Wer heute Menschen für das soziale Apostolat
ansprechen will, muss zunächst Hilfe beim Gewinnen
inneren Halts bieten
Dieser Appell kommt aus einem Bündel von Erfahrung und Zeitanalyse, aus den Berichten der Jugendseelsorge, aus einer Fülle einschlägiger Literatur, aus weitgespannten Interessensuntersuchungen, aus Erfahrungen psychologischer und tiefenpsychologischer Art, aus der Klage der Zeit, aus den ins Auge springenden Defiziten. Seelsorgeberichte und Psychotherapeuten besagen das Gleiche: Der Mensch von heute sehnt sich nach dem tröstenden Geheimnis, weiß sich verunsichert, bedrängt und entwurzelt, will Herz begegnen und Halt spüren. Das ergibt sich fast zwangsläufig aus der Situation unserer Zeit, der anonymen Massen- und Machtzusammenballungen, der Informationsflut, den Verwirrspielen des Pluralismus. Fundamentalistische Strömungen aller Art machen ja mit dieser Unsicherheit des Menschen das große Geschäft. Wenn man diese Realität nicht beachtet, wird man vom Leben bestraft. Ich muss die älteren Semester unter uns darauf hinweisen, dass damals, in der Gründerzeit der Arbeiterbewegung, der Akzent doch etwas anders war. Man konnte sich auf mehr selbstverständliche religiöse Substanz bei Aktivisten stützen.
Heute genügt es also nicht, nur irgendwelche „Aktionsgemeinschaften“ für dies und jenes ins Leben zu rufen. Wenn man die existenziellen Bedürfnisse nicht trifft, werden Sozialinitiativen zu Generalstäben ohne Heer.
Wer Menschen für das soziale
Engagement gewinnen will, muss auf die Entfaltung
sozialen Fühlens achten
Im angloamerikanischen Raum gibt es ganze Bibliotheken über die Frage der Empathie, des Einfühlungsvermögens in den anderen. Alle Untersuchungen bestätigen: Je mehr das Leben zivilisiert und urbanisiert wird, umso mehr schwindet diese Fähigkeit. Vom Tod des Gefühls als einer Todsünde der Zivilisation hat schon Konrad Lorenz gesprochen. Je anonymer die Welt wird, je vermasster und gedrängter der Mensch lebt, umso mehr erfolgt die Konzentration auf sich selbst, ganz nach der Melodie „alle denken an sich, nur ich allein denk an mich …“. Die soziale Verantwortung überträgt man den anderen, die dafür da sind, die sich amtlich darum kümmern sollen. Ich vermute, dass die Arbeit in KAJ und KAB heute sehr oft dieser Blockade, diesem Desinteresse und diesem Abschieben von Verantwortung begegnet.
Die Pflege des Fühlens ist also ein Gebot der Stunde, und sie ist deshalb so wichtig, weil letztlich – nach den Erkenntnissen der Gesamtbetrachtung einer Humanpsychologie – der Mensch halt doch aus seinen grundlegenden Gefühlen und Gestimmtheiten heraus lebt. Diese Welt des Fühlens ist bei nicht wenigen auch von der Kindheit her geschädigt. Und das soziale Engagement muss aus einer tiefen Echtheit kommen (wie man sie bei der Persönlichkeit Joseph Cardijns zweifellos erlebt hat) und darf nie so etwas wie eine neurotische Selbstbestätigung sein.
Die Schule des sozialen Fühlens muss übrigens positiv geprägt sein. Mit dem dauernden Ausmalen von Schreckensbildern und Horrorvisionen, mit überzogener Gesellschaftskritik schafft man das nicht.
