Nun stellen Sie sich vor, dass die Eltern in der Nähe sind, um zu helfen, während das Kind dabei ist zu lernen, die Objekte in die passenden Öffnungen zu platzieren. Wenn das Kind ein rotes Dreieck in das dreieckige Loch steckt, das rot eingefasst ist, rufen die Eltern: »Hurra!«. Wenn es aber stattdessen ein blaues Dreieck dort hineintut, sagen sie: »Nein, das ist nicht das richtige. Guck mal… welches hat die gleiche Farbe?« Weil das Kind noch nicht über Sprachkompetenzen verfügt, versteht es die verbalen3 Hinweisreize nicht, die die Eltern ihm gerade gaben. Möglicherweise nehmen die Eltern die Hand des kleinen Kindes, führen sie zum roten Dreieck und sagen: »Siehst du, das hat die gleiche Farbe,« und loben es, wenn es die Figur in das richtige Loch steckt. In dieser Situation schaffen die Eltern einen sozialen Kontext, der es dem Kind erlaubt, die Bedeutung eines kontextuellen Hinweisreizes zu erlernen, in diesem Fall das Word »gleich«, das die Art der Beziehung beschreibt, die die Farbe der Figur und die Farbe des Loches haben.
Sobald das kleine Kind gelernt hat, dass das Wort »gleich« eine Beziehung der Äquivalenz zwischen zwei Dingen herstellt, können seine Eltern ihm beibringen, andere Objekte und Ereignisse auf dieselbe Weise in Beziehung zu setzen, z. B. dass »Katze« und das in Fell gehüllte Lebewesen zu seinen Füßen das gleiche sind. Viele kontextuelle Hinweise können dieselbe Art von Beziehung herstellen (z. B. »ist«, »wie«, »ähnlich«, »gleich«). Sie müssen diese Beziehung nicht mit Worten ausdrücken. Beispielsweise kann Gleichheit durch die Anwendung von Symbolen wie »=» oder durch Gesten hergestellt werden, wie wenn man mit dem Zeigefinder auf jemanden zeigt, während der Namen laut ausgesprochen wird.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie Sprache sich zunächst auf der Basis von operantem Erlernen von Beziehungen entwickelt, die von Merkmalen des Lernkontextes bestimmt werden. In diesem Fall beruhte die Beziehung auf intrinsischen Merkmalen – der Form und der Farbe der Figuren und der Löcher. Zu erlernen, intrinsische Beziehungen zu entdecken, ist ein Vorläufer des symbolischen Lernens. Es ist nicht in sich selbst symbolisch und es ist auch keine Fähigkeit, über die nur Menschen verfügen. Säuglinge, Fische oder Tauben können mit Leichtigkeit Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Farben und Formen erlernen, aber sie können keine Werte miteinander vergleichen, die sozial festgelegt werden.
1.6.2 Beziehungen können symbolisch sein
Einmal gelernt, können kontextuelle Hinweisreize, mit deren Hilfe Beziehungen spezifiziert werden, auf jedes Objekt oder Ereignis in unserem Umfeld angewandt werden. Für ein kleines Kind, das noch nicht in der Lage ist, symbolische Beziehungen herzustellen, ähnelt ein Wort, das es hört, den Sternen am Nachthimmel – ohne Beziehung zueinander und frei von Bedeutung und Zweck. Sobald es aber lernt, Dinge als gleich oder bei oder heller als zu bewerten, kann es diese fernen Punkte auf unendlich viele Arten in Beziehung zueinander setzen. »Siehst du diese neun Sterne dort? Das ist das Sternbild Löwe, weil es wie ein Löwe aussieht. Das ist das Sternbild deiner Schwester – sie wurde im August geboren, was sie zu einem Löwen im Horoskop macht.« Wenn jemand dem Kind zeigt, wie die Sterne zu Sternbildern verbunden werden können, ergeben Elemente, die einst isoliert voneinander waren, plötzlich einen Sinn. Wenn das Kind die Sterne dann oft genug als Sternbild betrachtet, wird es schwer, sie so zu sehen wie früher; sie sind nicht mehr unzusammenhängend und ohne Bedeutung. Wenn das Kind 15 Jahre später eine Reise macht, die es weit von seiner Familie fortführt, wird es die neun Sterne betrachten und sich seiner Schwester nahe fühlen. Es könnte sogar lernen, Sternbilder bei der astronomischen Navigation zu nutzen, um dadurch zu klären, wo es sich auf diesem Planeten befindet. Dies entspricht dem Einfluss, den Sprachentwicklung auf symbolisches Lernen besitzt.
