Johann Strauß wird kein Baron
Allein unter Kaiser Franz Joseph wurden 5700 Bürgerliche geadelt, darunter prominente Kaufleute und Bankiers wie Schoeller, Epstein, Mautner Markhof, Drasche, Wertheim und Rothschild. Bei Künstlern war der Kaiser strenger. So lehnte er die Ernennung des Walzerkönigs Johann Strauß in den Adelsstand ab, da dieser 1848 einen Revolutionsmarsch komponiert und mit den Aufständischen sympathisiert hatte. Der wohl populärste Musiker seiner Zeit kam auch nach Jahrzehnten noch nicht für eine »Baronie« infrage, obwohl er inzwischen eine ganze Reihe von habsburgtreuen Texten vertont hatte.
Dichter erben ihre Titel
In der Donaumonarchie hat man es – bezüglich der Titelvergabe – auch sonst nicht zuwege gebracht, die Bedeutung großer Künstler richtig einzuschätzen. Die wenigen österreichischen Dichter von Rang, die dem Adel angehörten, hatten ihre Titel allesamt geerbt: Hugo von Hofmannsthal ebenso wie Marie von Ebner-Eschenbach geborene Freifrau von Dubsky, Ferdinand von Saar, Bertha von Suttner geborene Gräfin Kinsky oder Heimito von Doderer. Kein Einziger wurde für seine Leistung nobilitiert, auch die Größe eines Grillparzer, eines Raimund, Nestroy oder Schnitzler hat der Hof nicht erkannt – oder nicht erkennen wollen. Jedenfalls wurde keiner der wirklich Großen in die »Zweite Gesellschaft« erhoben.
Kaiser Karl wird auch »Sehadler« genannt
In der letzten Dekade der Habsburgermonarchie wurden die Angehörigen des Kleinadels mit »Prädikaten« versehen, mit denen sie ihre oft sehr schlichten bürgerlichen Namen schmücken durften. Da hieß einer plötzlich Johann Huber von Prinzenbach oder Emmerich Pribil von Greifenwald. Als einmal vier Herren im Zug von Ischl nach Wien fuhren, stellte sich der erste Reisende vor: »von Bergheim«, der zweite: »von Meyendorff«, der dritte: »von Birkenstein«. Worauf der vierte sagte: »Sie werden lachen, meine Herren, ich heiß’ auch Pollack!«
Noch wesentlich mehr Titel als Kaiser Franz Joseph vergab dessen Großneffe und Nachfolger, Kaiser Karl I., den man deshalb auch »Sehadler« nannte, weil er jeden, den er gesehen, auch gleich geadelt hat. Und zwar in atemberaubendem Tempo. So brachte es General Viktor Dankl 1917 zum Freiherrn und nur ein Jahr später, am 10. November 1918, zum Grafen – zum allerletzten allerdings in der Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Denn schon am Tag danach gab es die Monarchie nicht mehr. General Dankl durfte nur ein einziges Dokument – seine Ernennung zum Grafen – mit seinem schönen neuen Titel unterzeichnen.
»Gesetz über die Aufhebung des Adels«
Am 3. April 1919 wurde mit Beschluss der jungen Republik das Führen aristokratischer Titel unter Strafe gestellt. Wer gegen das »Gesetz über die Aufhebung des Adels« verstieß, konnte zu einer Zahlung von bis zu 20 000 Kronen oder Arrest bis zu sechs Monaten belangt werden. Es ist allerdings kein Fall eines Fürsten, Grafen oder Barons bekannt, der in der Republik seinen ehemaligen Titel auf dem Türschild vermerkt hätte – und dafür ins Gefängnis musste.
Betroffenheit unter den Beamten
Besonders groß war nach dem Ende der Monarchie die Betroffenheit unter den Angehörigen des Beamten- und Dienstadels, die ihr ganzes Berufsleben ein geringes Salär in Kauf genommen und auf Gehaltssprünge verzichtet hatten, weil man ihnen in Aussicht gestellt hatte, sie bei Pensionsantritt zu nobilitieren. Dass nun auch dieses Zeichen der Wertschätzung verschwunden war und sie von einem Tag zum anderen von einer privilegierten Klasse zu einer Art Volksfeind wurden, der plötzlich »an allem schuld« sein sollte, ertrugen viele nur schwer.
Weit weniger dramatisch stellte sich der Titelverlust für die Mitglieder der Hocharistokratie dar. »Uns«, sagte die Fürstin Fanny Starhemberg nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, »macht die Aufhebung des Adels gar nichts. Wir sind immer die Starhembergs, ganz egal ob mit oder ohne Titel.«
»Entadelt von Karl Renner«
Ein Graf Sternberg rächte sich bei den »Roten«, die er als eigentliche Titelvernichter verdächtigte, für den Verlust seiner äußeren Würde, als er sich Visitenkarten drucken ließ, auf denen zu lesen war: »Adalbert Sternberg, geadelt im Jahre 800 von Karl dem Großen, entadelt im Jahre 1919 von Karl Renner«.
Wie wenig man von der Abschaffung des Adels in der Zeit des Ständestaates hielt, zeigt ein Blick in die Kabinettslisten der Regierungen ab 1933. Da gab es Minister mit Namen Baron Egon Berger von Waldenegg, Eduard Baar von Barenfels, Edmund Glaise von Horstenau sowie den Grafen Rudolf Hoyos als Vorsitzenden des Staatsrates und schließlich den Unterrichtsminister Kurt von Schuschnigg, der nach der Ermordung Dollfuß’ Bundeskanzler wurde.
Jetzt auch noch der Kammertänzer
Die österreichische Freude an der Schaffung und Vergabe eindrucksvoller Titel muss, so scheint es, ansteckend sein. Anders ist’s nicht zu erklären, dass Dominique Meyer, der aus Frankreich gebürtige Direktor der Wiener Staatsoper, noch im Frühsommer des Jahres 2018 allen Ernstes vorschlug, verdienten Mitgliedern des Corps de ballet künftig den bislang selbst in Österreich unbekannten Titel Kammertänzer zu verleihen.
Fest steht, dass sich in keinem anderen Land auch nur annähernd so viele Titel einbürgerten wie in Österreich, oder wie Dieter Chmelar es formulierte: »Wäre Shakespeare Österreicher gewesen, sein Stück hätte geheißen: Der Diplomkaufmann von Venedig.«
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