Sie lief nach draußen, quer über den Hof auf die Ställe zu. Sie würde einen langen Ausritt machen und dabei ihre Gedanken sortieren! Die besten Ideen kamen ihr sowieso immer beim Reiten.
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Robert Wenger sah den schmalen Dunkelhaarigen, der in der Tür seines Büros stand, fragend an. Er hatte den Mann noch nie zuvor gesehen und fragte sich, ob er eine Stelle suchte. Aber so wirkte er nicht, er stand selbstbewusst auf der Schwelle und lächelte freundlich. »Ich bin Dr. Claven«, sagte er. »Ich vertrete Dr. Küppers, der sich ja unglücklicherweise ein Bein und einen Arm gebrochen hat und deshalb nicht arbeiten kann. Und da ich noch nie hier war, dachte ich, ich stelle mich kurz vor, damit Sie wissen, mit wem Sie es in den nächsten Wochen zu tun haben.«
Robert stand auf und reichte dem jungen Tierarzt die Hand. »Sehr erfreut, Herr Doktor, ich bin Robert Wenger, der Stallmeister auf Sternberg.«
Arndt von Claven lächelte. »Ich weiß, von Ihnen habe ich schon einiges gehört – vor allem, dass man besser gute Arbeit leistet, wenn man es mit Ihnen zu tun hat. Erlaubt es Ihre Zeit, mich ein wenig herumzuführen oder komme ich ungelegen?«
»Nein, nein, gar nicht. Es ist mir auch lieber, wenn Sie sich schon einmal einen ersten Eindruck verschafft haben, das können Sie mir glauben.«
Robert fand den jungen Tierarzt sympathisch, und so nahm er sich mehr Zeit, als er es normalerweise getan hätte. Dr. Claven stellte viele Fragen, bewunderte einige der Pferde und stellte schließlich fest: »Das ist hier ein viel größerer Zuchtbetrieb, als ich dachte, Herr Wenger. Eine Menge Arbeit.«
»Ja, für alle Beteiligten«, gab Robert zu, »aber wir haben ausreichend Personal – jedenfalls wenn der Krankenstand nicht allzu hoch ist. Und alle sind mit Begeisterung bei der Sache, das spielt ebenfalls eine große Rolle.«
»Kann ich mir vorstellen, ja. Einige trächtige Stuten haben Sie auch.«
»In ein paar Wochen ist es so weit. Die Erste wird sicherlich Salva sein. Könnte sein, dass Sie das noch erleben.«
»Nichts dagegen«, lächelte Arndt von Claven. »Sagen Sie, was muss ich über die Schlossbewohner noch wissen? Ich bin neu hier in der Gegend, ich weiß nur, dass eine Familie von Kant auf Sternberg wohnt.«
»Und Prinz Christian von Sternberg, der Neffe der Frau Baronin«, ergänzte Robert. »Seine Eltern sind vor einigen Monaten bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen, Sie haben vielleicht davon gehört – das Fürstenpaar von Sternberg.«
»Natürlich, jeder hat davon gehört«, erwiderte der Tierarzt. »Wie alt ist Prinz Christian jetzt?«
»Er ist fünfzehn.«
»Armer Kerl«, murmelte Arndt. »Sagen Sie, ist er derjenige, den man unten im Ort ›der kleine Fürst‹ nennt?«
»Sie haben ja doch schon eine ganze Menge mitbekommen«, stellte Robert fest. »Ja, das ist er.«
»Und wieso? Ich meine, wenn er doch Prinz ist – wieso heißt er dann ›der kleine Fürst‹?«
»Wenn er achtzehn ist, also volljährig, wird er der nächste Fürst von Sternberg sein. Solange er das noch nicht ist, trägt er diesen Spitznamen. Oder besser gesagt: diesen Kosenamen. Prinz Christian ist sehr beliebt.«
»Den Eindruck hatte ich auch, ja. Danke für die Informationen, Herr Wenger. Wenn Sie mich brauchen sollten: Sie wissen ja, wo ich zu finden bin. Ansonsten komme ich regelmäßig alle zwei Wochen vorbei und sehe, ob alles in Ordnung ist. Einverstanden?«
»So hat es Dr. Küppers auch gehalten«, erklärte Robert. »Bis zu Ihrem nächsten Besuch, Herr Doktor.«
Sie wechselten einen kräftigen Händedruck, dann eilte Arndt zu seinem Kombi, der groß genug war, um ein verletztes Tier zu transportieren, sofern es sich nicht um ein Pferd oder eine Kuh handelte.
Robert sah ihm lächelnd nach. Netter Mann, der Vertreter von Dr. Küppers – mit dem kam er sicher gut zurecht.
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Ausnahmsweise war Julietta pünktlich zum Frühstück erschienen. Es kam ihrer Mutter sogar so vor, als hätte sie sich flüchtig die Haare gekämmt. Überdies war sie blass, ihr Gesicht wirkte verschlossen. Bevor jemand das Wort an sie richten konnte, sagte sie: »Ich gehe nach Sternberg, damit ihr nicht länger behaupten könnt, dass ich nicht bereit bin zu arbeiten, oder dass ich nichts lernen will – das stimmt nämlich nicht.«
Es blieb mehrere Sekunden lang still, dann sagte Adalbert mit ruhiger Stimme: »Ich bin froh über diese Entscheidung. Wann willst du fahren?«
»So schnell wie möglich. Was habt ihr denen eigentlich über mich erzählt?«
»Ich habe ihnen die Situation geschildert, wie ich sie wahrnehme, Julietta«, antwortete Adalbert. »Es ist an dir, sie davon zu überzeugen, dass mein Eindruck falsch ist.«
»Und meiner auch«, setzte Caroline leise hinzu, »denn er deckt sich mit dem deines Vaters.«
»Das heißt, die erwarten jetzt ein richtiges Ungeheuer?«, fragte Julietta empört.
»Unsinn«, erklärte Adalbert. »Sie erwarten eine Praktikantin für den Bereich Pferdepflege, die bisher Schwierigkeiten damit hatte, sich unterzuordnen. Das entspricht doch der Wahrheit?«
Sie schoss einen Blick auf ihn ab, der ihn durchbohrt hätte, wäre er ein Pfeil gewesen, doch statt zu antworten, presste sie fest die Lippen zusammen, damit ihr kein unbedachtes Wort entschlüpfte. Aber ihr Gesicht lief rot an, und ihr war anzusehen, was sie dachte.
Adalbert kümmerte sich nicht darum. Während er mit bedächtigen Bewegungen Butter auf sein Brötchen strich, sagte er: »Wenn du mir sagst, wann du abreisen willst, telefoniere ich gleich nach dem Frühstück mit Friedrich und kündige dein Kommen an.«
»Das kann ich auch allein«, erklärte Julietta patzig. »Ich brauche keinen Babysitter, auch wenn ihr immer so tut.«
»Bitte, dann ruf selbst an – aber vergiss nicht, uns ebenfalls zu informieren und bedank dich für die Möglichkeit, ein solches Praktikum machen zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich, Julietta.«
Sie sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl polternd zu Boden fiel. »Willst du mir noch weitere Vorschriften machen, Papa?«, fragte sie aufgebracht. »Dann tu es gleich, damit wir es hinter uns haben!«
Adalbert hob den Blick und sah seine jüngste Tochter so lange schweigend an, bis ihr erneut das Blut ins Gesicht schoss. »Nein«, sagte er dann, »das will ich nicht.« Nach diesen Worten wandte er sich wieder seinem Brötchen zu, und Julietta verließ den Raum, nicht ohne die Tür mit Schwung ins Schloss krachen zu lassen.
»Sie werden sie keine Woche auf Sternberg behalten, Bert«, sagte Caroline leise. »Und wir werden uns schämen, weil sie uns auch noch vor unseren Freunden unmöglich gemacht hat.«
Doch Adalbert war nicht bereit, sich von dieser pessimistischen Einschätzung seiner Frau anstecken zu lassen. »Abwarten und Tee trinken«, erwiderte er gemütlich und griff nach seiner Tasse.
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Das Telefon klingelte auf Schloss Sternberg, und wie fast immer nahm Eberhard Hagedorn das Gespräch entgegen.
Nachdem er sich gemeldet hatte, sagte eine überraschend dunkle weibliche Stimme: »Hier ist Julietta von Barrentrop, und wer sind Sie? Der Butler?«
Eberhard Hagedorn ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »In der Tat, gnädige Frau«, erwiderte er gelassen, »mein Name ist Eberhard Hagedorn.«
»Kann ich ja nicht ahnen. Ich will den Baron sprechen.«
»Ich werde sehen, ob er Zeit für Sie hat, einen Augenblick bitte.«
»Was soll das denn heißen?« Die