Das Vordringen der Hunnen in die Steppen nördlich des Schwarzen Meeres um 375 betraf Noricum und seine Nachbargebiete noch nicht direkt; die Masse der fliehenden Goten ging über die untere Donau in die Balkanprovinzen, viele blieben unter hunnischer Herrschaft nördlich des Stromes, nur eine dissidente gotisch-hunnische Gruppe wurde von der Reichsregierung in Pannonien angesiedelt. Prekärer wurden die Umstände um 400. Vieles spricht dafür, dass damals das Zentrum der hunnischen Macht ins Karpatenbecken verlagert wurde. Für die nächsten anderthalb Jahrhunderte blieb Pannonien ein Ballungsraum für barbarische Gruppen, die von dort schließlich nach Süden in die Balkanprovinzen, nach Südwesten Richtung Italien oder donauaufwärts nach Westen weiterzogen. Der norische Raum war Anfang des 5. Jahrhunderts wohl betroffen vom Durchmarsch der Goten des Radagaisus nach Italien, der Vandalen, Alanen und Sueben nach Gallien sowie von den Zügen der Westgoten Alarichs, die in Italien Fuß zu fassen suchten. Über die unmittelbaren Folgen wissen wir wenig. In den 440er Jahren erreichte das Hunnenreich unter Attila den Höhepunkt seiner Macht. Das muss für Pannonien und Noricum nicht tragisch gewesen sein, da Attila in seinem unmittelbaren Einflussbereich wohl für Stabilität sorgte. Immerhin marschierte das riesige Heer aus Hunnen, Goten und anderen unterworfenen Völkern 451 die Donau entlang nach Gallien und kehrte nach der wenig erfolgreichen Schlacht auf den Katalaunischen Feldern auf demselben Weg zurück. Wir wissen aus der Vita Severini, dass das römische Leben an der Donau westlich des Wienerwaldes nach all diesen Ereignissen weiterging, wenn auch unter schwierigen Bedingungen.
Nach Attilas Tod im Jahr 453 zerfiel sein Reich rasch, und die Hunnen zogen nach Osten ab. Die Provinz Pannonien beherrschten nun ostgotische Könige. Östlich davon, an der Theiß, bildete sich ein Königreich der Gepiden. Nördlich der Donau etablierten sich kleinere und größtenteils kurzlebige Reiche der Skiren, Sueben, Eruler und Rugier. Es waren letztere, mit denen die römische Bevölkerung an der norischen Donau vor allem zu tun hatte. Ihr Zentrum lag nicht weit von Favianis/Mautern, wo der heilige Severin, ein vornehmer und politisch erfahrener Römer, sein Kloster gründete. Er tat (zumindest nach der sicherlich verklärenden Darstellung seines Biographen Eugippius ) alles, um in unruhigen Zeiten die Bewohner der Donaukastelle zwischen Passau und dem Wienerwald so gut wie möglich gegen barbarische Repressalien, Räuberbanden und Hungersnöte zu schützen. Anfang der 470er Jahre zogen die Goten unter Führung ihres Königs Theoderich aus dem benachbarten Pannonien ab, was die Lage etwas entspannte. Als der Sold für die römischen Truppen ausblieb und einige Kastelle aufgegeben werden mussten, versuchte Severin die Bevölkerung östlich von Lauriacum/Lorch dem Schutz der Rugierkönige zu unterstellen. Dieses Arrangement hielt auch über Severins Tod hinaus, bis Armeen des Königs Odoaker aus Italien in zwei Feldzügen 487/488 das Rugierreich zerschlugen. Danach wurde die römische Bevölkerung von der norischen Donau nach Italien umgesiedelt. Das diente wohl nicht zuletzt dazu, in diesem Raum die Basis für neue barbarische Reichsbildungen zu zerstören, die Italien hätten gefährlich werde können. Auch die Reliquien des heiligen Severin wurden nach Neapel transferiert, wo sein Schüler Eugippius um 511 die Lebensbeschreibung des Heiligen verfasste.
Die Reste der Rugier schlossen sich Theoderichs Ostgoten an und zogen mit ihnen 488/489 nach Italien. In dreijährigen Kämpfen und mit Unterstützung Ostroms gelang es den Heeren Theoderichs, Ravenna zu erobern und Odoaker zu stürzen. Von 493 bis zu seinem Tod 526 regierte Theoderich als König über Italien und einige Nachbargebiete, darunter auch über das alpine Raetien, Binnennoricum und das südliche Pannonien. Seine recht erfolgreiche Herrschaft beruhte auf einer engen Zusammenarbeit mit der Senatsaristokratie, die in traditionell römischen Bahnen die zivile Verwaltung organisierte. Die Goten profitierten als privilegierte Kriegerkaste von diesem System. Für einige Jahrzehnte sah es im früheren 6. Jahrhundert so aus, als könnte ein relativ stabiles System barbarischer Königreiche in den ehemaligen Kernländern des westlichen Imperiums an die römische Ordnung anschließen. Das war auch die Politik Theoderichs, der mit einer Reihe von Ehebündnissen und diplomatischen Initiativen die Konflikte unter den neuen Mächten zu dämpfen versuchte. Freilich war das nicht leicht, vor allem die Expansion der Franken unter Chlodwig (reg. 481/482–511) und seinen Söhnen führte immer wieder zu Kriegen. Chlodwig vereinte gewaltsam das Frankenreich, beseitigte regionale Reste römischer Herrschaft in Gallien, überwand die Alemannen und verdrängte schließlich die bis dahin in Toulouse residierenden Westgotenkönige fast gänzlich aus Gallien nach Hispanien (508).
