Ein 85-mm-f/1.8-Objektiv
Neben meinem Favoriten mit 70–200 mm ist das 85 mm f/1.8 mein zweitliebstes Objektiv für die Porträtfotografie. Dank der großen Blendenöffnung wird der Hintergrund extrem weich und üppig (ungewöhnliches Wort in diesem Zusammenhang, aber so ist es) abgebildet. Hierbei gilt die Faustregel: Je niedriger der f-Wert ist, desto unschärfer fällt der Hintergrund aus. Warum dann nicht gleich zu einem f/1.4- oder gar f/1.2-Objektiv greifen? Bei solch extrem weit geöffneten Blenden ist die Schärfentiefe und damit auch die Fehlertoleranz beim Scharfstellen extrem gering. Unachtsamkeit kann dann ganz schnell zu unscharfen Aufnahmen führen. Der sichtbare Unterschied zwischen Blende f/1.8 und f/1.4 rechtfertigt in meinen Augen nicht die dafür erforderliche Präzision beim Fokussieren. Ich habe Testreihen mit demselben Motiv bei f/1.8 und f/1.4 durchgeführt, und keiner der Probanden konnte zuverlässig erkennen, um welches Objektiv es sich handelte – etwa die Hälfte der Antworten waren falsch. Neben den Problemen beim Scharfstellen (dazu später mehr) spielen auch Preis und Gewicht eine Rolle. Ein 85 mm f/1.4 von Nikon kann über 1.500 € kosten, während Sie ein 85 mm f/1.8 vom gleichen Hersteller für unter 500 € bekommen – zudem bringt Letzteres ein Drittel weniger Gewicht auf die Waage. Wichtig: Jeder Fotograf braucht ein »schnelles« Objektiv in seiner Ausrüstung, das dank Blendenöffnungen zwischen f/2.8 und f/1.2 auch bei schwachem Licht scharfe Aufnahmen aus der Hand ermöglicht. Der Preis steigt mit abnehmendem Blendenwert, doch es finden sich immer wieder gute Angebote, beispielsweise ein Nikon oder Canon 85 mm f/1.8 für unter 350 €. Das ist ein verdammt schnelles Objektiv zu einem wirklich günstigen Preis, und Sie haben damit stets eine Linse für schnelle und scharfe Aufnahmen bei fast jedem Licht im Gepäck.
Ein schnelles 135-mm-Porträt-Zoom
Neben meinen beiden Favoriten, dem 70–200 mm f/2.8 und dem 85 mm f/1.8, gibt es unter Porträtfotografen noch eine weitere sehr beliebte Brennweite (ich selbst verwende sie allerdings nicht). 135 mm gilt unter Fotografen als perfekter Wert für Porträts, da sie genau jene Linsenkompression aufweist, die zur vorteil- und schmeichelhaften Abbildung von Gesichtern führt. Noch längere Brennweiten wirken sich nur noch geringfügig auf den Kompressionseffekt aus. Für manche ist eine solche Kompression jedoch schon zu perfekt. Das 135 mm f/2 von Canon erzeugt für einen günstigen Preis von unter 1.000 € atemberaubend weiche, fast schon cremige Hintergründe. Besitzer von Sony-Kameras müssen in ein Sony 135 mm f/1.8 mit rund 2.000 € doppelt so viel investieren, können aber auf das Sigma Art-Objektiv mit f/1.8 (Bild oben) ausweichen, das über 500 € günstiger ist. Zum ungefähr gleichen Preis gibt es auch eine Version für Nikon-Kameras. Nikon bietet eigene Objektive in dieser Kategorie in derselben Preisklasse an, doch diese wirken recht altmodisch, sodass ich das modernere Sigma Art-Objektiv bevorzugen würde.
Weitwinkel-Objektive für Porträts vermeiden
Wenn Sie Menschen richtig gut aussehen lassen wollen, gebe ich Ihnen folgenden freundschaftlichen Rat: Machen Sie einen großen Bogen um Weitwinkel-Objektive. Denn diese verursachen Verzerrungen – und verzerrte Gesichter sehen in der Regel nicht besonders attraktiv aus. Zudem werden Teile des Motivs an den Bildrändern gestreckt, so wie der Fuß des Mannes im Bild oben. Dadurch sind Sie gezwungen, Ihr Motiv in die Bildmitte zu rücken. Aus diesen Gründen empfehle ich Zoom-Objektive mit einer Brennweite von mindestens 85 mm, die zu einer deutlich vorteilhafteren Abbildung Ihrer Motive führen. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel: Wenn die Umgebung in einem Porträt relevant für die gesamte Bildaussage ist, brauchen Sie ein Weitwinkel-Objektiv. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Rennfahrer, der vor seinem Boliden posiert, während im Hintergrund die Rennstrecke zu sehen sein soll. Mit einem Weitwinkel-Objektiv bannen Sie auf Kosten der vorteilhaften Abbildung der Gesichtszüge die gesamte Szenerie auf den Sensor, wodurch das Motiv in den Kontext mit seiner Umgebung gesetzt wird. Da die Verzerrung zu den Bildrändern hin stärker wird, sollten Sie bei der Verwendung eines Weitwinkel-Objektivs Ihr Motiv inklusive seiner Extremitäten so exakt wie möglich in der Bildmitte halten, um irritierende Verzerrungen des Gesichts und des Körpers zu vermeiden.
