Verarmt und vergessen
Prinz Philipp von Coburg starb 1921 in Coburg, Géza von Mattachich 1923 in Paris und Prinzessin Louise ein Jahr nach ihrem Liebhaber verarmt und vergessen in Wiesbaden.
1 Die 34 Seiten starke Ehescheidungsklage der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heinrich Kunreuther in Gotha wurde mir von Frau Irmgard Höcher zur Verfügung gestellt. Die Wienerin hatte die Dokumente im Nachlass ihres Stiefvaters Alois Gaber (1900–1977) entdeckt, der in der Zwischenkriegszeit Verwalter der Familie Coburg in Wien war und in dieser Funktion Zugang zu wichtigen Unterlagen hatte.
2 Diese Summe entspricht laut »Statistik Austria« im Jahr 2018 einem Betrag von rund 6 Millionen Euro.
3 veralterte Form von bösartig
4 Siehe auch Seiten 21–39
Wie der »Walzerkönig« Sachse wurde Das Haus Coburg in der Anekdote
Aristokraten waren – ebenso wie Offiziere, Akademiker und Studenten – in der Monarchie verpflichtet, einen Kontrahenten, selbst im Falle einer geringfügigen Meinungsverschiedenheit, zum Duell zu fordern. Das Eigenartige war, dass es neben dieser Verpflichtung ein gleichzeitiges gesetzliches Verbot des Zweikampfs gab. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1895 zeigt auf, dass sich zwischen 1880 und 1893 rund 2500 Österreicher im Zuge eines »Ehrenhandels« gegenüberstanden. Fast ein Drittel der Duellfälle endete tödlich.
•Der durch seine Eheprobleme mit der belgischen Königstochter Louise und als Mayerling-Jagdgast seines Schwagers, Kronprinz Rudolf, zu trauriger Berühmtheit gelangte Prinz Philipp war von 1881 bis 1921 Chef des österreichischen Zweigs der Dynastie.
•Der ebenfalls dem Wiener Haus Coburg entstammende Prinz Ferdinand war von 1908 bis 1918 König von Bulgarien. Sein Briefverkehr mit der Schauspielerin Katharina Schratt dokumentiert, dass er mit der Freundin des Kaisers eine mehrjährige Affäre hatte, weshalb Franz Joseph immer sehr eifersüchtig auf »den Bulgaren« reagierte.
•Albert von Sachsen-Coburg und Gotha war der Ehemann der englischen Königin Victoria.
•Herzog Ernst II. regierte von 1844 bis 1893 als Oberhaupt der Familie im kleinen Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. In dieser Funktion sollte er für Österreichs »Walzerkönig« eine bedeutsame Rolle spielen.
Nun nahm Johann Strauß seine guten Beziehungen zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha auf: Prinz Leopold von Coburg2 hatte in den 1850er-Jahren eine Liaison mit der bürgerlichen Wienerin Constanze Geiger, die ihm ein Kind schenkte. Statt wie andere »Skandal« zu schreien, setzte Johann Strauß ein Zeichen, als er 1861 den von ihm komponierten Grillenbanner-Walzer »Seiner Hoheit, dem durchlauchtigsten Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha« widmete. Später heiratete Prinz Leopold, gegen das Coburg’sche Hausgesetz verstoßend, die Mutter seines Kindes, was vom Familienoberhaupt, Herzog Ernst II., stillschweigend toleriert wurde.
Als nun Johann Strauß vor seinem eigenen Eheproblem stand, wandte er sich an denselben Herzog Ernst II. Selbst Vater von drei unehelichen Kindern und ein großer Verehrer des Walzerkönigs, zeigte der Herzog Verständnis und stimmte einer Scheidung und Wiederverheiratung des Komponisten im Herzogtum Coburg zu. Allerdings dauerte der Vorgang mehrere Jahre, in denen Johann Strauß seine Geliebte bei gesellschaftlichen Anlässen zwar ruhigen Gewissens als »Frau Strauss« vorstellen konnte, da sie – durch ihre frühere Ehe – zufällig wirklich so hieß. Aber das war natürlich kein Dauerzustand.
Und so legte der wienerischste aller Komponisten im Frühjahr 1886 seine österreichische Staatsbürgerschaft zurück und nahm die des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha an. Er musste auch aus der römisch-katholischen Kirche austreten und Protestant werden. Nach einem weiteren Jahr trennte Herzog Ernst II. die Ehe von Johann Strauß und Angelika Dittrich »dem Bande nach«. Worauf der Walzerkönig seine Adele endlich – wiederum in Coburg – heiraten konnte.
1 Siehe auch Seiten 160–170
2 Leopold Franz von Sachsen-Coburg und Gotha, 1824–1884
Mordanschlag aus Liebe Das Säureattentat auf den Prinzen Leopold von Coburg
Man ist geneigt anzunehmen, dass das Schicksal den Wiener Zweig der Familie Coburg nicht härter hätte treffen können als mit der Affäre um Louise und Philipp. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. Und zwar schon in der nächsten Generation, als die Beziehung ihres einzigen Sohnes mit einer Schauspielerin in einer Katastrophe endete, die vielfach mit dem Drama von Mayerling verglichen wurde. Mit umgekehrten Vorzeichen: Diesmal war es die Geliebte, die zur Schusswaffe griff.
Es sollte noch viel schlimmer kommen
Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha, 1878–1916
Kamilla Rybicka, Schauspielerin, 1886–1915
Der 29-jährige Prinz Leopold von Sachsen-Coburg, ein überaus gebildeter Mann, der sich im Besonderen mit Geschichte, Archäologie und Zoologie beschäftigte, hatte sich 1907 unsterblich in die 21-jährige Schauspielerin Kamilla Rybicka, Tochter des Wiener Polizeiregierungsund späteren Hofrats Emmerich Rybicka, verliebt. Sie zählte, laut einer Umfrage des Neuen Wiener Tagblatts, zu den schönsten Mädchen der Stadt. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Aristokraten, die morganatische Beziehungen eingingen, verbrachte Leopold mit der Geliebten nicht nur intime Stunden, sondern lebte seine Amour fou in aller Öffentlichkeit aus. So nahm er die Schauspielerin, die auch unter dem Namen Lotte Gregowicz auftrat, jeden Sonntag in die Augustinerkirche mit, in der Wiens Aristokratie inklusive Kaiserhaus die Messe besuchte. Nicht genug damit, bereiste Leo, wie der Prinz von seiner Familie und von Freunden genannt wurde, mit Kamilla die Kur-und Badeorte der österreichisch-ungarischen