Die Relational Frame Theory nennt dieses Verhalten symbolisch, weil relationale kontextuelle Hinweisreize beliebig eingesetzt werden können. Sie gründen auf sozialen Konventionen und sind unabhängig von den intrinsischen Eigenschaften der Dinge, die miteinander in Beziehung gesetzt werden. Wir können morgen gemeinsam entscheiden, dass Apfel jetzt das Wort für Banane ist, und Banane das neue Wort für Apfel. Dies ist damit gemeint, wenn wir sagen, dass relationale Hinweisreize soziale Konventionen sind: Wenn wir alle entscheiden würden, die Benennung von Dingen zu verändern, könnten wir das tun. Wir müssen dazu nur die relationalen Hinweisreize spezifizieren. Was zunächst willkürlich erscheint, wird bald als gültig akzeptiert. Genau dies geschieht, wenn wir uns dazu entscheiden, den Namen eines Konzepts zu verändern, weil er nicht länger angemessen erscheint. Zum Beispiel werden die Länder der Dritten Welt nun Entwicklungsländer genannt, weil man das für respektvoller hält. Das kann sich aber auch wieder ändern. Es dauert eine Weile, unsere Gewohnheiten zu verändern, aber eine simple Veränderung einer sozialen Konvention kann zum Auftreten dieser neuen Bezeichnung führen.
Weiterhin hat diese Fertigkeit den folgenden außergewöhnlichen Vorteil: Der Einsatz sprachlicher Symbole ermöglicht es, letztlich alles in die Gegenwart zu bringen. Und zwar auch dann, wenn es physikalisch gar nicht in der menschlichen Umwelt vorhanden ist. Stellen Sie sich vor, dass das Kind mit seinen Spielsachen spielt. Das rote Dreieck ist unter dem Brett versteckt. Wenn die Eltern das Kind fragen: »Wo ist das rote Dreieck?«, dann wird das Kind, das inzwischen ein rudimentäres Sprachverständnis entwickelt hat, und daher versteht, was diese Worte bedeuten, erkennen, dass das rote Dreieck nicht vorhanden ist. Es wird anfangen, das Dreieck an verborgenen Plätzen zu suchen. In den nächsten Kapiteln werden wir sehen, dass dies ein kraftvolles Werkzeug ist, um Elemente aus dem Leben von Patienten in den Behandlungsraum zu bringen. Das Erfassen und Verändern psychologischer Probleme wird möglich, ohne direkt in das natürliche Umfeld des Patienten eingreifen zu müssen.
1.6.3 Es gibt eine Vielzahl symbolischer Beziehungen
Wenn Dinge nur durch ihre Ähnlichkeiten miteinander in Beziehung gesetzt werden könnten, wäre der Nutzen von Sprache äußerst begrenzt. Möglicherweise begann Sprache tatsächlich mit der Beziehung der Gleichheit. Das ist die einfachste Beziehung und besonders bedeutsam für Kooperation. Hier ist die Beziehung zwischen zwei Objekten in beide Richtungen genau gleich – wenn zwei Objekte äquivalent sind, dann bedeutet »dies ist wie das« das gleiche wie »das ist wie dies.« Das erleichtert es, Informationen über ein Ereignis in Abhängigkeit von seiner Beziehung zu einem anderen zu abstrahieren (z. B. die Bedeutung eines Bezugsobjektes für eine Person in das Hier und Jetzt zu übertragen, indem der Name des Objektes genannt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Aussage: »Du wirst mein Haus leicht finden. Es sieht aus wie ein altes viktorianisches Haus.«) Diese Fähigkeit wurde von jener kooperativen Spezies von Primaten, genannt »Mensch«, vortrefflich genutzt. Es gibt jedoch keinen Grund zur Annahme, dass damit die Auswirkungen von »Bezugnahme« ausreichend oder vollständig beschrieben wären. Das sind sie nämlich nicht.
Eine Welt voller Symbole, die sich in unser tatsächlich wahrgenommenes Umfeld einfügt, wird erst richtig komplex, wenn man sich der Vielfalt der möglichen Bezugnahmen bewusst wird. Forscher, die sich mit der Relational Frame Theory befassen, haben die Herstellung von Bezugsrahmen innerhalb unterschiedlicher Domänen nachweisen können: Gegensätze (z. B. Dymond & Barnes, 1996), Vergleiche (z. B. Dymond & Barnes, 1995), Hierarchie (z. B. Slattery & Stewart, 2014), zeitliche Struktur (z. B. O’Hora, Roche, Barnes-Holmes & Smeets, 2002) oder Perspektive (z. B. McHugh, Barnes-Holmes & Barnes-Holmes, 2004). Die genannten und viele weitere Bezugsrahmen sind von Bedeutung, wenn es darum geht, Fragestellungen in der Behandlung von Patienten zu analysieren und angemessene Therapien festzulegen.