Ihr war es egal. Das schillernde Nachtleben Hamburgs hatte seinen Reiz, und sie war ihm erlegen.
Ricky, der zehn Jahre ältere Mann, schmückte sich mit der schönen jungen Frau.
Dass in seinem Club andere junge, zumeist nackte Mädchen für ihn tanzten und sich den gierigen Blicken der Männer hingaben, ignorierte sie völlig. Von seinen Geschäften wollte sie nichts wissen und sie wurde auch von Ricky immer weggeschickt, wenn andere Männer geschäftlich mit ihm sprechen wollten.
Auch keins der anderen Mädchen sprach mit ihr, denn sie war ja das Liebchen vom Chef.
So entfernte sie sich, ohne es selbst zu merken, immer weiter von einem normalen Leben.
Kapitel 7
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelt und Ricky hebt den Hörer ab. Die Stimme seines Lieferanten für Drogen dringt erschreckend laut in sein Ohr.
»Wo ist mein Geld?«, brüllt es aus dem Hörer.
Er hat ja recht, denkt Ricky, aber ich kann ihm ja schlecht sagen, dass seine kleine süße Freundin sich mit der Million aus dem Staub gemacht hat und er keine Ahnung hat, wo sie ist.
»Du bekommst deine Kohle«, antwortet er deshalb.
»Ich brauche nur noch ein paar Tage.«
»Eine Woche, nicht länger!«, schallt es aus dem Hörer.
»Du weißt, was sonst mit Leuten wie dir passiert.«
Bevor Ricky etwas erwidern kann, hört er nur noch ein Tuten aus dem Hörer. Sein Lieferant hat schon wieder aufgelegt.
Ricky hat Angst und braucht einen Augenblick, um sich zu fassen, bevor er seine Gorillas hereinruft.
»Ich will diese Schlampe«, brüllt er.
»Es ist mir egal, wie ihr das anstellt. Findet sie. Und jetzt raus. Ich will euch erst wieder sehen, wenn ihr sie gefunden habt. Geld spielt keine Rolle, aber bringt sie mir, lebend und in einem Stück. Wenn ich mit ihr fertig bin, verspreche ich euch, könnt ihr auch noch euren Spaß haben, bevor wir sie einbetonieren.«
Die Gorillas drehen sich um und verlassen schnell den Raum, froh darüber so glimpflich davon gekommen zu sein.
Ricky schnappt sich seinen Helm, denn auch er fährt eine Maschine. Eine schwere Harley Davidson, mit getuntem Motor und einem Hammersound.
Er braucht Luft und nirgendwo bekommt man die besser als auf dem Sattel einer Harley Davidson und mit der Nase im Wind.
Ricky geht in die Garage, die er extra für dieses Motorrad gemietet hat. Er setzt sich, startet das Bike und schon das satte Brummen des Motors und die Vibrationen der ganzen Maschine beruhigen sofort sein Gemüt. Er macht sich auf den Weg ins Clubhaus, zu den befreundeten Rockern der Eagles, einer Motorradgang. Die haben schon öfter Aufträge für ihn erledigt, und vielleicht können sie ihm ja auch jetzt helfen. Für Geld tun die Jungs eben alles.
Kapitel 8
Clark versucht den heißen Kaffee zu trinken, aber er muss noch etwas damit warten. Also beißt er erst mal herzhaft in ein Brötchen, das die schöne Bedienung ihm gebracht hat. Verstohlen schaut er zu ihr hin. Sie scheint völlig abwesend zu sein und bemerkt seine Blicke nicht. Ihre verträumten Augen scheinen durch alles hindurch zu sehen.
Auch gut, denkt er. So habe ich wenigstens meine Ruhe.
Erst jetzt bemerkt er, was für einen Hunger er hat. Das Frühstück verschwindet schnell zwischen seinen weißen Zähnen, und auch der Kaffee hat nun die richtige Temperatur.
Als er fertig ist, macht er sich bereit zu gehen.