Um einem bloßen Theoretisieren
zu entgehen, muss man den Mut zur
modellhaften Aktion haben
Wahrscheinlich leite ich damit bei Ihnen nur Wasser auf die Mühlen, die schon laufen. Vielleicht hole ich diesen Punkt nur deshalb herein, weil er in vielen Bereichen der Kirche wirklich Geltung hat. Sie kennen ja den Witz von der Vision einer Kirche, in der hundert Experten zu einer Großtagung zusammentreten, um zu beschließen, was die letzten drei Aktiven tun sollen. … In der Urkirche haben sie die Probleme mit der „Glossolalie“ gehabt, dem wirren „Zungenreden“ derer, die sich für Geistergriffene gehalten haben. Wir haben heute mehr die Schwierigkeiten mit der „Polylalie“, dem Vielgerede, den nicht enden wollenden Gesprächen, Kreisen, Tagungen, „runden Tischen“, Klubs, Konferenzen und Synoden, auf denen Berge besprochen und nicht selten Mäuse geboren werden. In einer so geschwätzigen Epoche braucht es auch das schlichte Tun. Und manchmal wäre es gut, erst zu reden, wenn man etwas getan hat. Ich misstraue auch den allzu großartigen kirchlichen Parolen, wie „Christianisierung Europas“, „Verchristlichung der Gesellschaft“ usw. Reden wir doch lieber von einem „christlichen Beitrag“, den wir zu einer menschlicheren Welt leisten wollen, und von glaubwürdigen und zeitgemäßen Formen der Verkündigung, und tun wir hie und da etwas.
Langer Graben – Hall in Tirol
„Modellhaft“ bedeutet auch eine realistische Beschränkung mit dem Blick auf unsere Möglichkeiten. Es ist bei uns im sozialen Feld sicher ähnlich wie im Feld der internationalen Hilfe. Wir können nicht die Probleme ganzer Staaten in der Dritten Welt lösen. Aber da und dort können wir zeigen, wie man den Lebensstandard einer Region durch gezielte Aktionen heben kann.
Wenn man die Gesellschaft
da und dort positiv verändern will, braucht es
die sorgfältige Schulung Einzelner
Dafür muss ich schon deshalb plädieren, weil ich das z. B. in diesen Bereichen nicht habe. Nun erscheint mir aber die Wirklichkeit von Wirtschaft, Sozialem, Ökologischem, Weltweitem und Regionalem, Menschenbild und Politischem so komplex, dass ich mir ausrechnen kann, wie viel Sachverstand dazugehört, auch nur einigermaßen die Dinge überschauen und positive Lösungen finden zu können. In diese Schulung muss sicher viel hineinreichen. Sie muss die religiöse Verdünnung genauso vermeiden wie das Abgleiten in die Utopie. Utopien können in der Weltgeschichte schon auch eine Funktion haben, meist eher eine geistig-literarische, auf der anderen Seite ist utopisches Denken im Sozialbereich unter Umständen daran schuld, dass man kirchlichen Kreisen blauäugige Sozialromantik vorwirft. Mit bloßen Idealvorstellungen oder nicht realisierbaren Träumen kann man kaum an eine sachliche Arbeit gehen, auch die bloße Schärfung des kritischen Blicks ist zu wenig. Eine zukunftsträchtige Schulung wird die Auseinandersetzung und den Dialog mit anderen Gedankenbahnen suchen müssen, damit man gewisse Grundkonsense erreicht. Die Schulung im realistischen Detail muss aber auch unbedingt die unendliche Motivation einschließen, aus der heraus wir allein als Christen wirken können.
Zu unserem Dienst gehört auch das Wort
in die Öffentlichkeit
Das ist sicher eine wichtige Aufgabe im gesellschaftlichen Engagement der Kirche. Und es ist keine leichte Aufgabe. Und sie wird und wurde nicht immer in sehr glücklicher Weise gelöst. Über die Schwierigkeit dieser Art des Wirkens weiß ich aus ureigenster Erfahrung. In vielen Fällen soll dieses Wort in die Öffentlichkeit rasch erfolgen. Eine schnelllebige Zeit erfordert sehr oft schnelle Reaktionen. Und trotzdem muss das Wort in die Öffentlichkeit von einigen Grundsätzen geprägt sein, wenn es nicht der berühmte Schuss werden soll, der nach hinten losgeht.
Darf ich diese Eigenschaften mit folgenden Worten charakterisieren: