Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Schiller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849635039
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rege; und eben dieser mächtige Rückhalt, den die evangelischen Untertanen Oesterreichs an ihren Religionsverwandten im übrigen Deutschland fanden oder zu finden erwarteten, hatte einen großen Antheil an ihrem Trotz und an dem schnellen Glück des Matthias. Man glaubte in dem Reiche, daß man den längern Genuß des Religionsfriedens nur den Verlegenheiten zu danken hätte, worein den Kaiser die innerlichen Unruhen in seinen Ländern versetzten; und eben darum eilte man nicht, ihn aus diesen Verlegenheiten zu reißen.

      Fast alle Angelegenheiten des Reichstags blieben entweder aus Saumseligkeit des Kaisers oder durch die Schuld der protestantischen Reichsstände liegen, welche es sich zum Gesetze gemacht hatten, nicht eher zu den gemeinschaftlichen Bedürfnissen des Reichs etwas beizutragen, bis ihre Beschwerden gehoben wären. Diese Beschwerden wurden vorzüglich über das schlechte Regiment des Kaisers, über Kränkung des Religionsfriedens und über die neuen Anmaßungen des Reichshofraths geführt, welcher unter dieser Regierung angefangen hatte, zum Nachtheil des Kammergerichts seine Gerichtsbarkeit zu erweitern. Sonst hatten die Kaiser in unwichtigen Fällen für sich allein, in wichtigen mit Zuziehung der Fürsten, alle Rechtshändel zwischen den Ständen, die das Faustrecht nicht ohne sie ausmachte, in höchster Instanz entschieden oder durch kaiserliche Richter, die ihrem Hoflager folgten, entscheiden lassen. Dieses oberrichterliche Amt hatten sie am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einem regelmäßigen, fortdauernden und stehenden Tribunal, dem Kammergericht zu Speier, übertragen, zu welchem die Stände des Reichs, um nicht durch die Willkür des Kaisers unterdrückt zu werden, sich vorbehielten, die Beisitzer zu stellen, auch die Aussprüche des Gerichts durch periodische Revisionen zu untersuchen. Durch den Religionsfrieden war dieses Recht der Stände, das Präsentations- und Visitationsrecht genannt, auch auf die Lutherischen ausgedehnt worden, so daß nunmehr auch protestantische Richter in protestantischen Rechtshändeln sprachen und ein scheinbares Gleichgewicht beider Religionen in diesem höchsten Reichsgericht statt fand.

      Aber die Feinde der Reformation und der ständischen Freiheit, wachsam auf jeden Umstand, der ihre Zwecke begünstigte, fanden bald einen Ausweg, den Nutzen dieser Einrichtung zu zerstören. Nach und nach kam es auf, daß ein Privatgerichtshof des Kaisers, der Reichshofrath in Wien – anfänglich zu nichts Anderm bestimmt, als dem Kaiser in Ausübung seiner unbezweifelten persönlichen Kaiserrechte mit Rath an die Hand zu gehen– ein Tribunal, dessen Mitglieder, von dem Kaiser allein willkürlich aufgestellt und von ihm allein besoldet, den Vorteil ihres Herrn zu ihrem höchsten Gesetze und das Beste der katholischen Religion, zu welcher sie sich bekannten, zu ihrer einzigen Richtschnur machen mußten – die höchste Justiz über die Reichsstände ausübte. Vor den Reichshofrath wurden nunmehr viele Rechtshändel zwischen Ständen ungleicher Religion gezogen, über welche zu sprechen nur dem Kammergericht gebührte und vor Entstehung desselben dem Fürstenrathe gebührt hatte. Kein Wunder, wenn die Aussprüche dieses Gerichtshof ihren Ursprung verriethen, wenn von katholischen Richtern und von Creaturen des Kaisers dem Interesse der katholischen Religion und des Kaisers die Gerechtigkeit aufgeopfert wurde. Obgleich alle Reichsstände Deutschlands Ursache zu haben schienen, einem so gefährlichen Mißbrauche in Zeiten zu begegnen, so stellten sich doch bloß allein die Protestanten, welche er am empfindlichsten drückte, und unter diesen nicht einmal alle, als Vertheidiger der deutschen Freiheit auf, die ein so willkürliches Institut an ihrer heiligsten Stelle, an der Gerechtigkeitspflege, verletzte. In der That würde Deutschland gar wenig Ursache gehabt haben, sich zu Abschaffung des Faustrechts und Einsetzung des Kammergerichts Glück zu wünschen, wenn neben dem letztern noch eine willkürliche kaiserliche Gerichtsbarkeit stattfinden durfte. Die deutschen Reichsstände würden sich gegen jene Zeiten der Barbarei gar wenig verbessert haben, wenn das Kammergericht, wo sie zugleich mit dem Kaiser zu Gerichte saßen, für welches sie doch das ehemalige Fürstenrecht aufgegeben hatten, aufhören sollte, eine notwendige Instanz zu sein. Aber in den Köpfen dieses Zeitalters wurden oft die seltsamsten Widersprüche vereinigt. Dem Namen Kaiser, einem Vermächtnisse des despotischen Roms, klebte damals noch ein Begriff von Machtvollkommenheit an, der gegen das übrige Staatsrecht der Deutschen den lächerlichsten Abstich machte, aber nichts destoweniger von den Juristen in Schutz genommen, von den Beförderern des Despotismus verbreitet und von den Schwachen geglaubt wurde.