»Hallo Fräulein, ich möchte bitte zahlen«, ruft er zur Theke. Wie schon bei seiner Ankunft bleibt sie verträumt stehen. Keine Reaktion von der schönen jungen Frau. Er steht auf und geht auf sie zu. In dem Moment schreckt sie aus ihren Träumen auf.
»Ja, ich mache Ihre Rechnung sofort fertig«, sagt sie.
Clark begleicht die Rechnung und fragt sich dabei, in welcher Traumwelt sie eben wohl war. Dann wendet er sich ab und geht auf die Ausgangstür zu.
Clark hat die Hand schon auf dem Türgriff, als er sich noch einmal umsieht.
Viel später fragt er sich, warum er das wohl getan hat. Candy steht vor der Theke und schaut ihm nach. Er schaut direkt in die wunderschönen dunklen Augen von der fremden Bedienung und registriert zum ersten Mal, welch eine Schönheit sie doch ist. Wie von einem Magneten angezogen, geht er die wenigen Schritte zurück auf sie zu. Er nimmt ihr zartes Gesicht in seine kräftigen Hände und spürt zum ersten Mal die Weichheit ihrer Haut. Langsam, ohne den Blickkontakt zu verlieren, senkt er den Kopf und berührt ganz sanft mit seinen Lippen die ihren.
Beide spüren es wie einen Blitz, der einschlägt, elektrisierend vom Kopf bis zu den Zehen.
Die weichen Lippen aufeinander erzeugen ein himmlisches Gefühl, das federleicht durch ihre Körper fließt.
Als er den Kopf wieder hebt, hört er leise ihre Stimme sagen: »Kann ich das noch einmal haben?«
Da auch ihm sein Gefühl dasselbe sagt, finden seine Hände noch einmal ihre weichen Wangen, und eine weitere wunderschöne Berührung ihrer Lippen lässt die Zeit kurz stehen bleiben.
Von Gefühlen übermannt, die er so noch nie gefühlt hat, lässt er von ihr ab und geht, ohne noch einmal zurückzublicken, zu seinem Motorrad.
Er weiß es noch nicht, aber wenn er in diesem Moment sein Herz hören könnte, wäre ihm jetzt schon klar, wie sehr dieser Kuss alles verändert.
Er schwingt sich in den Sattel seiner Honda, startet sie und fährt mit durchdrehenden, laut quietschenden Reifen davon.
Zurück lässt er eine ängstliche junge Frau, deren Gefühlswelt soeben völlig aus den Fugen geraten ist.
Schon auf den ersten Metern seiner Fahrt inspiriert ihn der Kuss von eben, und ein weiteres Gedicht entsteht.
Der Kuss
Mit Lippen wie Samt
ein Kuss von dir
Die Zeit bleibt stehen
im Jetzt und Hier
Ein Moment tiefen Gefühls
den du mir gibst
Wenn Lippen sich treffen
merke ich, wie du liebst
Mein Körper darauf reagiert
wenn Zungen sich berühren
Erregung macht sich breit
ich liebe es das zu spüren
Ich gebe auch selber gern
den Kuss an dich zurück
Mit grenzenlosem Vertrauen
fühle ich nur das Glück
Er hält an und holt sein Handy aus der Innentasche seiner Lederjacke. In dieses Handy notiert er seine Gedanken und wünscht sich, dass irgendwann mal ein Buch aus seinen geschriebenen Gedichten wird.
Kapitel 9
Candy steht starr vor ihrer Theke und versucht zu verstehen, was da gerade passiert ist. Ihr Körper zittert noch, als wenn sie unter Strom stehen würde. Ihre Lippen brennen noch süß und feucht. Eine nie da gewesene Wärme breitet sich in ihrem Körper aus. Sie hat schon tausendmal geküsst, aber so hat sie sich noch nie nach einem Kuss gefühlt. Die Zärtlichkeit und Sanftheit, mit der der Fremde ihr Gesicht in seinen Händen gehalten und ihre Lippen berührt hat, war für sie neu und unbekannt.
Noch nie hat ein Mann sie so sanft berührt. Wie es wohl wäre, ihn in die Arme schließen