Sollten Sie jemals ein Porträt mit einem Weitwinkel-Objektiv fotografieren?
Einige sehr erfolgreiche Fotografen nutzen Weitwinkel-Objektive für Porträtaufnahmen, weil sie einen ganz bestimmten Look erzielen möchten. Solche Fotografen verfügen über fundierte Kenntnisse in Sachen Porträtfotografie – sie kennen die Regeln, was den Einsatz langer Brennweiten für bessere Ergebnisse betrifft, doch sie brechen diese Regeln ganz bewusst, um ihre kreativen Vorstellungen zu verwirklichen. Darüber hinaus sind sie sich der Einschränkungen von Weitwinkel-Objektiven bewusst und arbeiten innerhalb ihrer engen Grenzen. Spielen Sie selbst mit dem Gedanken, Weitwinkel-Porträts aufzunehmen, sollten Sie dies erst tun, nachdem Sie ausreichend Erfahrung im Umgang mit längeren Brennweiten gesammelt haben. Denn Sie können die Regeln nur brechen, wenn Sie diese kennen. Ich habe viele schreckliche Porträts von Fotografen gesehen, die nie den Umgang mit langen Brennweiten gelernt haben – ihre Unwissenheit spiegelt sich in der Qualität ihrer Bilder wider. Werfen Sie einen Blick auf die beiden Bilder oben. Die linke Aufnahme wurde mit einem Weitwinkel-Objektiv gemacht, während das rechte Bild vom gleichen Motiv in derselben Umgebung mit der schmeichelhaften längeren Brennweite entstand. Das linke Bild ist nicht schlecht, das Motiv ist ganz gut in Szene gesetzt, aber das rechte Foto zeichnet die Gesichtszüge des Modells viel vorteilhafter nach – ein Verdienst des verwendeten Porträt-Zooms. Deshalb sollten Sie nicht gleich mit Weitwinkel-Porträts beginnen, sondern sich erst einmal mit Objektiven mit längeren Brennweiten vertraut machen, bevor Sie sich für den Weg des Weitwinkels entscheiden.
Warum ich Nahaufnahmen mit 50-mm-Objektiven vermeide
50-mm-Objektive sind praktisch, wenn Sie beispielsweise die ganze Person bei Modeaufnahmen ablichten. Geht es allerdings nur um die Kopf- und Schulterpartie, kommt es zu unschönen Verzerrungen im Gesichtsbereich, die dem Motiv nicht gerade schmeicheln – gut zu sehen am Beispiel oben, bei dem ich lediglich das Objektiv gewechselt habe. Ich verstehe die Beweggründe, ein solches Objektiv zu kaufen: Man bekommt ein f/1.8 schon für rund 100 €, was unschlagbar günstig ist für eine Optik, die auch bei wenig Licht scharfe Aufnahmen produziert und einen ansprechend verschwommenen Hintergrund ermöglicht. Allerdings müssen Sie sehr nah an das Motiv herantreten, um bei dieser Brennweite einen unscharfen Hintergrund zu erhalten, was die Verzerrung verstärkt. Im Web raten sehr viele Fotografen (inklusive meiner Wenigkeit) vom Einsatz eines 50-mm-Objektivs für die Porträtfotografie ab. Auf der anderen Seite stoßen Sie beispielsweise in YouTube-Videos auf Slogans wie: »Warum Sie ein 50 mm-Objektiv für Portäts brauchen.« Beachten Sie dabei Folgendes: 1) Viele erfahrene Straßenfotografen machen mit kleiner Brennweite eher dokumentarische Aufnahmen wie von dem alten Mann im Park mit wettergegerbtem Gesicht, wobei die Attraktivität des Motivs in den Hintergrund tritt. 2) 50-mm-Objektive erzeugen einen charakteristischen Look, den manche Fotografen lieben. Deshalb haben sie mühsam gelernt, mit dieser Brennweite umzugehen. Fehlen diese Erfahrungswerte, würde ich Ihnen dringend davon abraten, Ihre Freunde mit solchen Objektiven abzulichten. Nicht umsonst empfehlen viele erfahrene Fotografen die Verwendung von Porträt-Objektiven mit langen Brennweiten ab 85 mm und raten von 50-mm-Linsen ab.