Oda war auf der Falkenjagd mit Siegfried so vergnügt gewesen. Sie ritt ihr eigenes Pferd und war eine gute Reiterin. Voll Freuden sprengten die beiden an dem lachenden Frühlingstage nebeneinander durch die Fluren dahin und pirschten auf das geflügelte Wild, das im Röhricht der Teiche um Michaelstein versteckt lag und dort von den Hunden aufgestöbert wurde. Siegfried strahlte von Glück an der Seite der Geliebten, die ihm so manches trauliche Wort, so manchen freundlichen Blick schenkte, und seine Hoffnung auf ihre Gegenliebe wuchs schneller als die Frühlingsblumen am Wegrain. Die Bäume prangten in leuchtendem Blütenschmuck, und die Höfe der Bauern standen wie in weißen Festgewändern, wie von luftigen Schleiern lieblich umwallt. Vogellieder tönten aus den Zweigen, und den beiden jungen Leuten klopfte das Herz in Lust und Fröhlichkeit.

      Als sie aber zu Hause Albrecht mit dem Ritter von Dorstadt trafen und das Verlangen und die Drohung des Bischofs hörten, kam es wie ein jäher Wassersturz über sie, der den einen mit ernüchternder Kälte aus wonnigen Träumen schreckte und die andere in Angst und Leid versenkte.

      Albrechts Antwort war allerdings ein starker Trost für Siegfried, denn er kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass dieser nun, da es der Bischof forderte, Oda ganz gewiss nicht von sich lassen würde. Aber es konnten noch weitere Schritte des Bischofs folgen oder andere unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die das Bleiben der Geliebten auf dem Regenstein zur Unmöglichkeit machten. Er überlegte sich daher, ob er nicht Oda seine Liebe gestehen sollte, damit sie nicht eines schrecklichen Tages von hinnen zöge ohne zu wissen, dass er sie liebte. Freilich bangte ihm, wie sie sein Geständnis aufnehmen würde. Eine fast geschwisterliche Vertraulichkeit hatte sich schnell zwischen ihnen eingebürgert, aber Oda war stets ruhig und gleichmütig, dass er in aller ihrer Huld und Freundlichkeit doch nicht das kleinste Zeichen von Liebe finden konnte. So verschloss er denn sein Geheimnis vorläufig noch und vertraute der Zukunft.

      Schon öfter hatte Albrecht in stiller Bewunderung die Augen an der anmutigen Erscheinung Odas geweidet. Ihr schlanker und doch kräftiger Wuchs passte so gut zu der jungen Heldengestalt Siegfrieds, ihr schön geformtes Antlitz mit der zarten Farbe und den sanften, seelenvollen Augen war von unwiderstehlichem Liebreiz; ihre Bewegungen, so leicht und natürlich, hatten etwas angeboren Edles und Würdevolles, und bei aller mädchenhaften Zurückhaltung zeigte ihr Wesen doch etwas fest und sicher in sich Ruhendes.

      Das alles gewahrte Albrecht mit Freuden, und als er die Gefühle des jüngeren Bruders, der in Sachen des Herzens wenig Selbstbeherrschung besaß, und die Kunst der Verstellung noch nicht zu üben verstand, erkannte, empfand er über diese Entdeckung eine große Genugtuung. Siegfried kam also seinen Wünschen auf halbem Wege entgegen und brachte damit seinen Plan, die beiden zu einem glücklichen Paare zu machen, der Ausführung einen großen Schritt näher.

      Sie ließ sich den ganzen Nachmittag, nachdem sie des Bischofs Drohung erfahren, nicht mehr sehen, sondern saß in Schwermut versunken auf ihrem Zimmer und grämte sich über die Gefahr, die ihretwegen das Haupt des Grafen Albrecht umschwebte, und die nur durch Erfüllung des bischöflichen Verlangens abzuwenden war. In der fast schlummerlosen Nacht beschloss sie, den Grafen um ihre Entsendung zur Äbtissin von Quedlinburg zu bitten.

      Das tat sie auch gleich am Morgen in einer sehr verzagten, wahrhaft rührenden Weise. Graf Albrecht sah sie mit einem so erstaunten und doch teilnahmsvollen Blicke dabei an, dass sie kaum Worte fand, ihren Gedanken Ausdruck zu geben, und ihr das Herz bis an den Hals hinauf klopfte.

      »Liebes Fräulein!« sprach er mild und freundlich, »um mich sorgt Ihr Euch des angedrohten Bannes wegen?«

      Oda zitterte am ganzen Körper; tief verlegen stand sie da, den Blick zu Boden gesenkt, keines Wortes mehr mächtig. Es war wieder in Albrechts Zimmer.

      »Darüber beruhigt Euch, Gräfin Oda,« fuhr er tröstlich fort, »des Bischofs Bann würde mich wenig kümmern, wenn er es wirklich wagen sollte, ihn auszusprechen. Mit Gewalt will ich Euch nicht halten, aber die Drohung mit dem Banne ist kein Grund, dem Bischof den Willen zu tun. Er hat es nur auf Euer Erbe abgesehen und bietet alles auf, Eurer habhaft zu werden, um Euch zur Verzichtleistung zu zwingen. Und dann bedenkt doch,« fügte er lächelnd noch hinzu, »was für ein Gesicht Siegfried machen würde, wenn ich Euch fortließe?«

      Das holde Mädchen schlug die schimmernden blauen Augen groß und klar zu ihm auf, als hätte sie die Anspielung gar nicht verstanden. Treuherzig frug sie: »Wünscht Ihr es, Herr Graf, dass ich bleibe?«

      Er hielt ihr die Hand entgegen und sagte mit innigem Ton: »Ja! bleibet, Gräfin Oda! ich wünsche es, ich wünsche es sehr!«

      »Dann bleibe ich!« kam es rasch wie ein unterdrückter Freudenruf von ihren Lippen, und seine Hand mit einem leisen Druck berührend, eilte sie verwirrt und hocherrötend hinaus.

      Graf Albrecht stand und starrte gedankenvoll auf die Tür, durch welche die Liebliche so plötzlich entschwunden war.

      Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. – »Dummes Zeug!« murmelte er kopfschüttelnd und wandte sich mit einer raschen Bewegung ab.

      Jetzt trat Schatte, sein Leib- und Schildknecht ein, und meldete: »Stiftsschreiber aus Quedlinburg!«

      Albrecht stutzte, winkte aber dem Knechte, den Schreiber heraufzuführen. »Sie mahnt,« sprach er lächelnd zu sich selber, »aber ich konnte doch hier nicht fort. – Willkommen, Florencius! wagt Ihr Euch wieder einmal in die Höhle des Raubgrafen?« begrüßte er den Eintretenden.

      »O Herr Graf,« erwiderte der Schreiber mit einer tiefen Verbeugung, »nicht in Abrahams Schoß fühlte ich mich sicherer als im Horst unsers edlen Schirmvogtes.«

      »Du fröhlicher Scholar!« lachte der Graf, »hast immer ein gutes Wort an rechter Statt. Was bringt Ihr, wackerer Florencius? ein zorniges Schreiben?«

      »Nein, nur tausend Grüße unserer gnädigen Frau –«

      »Und ich soll kommen, nicht wahr?«

      »Ja, Herr Graf! darauf läuft es hinaus; ich habe es mir alles eben noch einmal genau überhört,« sagte Florencius.

      »Sparet Euch und mir die Litanei, ich nehme