      An diese allgemeinen Beschwerden schloß sich nach und nach eine Reihe von besondern Vorfällen an, welche die Besorglichkeit der Protestanten zuletzt bis zu dem höchsten Mißtrauen spannten. Während der spanischen Religionsverfolgungen in den Niederlanden hatten sich einige protestantische Familien in die katholische Reichsstadt Aachen geflüchtet, wo sie sich bleibend niederließen und unvermerkt ihren Anhang vermehrten. Nachdem es ihnen durch List gelungen war, einige ihres Glaubens in den Stadtrath zu bringen, so forderten sie eine eigene Kirche und einen öffentlichen Gottesdienst, welchen sie sich, da sie eine abschlägige Antwort erhielten, nebst dem ganzen Stadtregiment auf einem gewaltsamen Wege verschafften. Eine so ansehnliche Stadt in protestantischen Händen zu sehen, war ein zu harter Schlag für den Kaiser und die ganze katholische Partei. Nachdem alle kaiserlichen Ermahnungen und Befehle zur Wiederherstellung des vorigen Zustandes fruchtlos geblieben, erklärte ein Schluß des Reichshofraths die Stadt in die Reichsacht, welche aber erst unter der folgenden Regierung vollzogen wurde.

      Von größerer Bedeutung waren zwei andre Versuche der Protestanten, ihr Gebiet und ihre Macht zu erweitern. Kurfürst Gebhard zu Köln, geborner Truchseß von Waldburg, empfand für die junge Gräfin Agnes von Mannsfeld, Kanonissin zu Gerresheim, eine heftige Liebe, die nicht unerwidert blieb. Da die Augen von ganz Deutschland auf dieses Verständniß gerichtet waren, so forderten die Brüder der Gräfin, zwei eifrige Calvinisten, Genugtuung für die beleidigte Ehre ihres Hauses, die, so lange der Kurfürst ein katholischer Bischof blieb, durch keine Heirath gerettet werden konnte. Sie drohten dem Kurfürsten, in seinem und ihrer Schwester Blut diese Schande zu tilgen, wenn er nicht sogleich allem Umgang mit der Gräfin entsagte oder ihre Ehre vor dem Altar wiederherstellte. Der Kurfürst, gleichgültig gegen alle Folgen dieses Schrittes, hörte nichts, als die Stimme der Liebe. Sei es, daß er der reformierten Religion überhaupt schon geneigt war, oder daß die Reize seiner Geliebten allein dieses Wunder wirkten – er schwur den katholischen Glauben ab und führte die schöne Agnes zum Altare.

      Der Fall war von der höchsten Bedenklichkeit. Nach dem Buchstaben des geistlichen Vorbehalts hatte der Kurfürst durch diese Apostasie alle Rechte an sein Erzstift verloren, und wenn es den Katholiken bei irgend einer Gelegenheit wichtig war, den geistlichen Vorbehalt durchzusetzen, so war es bei Kurfürstentümern wichtig. Auf der andern Seite war die Scheidung von der höchsten Gewalt ein so harter Schritt, und um so härter für einen so zärtlichen Gemahl, der den Werth seines Herzens und seiner Hand durch das Geschenk eines Fürstentums so gern zu erhöhen gewünscht hätte. Der geistliche Vorbehalt war ohnehin ein bestrittener Artikel des Augsburger Friedens, und dem ganzen protestantischen Deutschland schien es von äußerster Wichtigkeit zu sein, dem katholischen Theile diese vierte Kur zu entreißen. Das Beispiel selbst war schon in mehrern geistlichen Stiftern Niederdeutschlands gegeben und glücklich durchgesetzt worden. Mehrere Domcapitularen aus Köln waren bereits Protestanten und auf des Kurfürsten Seite; in der Stadt selbst war ihm ein zahlreicher protestantischer Anhang gewiß. Alle diese Gründe, denen das Zureden seiner Freunde und Verwandten und die Versprechungen vieler deutschen Höfe noch mehr Stärke gaben, brachten den Kurfürsten zu dem Entschluß, auch bei veränderter Religion sein Erzstift beizubehalten.

      Aber bald genug zeigte sich, daß er einen Kampf unternommen hatte, den er nicht endigen konnte. Schon die Freigebung des protestantischen Gottesdienstes in den Kölnischen Landen hatte bei den katholischen Landständen und Domcapitularen den heftigsten Widerspruch gefunden. Die Dazwischenkunft des Kaisers und ein Bannstrahl aus Rom, der ihn als einen Apostaten verfluchte und aller seiner sowohl geistlichen als weltlichen Würden entsetzte, bewaffnete gegen ihn seine Landstände und sein Capitel. Der Kurfürst sammelte eine militärische Macht; die Capitularen thaten ein Gleiches. Um sich schnell eines mächtigen Arms zu versichern, eilten sie zu einer neuen Kurfürstenwahl, welche für den Bischof von Lüttich, einen bayerischen Prinzen, entschieden wurde.

      Ein bürgerlicher Krieg fing jetzt an, der, bei dem großen Antheil, den beide Religionsparteien in Deutschland an diesem Vorfalle nothwendig nehmen mußten, leicht in eine allgemeine