Der österreichische Raum wurde von der Neuordnung der ehemals weströmischen Gebiete nur am Rande betroffen. In das weitgehend verlassene Gebiet an der Donau (das »Rugiland«, wie es die langobardische Geschichtsschreibung nannte) zogen nun Langobarden ein. Dort gerieten sie bald in Konflikt mit den weiter östlich siedelnden Erulern und schlugen sie 508, so dass diese auf Reichsboden übertraten und im Raum von Singidunum/Belgrad angesiedelt wurden. Die Langobardenkönige, vor allem Wacho (reg. ca. 510–540), expandierten nun schrittweise nach Pannonien, wo seit dem Abzug der Ostgoten keine starke Macht mehr bestand. Sie wurden dadurch Nachbarn der Gepiden, die weiterhin an der Theiß siedelten, und der Ostgoten, die von Italien bis nach Sirmium ausgegriffen hatten. Unter ostgotischer Herrschaft stand auch Binnennoricum, wo sich vor allem im heutigen Kärnten eine lebendige spätrömisch-christliche Kultur erhielt. Die Bischöfe von Virunum (auf dem Zollfeld), Teurnia (beim heutigen Spittal an der Drau) und Aguntum (bei Lienz) sind bis gegen Ende des 6. Jahrhunderts auf Synoden des Patriarchats Aquileia bezeugt, dem dieser Raum kirchlich unterstand. Ausgrabungen in Kärnten ebenso wie im benachbarten Slowenien belegen ein dichtes Netz von befestigten Höhensiedlungen und Kirchen. Bedeutende sakrale Komplexe des 5./6. Jahrhunderts gab es etwa in Teurnia (mit der Inschrift eines ostgotischen Amtsträgers Ursus), in Aguntum oder auf dem Hemmaberg (wo insgesamt fünf Kirchen ergraben wurden).
Im westlichen Noricum und im östlichen Raetien konnte im 5. Jahrhundert keine Gruppe ihre Macht konsolidieren. Im Alpengebiet behauptete sich vielerorts die einheimische Bevölkerung unter oft nur schwacher Kontrolle durch eine der benachbarten Mächte. Sie war es, die viele der alten Wege über die Alpen benützbar hielt. Über die Verhältnisse im Alpenvorland haben wir kaum Nachrichten. Aus der Vita Severini wissen wir, dass alemannische Gruppen zeitweise weit östlich operierten, etwa im Raum von Passau. Doch die Alemannensiege Chlodwigs um 500 verhinderten eine eigenständige Expansion. Theoderich versuchte, zumindest die Alemannen im Alpenvorland vor den Franken zu schützen, unterstützte aber auch die Umsiedlung alemannischer Gruppen an die Save (ein Brief seines Administrators Cassiodor wirft ein Schlaglicht auf diese Migration, weil die norische Bevölkerung aufgefordert wird, das durch lange Wanderung ermüdete Vieh der Alemannen gegen frische Tiere zu tauschen). Doch die meisten Alemannen verblieben unter fränkischer Oberherrschaft.
Östlich des Lechs klärten sich die Verhältnisse erst um die Mitte des 6. Jahrhunderts, als hier ein von den Franken eingesetzter Dux Garibald über das in dieser Zeit erstmals genannte Volk der Bayern herrschte. Wer diese Baiovarii waren, ist in der Forschung schon lange umstritten. Klar ist nur, dass sie aus einer recht gemischten Bevölkerung aus Romanen, Alemannen/Sueben, Elbgermanen und anderen ungefähr im Raum zwischen Lech, Donau, Inn/Salzach und Alpen hervorgegangen sein müssen. Unter vielen teils recht phantasievollen Etymologien des Bayernnamens ist immer noch die Deutung ›Männer aus Böhmen‹ am plausibelsten. Archäologische Befunde schließen allerdings die Einwanderung einer größeren geschlossenen Gruppe mit klar abgrenzbarer Kultur aus; die aus zahlreichen Gräberfeldern des 6./7. Jahrhunderts gut bezeugte bayerische Bevölkerung ähnelt kulturell den benachbarten Alemannen. Im kulturellen Kontinuum des Raumes zu jener Zeit können ohnehin keine ethnischen Zuordnungen archäologischer Befunde erwartet werden. Jedenfalls waren es die Franken, die mit Einsetzung eines Dux die neue ethnisch-politische Einheit definierten. Er war wohl ein mittelbarer Nachfolger der früher von Italien aus eingesetzten raetischen Duces und könnte zunächst in Augsburg residiert haben, wo kontinuierliche Besiedlung und die fortgesetzte Verehrung der heiligen Afra bezeugt sind. Erst im 8. Jahrhundert ist Regensburg mit seinen imposanten römischen Bauresten als Residenz der Agilolfinger genannt. Von Westen aus kamen die Bayern den neuen Herren der ehemaligen Raetia secunda vielleicht recht »böhmisch« vor.
Die relative Stabilität